Psychologie Darum wollen wir keine Insekten essen
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16. Januar 2021, 07:00 Uhr
Eigentlich wäre es wichtig für das Weltklima, wenn wir alle mehr Insekten zu uns nehmen würden. Doch die Nachfrage nach essbaren Insekten bleibt in Deutschland auf einem geringen Niveau. Warum ist das so? Eine Spurensuche.
Der Jahresbeginn ist für viele Menschen auch die Zeit der guten Vorsätze. Oftmals geht es dabei um die Ernährung, die wahlweise ökologischer, gesünder oder auch einfach schmackhafter sein soll. Eine Möglichkeit wären dafür essbare Insekten, die alle diese Anforderungen erfüllen – theoretisch!
Denn trotz medialer Unterstützung kommt die Entomophagie, wie das Essen von Insekten wissenschaftlich genannt wird, hierzulande nicht in Schwung. Zahlen zum Absatz essbarer Kerbtiere gibt es für Deutschland zwar nicht, aber in einer Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung aus dem Jahr 2016 gaben nur zehn Prozent der Befragten an, es sich vorstellen zu können, Insekten-Esser zu werden. 60 Prozent lehnten es dagegen kategorisch ab. In einer Studie für das Statistikportal "statista" antworteten auf die Frage "Glaubst du, dass Insekten-Food das Essen der Zukunft sein wird?" lediglich fünf Prozent mit "Ja, definitiv" und 23 Prozent mit "eher ja".
Insektensuche wird zur Odyssee
Das deckt sich mit den Erfahrungen des Autors dieser Zeilen. Denn als ich vor Weihnachten in Leipzig auf die Suche nach essbaren Insekten ging, entwickelte sich dies zu einer wahren Odyssee. Zuerst wandte ich mich an den "Kaufland" in Leipzig-Reudnitz, da ich gehört hatte, dass nun auch diese große Supermarkt-Kette die Tierchen verkaufen solle. Doch die Mitarbeiter im Markt hatten davon noch nicht einmal gehört und an der Information hieß es, dass die essbaren Insekten wieder aus dem Sortiment genommen wurden, wegen zu geringer Nachfrage.
Also fuhr ich weiter zum "Konsum" im Zentrum. Eine sichere Sache, dachte ich, da ich dort schon mehrmals essbare Insekten in den markanten Reagenzgläsern erworben hatte. Zudem verkaufte die regionale Kette schon länger Insekten und hatte damit auch mal geworben. Aber auch in dieser Filiale wurden die Proteinspeicher 2020 aus dem Sortiment genommen, ich wurde jedoch nochmal weitergeschickt zu einer Filiale auf der Karl-Liebknecht-Straße, wo ich mein Glück versuchen sollte. Dort erklärte mit der Leiter, dass ich weder bei ihm noch in einer Filiale Insekten bekommen würde, da sie sich einfach zu schlecht verkauft hätten. Was ist da los?
Bei den Insekten läuft's wie beim Rotwein
Einer, der sich mit dem Thema auskennt, ist Professor Fabian Christandl von der Fresenius Hochschule in Köln. Seit Jahren beschäftigt sich der Psychologe mit der Entomophagie. Im Gespräch mit MDR Wissen erklärt der Experte, dass es nach wie vor Widerstände bei den Konsumenten in Deutschland gebe, weil Insekten Ekelreaktionen hervorrufen. Ein anderer Grund könnte Prof. Christandl zufolge sein, dass sich vegetarische Ersatzprodukte für Fleisch in den vergangenen Jahren immer besser verkauft haben: "Es ist einfacher, eine vegetarische Wurst zu essen, als Produkte, die aus Insekten hergestellt sind."
Der relativ hohe Preis der vielbeinigen Lebensmittel sei dagegen kein so großes Problem, da er eher vertrauenssteigernd wirke – wie beim teuren Rotwein, der einem schon allein wegen des Preises besser schmeckt. Ein Verkauf im großen Stil sei so hierzulande aber dennoch schwierig, weil die Deutschen insgesamt eher nicht bereit sind, viel Geld für Lebensmittel auszugeben.
Kommt die Maikäfersuppe wieder?
Eine weitere Frage lautet, warum im westlichen Kulturkreis eigentlich das Insekten-Essen so verpönt ist, während es in der restlichen Welt weitgehend gang und gäbe ist. Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass sich rund zwei Milliarden Menschen zumindest teilweise von Insekten ernähren. Für Fabian Christandl könnten die Unterschiede mit evolutionären Entwicklungen zusammenhängen, die sich dann verfestigt haben – wobei dies letztlich Spekulation sei. Zudem habe es in unserem Kulturkreis auch schon seit langem viele Nahrungsalternativen gegeben, von Schweinefleisch bis Sauerkraut.
Doch eine Ausnahme existiert. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurden auch in Deutschland Maikäfer in Suppenform konsumiert – ihr Aroma soll dabei an Krebsfleisch erinnert haben. Wäre dies auch eine Idee für die Gegenwart? "Man sagt ja, dass das Auge mit isst, von daher könnte das eine schmackhafte Mahlzeit sein", erklärt Prof. Christandl. "Andererseits werden Maikäfer ja auch als etwas Süßes bewertet, ähnlich den Haustieren, weswegen es da auch Vorbehalte geben könnte."
Falls Sie jetzt dennoch auf die Idee kommen, es mal auszuprobieren, dann finden Sie hier zwei Rezepte, die wir in der Redaktion selbst getestet haben.
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