Wie gefährlich ist ein Krokodil in der Unstrut? Ein Fluss-Krokodil hätte derzeit gute Überlebenschancen
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08. September 2020, 09:05 Uhr
Stimmt es oder stimmt es nicht? Schwimmt da wirklich ein Krokodil in der Unstrut zwischen Sachsen-Anhalt und Thüringen? Mehrere Augenzeugen wollen es gesehen haben, aber alle Suchaktionen blieben bisher erfolglos. Das wundert Fachleute allerdings gar nicht, denn Krokodile sind echte Überlebenskünstler – auch, weil sie sich besonders gut unsichtbar machen können. Aber könnte das Tier in unseren Breitengraden überhaupt überleben? Und wie gefährlich wäre ein Krokodil in der Unstrut eigentlich?
Eine Pferdebesitzerin aus dem Kyffhäuserkreis will das Unstrut-Krokodil gesichtet haben: Das mindestens zwei Meter lange Krokodil habe mit aufgerissenem Maul am Flussufer gelegen. Ihre Pferde hätten vor dem Tier gescheut und das Krokodil sei daraufhin zurück ins Wasser geglitten.
Für Oliver Wings, Krokodil-Forscher und Paläobiologe am Zentralmagazin Naturwissenschaftlicher Sammlungen an der Universität Halle, klingt das allerdings etwas seltsam:
Wenn das wirklich am Ufer lag, dann muss das ja Spuren hinterlassen haben. Und anhand dieser Spuren müsste man eigentlich relativ schnell herausbekommen, ob das wirklich ein Krokodil war oder ein anderes Tier.
Denn diese Spuren seinen eigentlich sehr typisch, so Wings, sowohl die Liegespuren, als auch die von den Vorder- und Hinterfüßen. Gerade wenn das Tier schnell wieder ins Wasser geht, graben sich die Krallen ein "und hinterlassen halt Spuren".
Offenes Maul ist seltsam
Besonders das offene Maul wundert Wings: Das machten die Tiere nämlich nur, um sich abzukühlen. So heiß sei es ja aber gar nicht gewesen in den letzten Tagen. Denn eigentlich lebten Krokodile in den Subtropen und fühlten sich bei Temperaturen zwischen 25 und 35 Grad am wohlsten. Doch auch niedrigere Temperaturen könnten sie kurze Zeit ab. Denn Krokodile sind wechselwarme Tiere. Das heißt, ihre Körpertemperatur ist nicht konstant. Sie brauchen immer wieder die Sonne, um sich aufzuwärmen, erklärt der Hallenser Forscher Wings:
Also ich denke mal schon Oktober könnte kritisch werden, also wenn dann die ersten Nachtfröste anfangen, dann wird’s wirklich kritisch für das Tier.
Natürlich könne sich ein Krokodil im Wasser noch ein bisschen "rüber retten", so Wings. Aber es würde dann sehr träge, und damit auch leichter zu fangen. "Dann sind die Tiere auch nicht mehr aggressiv, können sich kaum noch bewegen."
Warmes Wetter ist gut für Krokodile
Bei den momentanen Wetter-Aussichten hätte das Tier also gute Überlebenschancen, meint Wings. Es könne außerdem weiter wandern auf der Suche nach besseren Bedingungen. Deshalb wäre es auch plausibel, wenn es tatsächlich von Sachsen-Anhalt flussaufwärts nach Thüringen gewandert sei. Geschlossene Schleusen könne es einfach auf dem Landweg überwinden. Aber warum finden die Suchtrupps das Tier einfach nicht?
Die legen sich auf die Lauer, die verstecken sich. Die können den Auftrieb im Wasser so variieren, dass sie wirklich nur mit den Augen rausschauen, sind dann kaum sichtbar.
In Deckung lauert es auf Beute
Wenn es nicht gefunden werden will, dann findet man das Tier auch nicht, erklärt Wings. Und in dieser Deckung lauert das Krokodil auf Beute. Das macht es so gefährlich für Mensch und Tier: Für ausgewachsene Krokodile sind sogar Gnus ein willkommenes Fressen. Sie können blitzschnell meterhoch aus dem Wasser springen und sogar an Land in eine Art Galopp verfallen, erzählt der Experte. Hierzulande wären für das Unstrut-Krokodil Rehe oder Enten potentielle Futter-Tiere. Aber eben auch ein Dackel, meint Wings. Er würde jedenfalls nicht mehr mit Hund am Wasser spazieren gehen, bis Klarheit herrscht:
Auch Kinder würden von einem Zwei-Meter-Krokodil, wenn das wirklich hungrig ist, mit ins Beutespektrum passen. Ja also da sollte man vorsichtig sein. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass es wirklich so ein Krokodil dort gibt, aber ausgeschlossen ist es eben nicht.
Wenn es ein Krokodil gebe, stamme das vermutlich von einem überforderten Privathalter, der es ausgesetzt habe, mutmaßt der Experte. Übrigens wäre es nicht das erste freilebende Krokodil in der langen Geschichte Mitteldeutschlands. Vor 45 Millionen Jahren, als es hier noch subtropisches Klima gab, hätten gleich mehrere Krokodil-Arten hier gelebt. Die Fossilien sind in der Geiseltalsammlung der Universität Halle-Wittenberg zu sehen. Wenn Ihnen das Unstrut-Krokodil alszu gefährlich ist, Sie aber gern die fossilen Krokodile genauer unter die Lupe nehmen wollen: Die Geiseltalsammlung ist ab November wieder geöffnet – immer Montagnachmittags.
Wie Krokodile jagen und fressen Krokodile sind Lauerjäger, also meist unter der Wasseroberfläche. Kommen dann Tiere zum Trinken, nähern sich z.B. mit ihren Schnauzen dem Wasser, schnappen sie zu. "Das Krokodil braucht dann eigentlich bloß an diese Schnauzenspitze zu greifen und festzuhalten, das tut den Tieren so weh, dass sie sich sowieso kaum bewegen", erklärt Dr. Wings. Dann wird die Beute ertränkt und zerlegt. Dazu rollen die Krokodile solange unter Wasser, bis die Beute zerfetzt wird, denn dazu sind die Krokodilzähne nicht gut geeignet. Anschließend werden große Stücke geschluckt. "Krokodile haben auch da eine ganz besondere Anpassung, wie sie ihre Nahrung verdauen können", erklärt Wings. "Also diese 200 Millionen Jahre Evolution, die da drin stecken, das ist schon faszinierend, was sie so alles können. Die können ihr Blut alkalisch machen und ziehen sozusagen die Säure aus dem Blut in den Magenbereich hinein, also in den Magen. Die Magensäure ist da natürlich besonders aggressiv und kann dann auch die Knochen auflösen."
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