Paläontologie Falsches Fossil - der Hai war ein Flugsaurier
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14. November 2020, 05:00 Uhr
Fossilien sind immer wieder für Überraschungen gut. In Großbritannien entpuppten sich jetzt vermeintliche Flossenstacheln als Flugsaurier-Reste. Sind solche krassen Korrekturen normal und auch in hiesigen Museen, wie zum Beispiel der Geiseltal-Sammlung in Halle möglich?
Bei Untersuchungen an fossilen Hai-Stacheln machte ein junger Paläontologe eine verblüffende Entdeckung: Das, was im Sedgwick Museum of Cambridge und im Booth Museum in Brighton als Hai-Fossil eingelagert war, waren keine Hai-Stacheln, sondern Kieferfragmente von zahnlosen Flugsauriern. Die ähneln auf den ersten Blick zwar Stacheln von Haifischflossen, aber Experten sehen den Unterschied deutlich. Paläontologe Roy Smith, der diesen Fund gemacht hat, beschreibt einen der Unterschiede:
Man sieht es an den winzig kleinen Löchern, in denen Nerven an die Oberfläche kommen und die von den Pterosauriern zur Nahrungsaufnahme genutzt werden. Haifischflossenstacheln haben die nicht.
Und diese Merkmale haben frühere Paläontologen eindeutig übersehen, sagt Roy Smith, der jetzt vor einem neuen Rätsel sitzt. Denn die Arbeiten zeigten nicht nur, dass Fossilien falsch als Haifischstacheln eingeordnet worden waren. Sondern auch, dass es sich um zwei Exemplare eines Pterosauriers handelt, namens Ornithostoma. Professor David Mill von der Universität Portsmouth, der Roy Smiths Forschungsarbeit betreut, wertet den Fund als "aufsehenerregende Entdeckung":
Pterosaurier mit dieser Art von Schnabel sind zu dieser Zeit aus Nordafrika und nicht aus Großbritannien bekannt.
Was sind denn Ornithostoma?
Die lebten vor etwa 110 Millionen Jahren in der frühen Kreidezeit und zählen zur Gattung der Pterodactylus-Flugsaurier. Auf Deutsch bedeutet ihr Name "Vogelmund".
Der dritte Unbekannte
Ein weiteres, bislang falsch zugeordnetes Fossil, das Smith gefunden und untersucht hat, weist sogar auf eine komplett neue, noch nicht bekannte Art hin. An der Stelle hat Smith allerdings Pech, denn die Fossilienfunde sind zu bruchstückhaft. Als Grundlage für die Benennung der neuen Art reichen sie nicht aus. Und ob noch weitere Überreste dieses Pterosauriers entdeckt werden, ist fraglich. Es gibt keine weiteren Freilegungen des Gesteins, aus dem die Fossilien stammen. Die Fossilien waren zur Zeit des großen "Koprolithen-Rausches" zwischen 1850 und 1900 gefunden worden, bei den "Grabungen" in den großen englischen Sümpfen in der Region um Cambridge. Arbeiter, die hier nach Dinosaurier-Dung (Koprolith - fossile Exkremente, Kotsteine) suchten, der wegen seines Phosphatgehalts das "Gold" jener Tage genannt und als Dünger in der Landwirtschaft verwendet wurde, fanden bei ihren Grabungen häufig auch Fossilien. Die verkauften sie und verdienten sich so zusätzliches Geld.
Weitere Suche im Museum durchaus lohnenswert
Die Funde der "Phosphat-Arbeiter" lagern also heute in Museen und Sammlungen wie in Sedgwick im "Museum der Erdgeschichte". Ganz hoffnungslos ist die Sache für den britischen Wissenschaftler Roy Smith nicht, die Sache mit dem rätselhaften Flugsaurier aufzuklären. Vielleicht finden sich im Museum noch mehr Exemplare, die sich bis jetzt noch niemand erneut genauer angeschaut hat.
Und das ist durchaus wahrscheinlich. Dass Fossilien falsch klassifiziert wurden und dass das mitunter auch erst hundert Jahre später auffällt, ist durchaus nicht ungewöhnlich, bestätigt Dr. Oliver Wings im Gespräch mit MDR Wissen:
"Die Paläontologie ist eine sehr lebendige Wissenschaft." Und zwar eine, bei der Überraschungen durchaus nicht selten sind. Dem Hallenser Paläontologen und Kustos der Geiseltal-Sammlung fallen aus dem Stegreif verschiedenste Beispiele ein, zum Beispiel Forschungen, bei denen sich vermeintlich fossile, tierische Eierstöcke als Pflanzenreste entpuppten. Oder wenn Skelett-Einzelteile aus Fundstätten zusammengeführt und dabei Skeletten falsche Schädel zugeordnet wurden. Auch in der Geiseltal-Sammlung sitzt man derzeit an so einem Fall. Ein Fossil, das vorher als ein anderes Reptil klassifiziert war, stellte sich kürzlich als eine neue Gecko-Art heraus. Allerdings wird dazu noch am wissenschaftlichen Paper gearbeitet.
Demzufolge wird man auch in Großbritannien im Fall des falschen Hai-Stachels die Sammlung des Museums weiter durchforsten.
Hier finden Sie die Forschungsarbeit zu dem Thema.
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