Science vs. Fiction Faszination Horror – Warum Filme wie "SAW" so erfolgreich sind
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23. Mai 2021, 17:00 Uhr
Das Prinzip der "SAW"-Filme ist eigentlich immer gleich: Menschen müssen sich aus unsagbar grausamen Foltermaschinen befreien, um zu überleben. Dafür müssen sie sich teilweise eigene Gliedmaßen abtrennen, sich Kugelschreiber in den Hals rammen oder werden skalpiert. Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser Grausamkeiten gilt "SAW" als erfolgreichste Horror-Filmserie und steht damit sogar im Guinness-Buch der Rekorde. Doch warum? Was fasziniert Menschen an dieser Art Filme?
Eine junge Frau erwacht in einem düsteren Raum. Allein, an einen Stuhl gefesselt und mit einem merkwürdig aussehenden Helm auf dem Kopf. Sie ist verwirrt und hat Angst. Zurecht – das wird spätestens klar, als ein Fernseher im Raum angeht. Auf dem Bildschirm erscheint die Jigsaw-Puppe.
Hallo Amanda, ich will ein Spiel mit Ihnen spielen. Folgendes wird passieren, wenn Sie verlieren. Der Apparat, den sie tragen, ist in Ihren Ober- und Unterkiefer eingehakt, wenn die Zeitschaltuhr in ihrem Nacken abläuft, wird ihr Mund unwiderruflich aufgerissen, stellen Sie es sich wie eine Art umgekehrte Bärenfalle vor.
Es wäre kein Spiel, wenn man nicht auch gewinnen könnte – alles, was Amanda tun muss, um zu überleben, ist an den Schlüssel für die Apparatur zu kommen. Nur steckt der im Magen ihres Mitgefangenen. Wir verfolgen also gebannt bis angewidert, wie sie diesen mit einem Küchenmesser ermordet und dann in seinen Eingeweiden nach dem Schlüssel sucht.
Graumsamkeit mit tieferem Sinn
Es ist diese Perfidität, dieser regelrechte Psychoterror, der die "SAW"-Filmreihe ausmacht. Fallen und Foltermaschinen, die an Grausamkeit kaum zu übertreffen sind. So wie die, in die Special Agent Peter Strahm gerät. Sein Kopf steckt in einem Würfel fest, der sich mit Wasser füllt. Um zu überleben, muss er sich einen Kugelschreiber in den Hals rammen und kommt damit immer noch besser weg als der Arzt Lawrence Gordon, der sich, um zu überleben, den eigenen Fuß absägen muss.
Wer an der Filmreihe dranbleibt, erfährt im vierten Teil, warum Jigsaw (zu Deutsch Puzzle oder Laubsäge, der Name, den der Serienmörder, die zentrale Figur der SAW-Filme, von Polizei und Medien bekommen hat, weil er den Opfern Teile aus der Haut schneidet) eigentlich tut, was er tut. Nach mehreren schlimmen Schicksalsschlägen hat Jigsaw, der eigentlich John Kramer heißt, selbst versucht sich umzubringen, doch er überlebte wie durch ein Wunder und änderte seine Einstellung zum Leben radikal. Er verfällt der Vorstellung, dass bestimmte Menschen den Wert des Lebens nur schätzen lernen, wenn sie an der Schwelle des Todes stehen und ihr Wille zu überleben "getestet" wird.
Mit dieser Grundidee hat die "SAW"-Reihe fast 900 Millionen US-Dollar eingespielt und steht sogar als erfolgreichste Horror-Filmserie im Guinness-Buch der Rekorde. Doch warum? Was fasziniert Menschen an dieser Art Filme?
Rätsel, Schaulust, Ausleben von Fantasien
Mark Benecke ist Deutschlands wohl bekanntester Kriminalbiologe. Er ist der Experte für alles, was auf Leichen so rumkrabbelt und hat sogar den Schädel von Adolf Hitler untersucht. Benecke hat schon vieles gesehen – die "SAW"-Filme gehören aber nicht dazu.
Nur weil er die Leidenschaft für Horrorfilme nicht teilt, ist es aber nicht so, dass er die Motivation dahinter nicht versteht. Menschen seien einfach verrückt nach Rätseln – selbst sein Vater löse leidenschaftlich gern Sudokus. Andere bräuchten eben etwas mehr Action und die würden die "SAW"-Filme liefern. Schnelle Schnitte, Gekreische, Blut – hier bekommen wir Rätsel, bei denen es um alles geht.
Mark Benecke geht außerdem davon aus, dass uns oft eine bestimmte Art von Schaulust an solche Filme bindet. Wir fiebern mit den Opfern mit, leiden mit ihnen, hoffen, dass sie es schaffen und aktivieren so bestimmte Botenstoffe in unserem Körper, die unseren Herzschlag erhöhen und für eine größere Anspannung der Muskeln sorgen. Dadurch fühlen wir uns lebendiger.
Dann kann’s natürlich auch sein, dass Menschen selber solche Fantasien haben: Suizidale Fantasien, Tötungsfantasien, Gewaltfantasien oder sonst irgendwas, sich das selber aber gar nicht so eingestehen oder gar nicht so wissen und dann können die das da mal rauslassen.
Deshalb ist die "SAW"-Reihe auch nicht unumstritten. Der Kommunikationswissenschaftler Christopher Sharrett ordnet sie in das Genre des Folterpornos ein: Die Handlung und auch die letztlich hohle Moral böten lediglich einen Vorwand dazu, einem männlichen Publikum im Adoleszenzalter quälend ausführliche Darstellungen verschiedenster Folterungen vorzuführen. Die "SAW"-Fans wird diese Einschätzung nicht erschüttern – für sie ist der neue Film, der im September erscheinen soll, verein Muss.
Info: Wenn Sie wissen möchten, wie realistisch die Fallen bei "SAW" sind oder sich schon immer gefragt haben, welche Diagnose eigentlich der Joker bekommen hätte – schauen Sie doch mal auf unserem YouTube-Kanal "Science vs. Fiction" vorbei. Dort finden Sie auch die aktuelle Folge "Wie realistisch sind die Fallen von SAW?" mit dem Kriminalbiologen Mark Benecke.
(ks)
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