Forschungsgesellschaften zu Covid-19 Bedingungen für Corona-Lockerungen: Medikamente, App, Impfstoffe
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29. April 2020, 17:45 Uhr
Die vier großen deutschen Forschungsgesellschaften raten in einem gemeinsamen Papier, die Kontaktbeschränkungen aufrecht zu erhalten, bis Medikamente, Impfstoffe oder eine App andere Strategien möglich machen.
Es kommt selten vor, dass die vier großen außeruniversitären Forschungsverbände in Deutschland gemeinsame Stellungnahmen verfassen. Jetzt haben sich die Max-Planck-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Leibniz-Gemeinschaft und die Fraunhofer Gesellschaft zur Lockerung der Schutzmaßnahmen gegen Corona geäußert.
Tenor: Die Kontaktbeschränkungen sollten aufrecht erhalten werden, solange die Zahl der Neuinfektionen zu hoch für eine effiziente Kontaktverfolgung seien, keine App, kein Medikament und kein Impfstoff verfügbar sind. Erst wenn sich bei einem der Faktoren eine Änderung ergebe, könne angepasst werden.
Reproduktionsrate und Neuinfektionen sollten niedrig gehalten werden
Grundlage des Papiers sind mehrere mathematische Modelle, die voneinander unabhängige Forschergruppen durchgerechnet haben. Die Ergebnisse der Papiere deckten sich miteinander, heißt es in der Erklärung der Organisation. Demnach sei es ein Erfolg aller Schutzmaßnahmen, dass die sogenannte Reproduktionsrate R des Virus seit Ende März weniger als 1 betrage. R gibt an, wie viele weitere Menschen ein Infizierter ansteckt. Solange R niedriger als 1 ist, sinkt die Zahl der Neuinfektionen N.
Grundsätzlich sei es notwendig, Reproduktionsrate und Neuinfektionen bis zur Einführung eines Impfstoffs niedrig zu halten, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Das mache auch die Kontaktverbote weiterhin notwendig, solange keine wirkungsvolle Kontaktverfolgung möglich sei. Dabei könne eine gut funktionierende App helfen, die bislang aber noch nicht verfügbar sei.
Erst ein Impfstoff bringt das Ende der Krise
Die Wissenschaftler räumen ein, dass bei einer politischen Entscheidung über Schutzmaßnahmen auch psychologische Belastungen für die Bevölkerung und wirtschaftliche Fragen eine Rolle spielen. Zugleich raten sie aber, bei Entscheidungen immer die Ausbreitungsdynamik des Virus zu berücksichtigen.
Um von den Kontaktbeschränkungen auf andere Steuerungsinstrumente auszuweichen, seien Fortschritte bei den Mitteln gegen die Pandemie notwendig. Das könnten wirksame Medikamente sein und eine funktionierende Kontaktverfolgung mit App. Auch flächendeckende Test-Kapazitäten oder ein Antikörpertest, der verlässlich Immunität gegen Sars-CoV-2 anzeigt, seien notwendig. Oberstes Ziel aber bleibe ein Impfstoff.
Offenbar zahlreiche Osterbesuche trotz Kontaktverbot
Wie wirksam welche Kontakteinschränkungen seien, könne bislang nicht bewertet werden, heißt es in dem Papier. Alle Maßnahmen seien kurz nacheinander eingeführt worden, deshalb sei eine Unterscheidung hier nicht möglich. Jetzt könnten nur die einzelnen Lockerungen beobachtet werden, um anhand der Zahlen vorsichtig abzuschätzen, wie sie sich auf die Ausbreitung auswirken.
Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass die Reproduktionszahl immer zwei bis drei Wochen Verzögerung aufweise. Grund dafür sind die Inkubationszeit und die Abläufe bis zur statistischen Erfassung der Testergebnisse. Der kürzlich auf 1 gestiegene Faktor R deutet demnach auf das Geschehen am Osterwochenende hin, als sich offenbar doch zahlreiche Menschen trotz der Kontaktverbote besucht haben.
Alternative Szenarien Durchseuchung und Ausrottung unrealistisch
Alternativen zum Impfstoff beurteilen die Wissenschaftler skeptisch. Eine komplette Ausrottung des Virus sei zwar wünschenswert, aber nur bei einer konsequenten und effizienten weltweiten Koordination der Regierungen möglich. Das erscheine unrealistisch. Eine zügige Durchseuchung der Bevölkerung durch ein ungezügeltes Ansteckungsgeschehen wiederum würde das Gesundheitssystem überlasten. Dadurch würden einerseits zahlreiche Covid-19-Patienten aber viele andere Erkrankte sterben.
Eine kontrollierte Durchseuchung wiederum, bei der das Ansteckungsgeschehen so gebremst werde, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet werde, dauerte laut den mathematischen Modellen mehrere Jahre. Solange müssten auch die Kontaktbeschränkungen bleiben und das sei unrealistisch. Hinzu komme das Risiko auch von Spätfolgen der Erkrankung, das bislang noch ungewiss sei.
"Wir wissen, dass jede Kontakteinschränkung eine große Belastung im Leben eines jeden Einzelnen ist", heißt es in dem Papier. Zum jetzigen Zeitpunkt seien sie allerdings weiter notwendig.
(ens)
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