Covid-19 Zweite Corona-Welle: Reichen die Krankenhauskapazitäten?
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19. Oktober 2020, 15:40 Uhr
Seit Wochen steigt die Zahl der neuen Corona-Infektionen deutlich an und erreicht die Werte des Frühjahrs. Wie sind die Krankenhäuser auf eine anhaltende zweite Welle vorbereitet, bleibt die Lage entspannt?
Vor allem im europäischen Ausland war die Lage in den Krankenhäusern im Frühjahr dramatisch. In Frankreich wurden zwischenzeitlich 70 Prozent aller Coronapatienten stationär behandelt, in Spanien waren es 50 Prozent und in den Niederlanden immerhin noch 40 Prozent. „Das Motto war damals: ‚Flattening the Curve‘, also möglichst viele Ansteckungen zu verhindern, damit die medizinische Versorgung nicht zusammenbricht“, sagt Reinhard Busse, Professor für das Management des Gesundheitswesens an der Technischen Universität Berlin. Diese Situation sei jetzt, ein halbes Jahr später, deutlich entspannter, da es mehr Erfahrungen gebe. Die Mediziner wissen, dass viele Patienten nicht auf Kliniken angewiesen sind.
Deutschland liegt bei den Infektionen vier Wochen hinter seinen Nachbarländern
Deutschland sei seinen Nachbarn voraus gewesen, sagt Busse. Hier habe man bereits im Frühjahr viele Patienten ambulant getestet und nur diejenigen mit schweren Symptomen stationär aufgenommen. So lag die sogenannte Hospitalisierungsquote hier bei nur 20 Prozent. Jetzt, im Herbst 2020 liege sie trotz erneut hoher Infektionszahlen auch in unseren Nachbarländern niedriger. Laut den von Busse recherchierten Zahlen wurden in Frankreich in der Woche ab dem 13. Oktober vier Prozent aller Covid-19-Patienten stationär behandelt. In Spanien waren es sechs Prozent. In Deutschland müssen aktuell 5 Prozent der Neuinfizierten im Krankenhaus behandelt werden.
Busse vergleicht die deutschen Zahlen mit denen aus den Nachbarländern Belgien und den Niederlanden. In Bezug auf die Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner liege die Bundesrepublik etwa fünf Wochen hinter der in den beiden Beneluxländern. In der BRD gab es etwa 32 neue Coronafälle zwischen dem 7. und dem 13. Oktober, Belgien hatte diesen Wert bereits Anfang September erreicht. „In den Niederlanden hat sich seitdem die Anzahl der stationären Fälle um den Faktor acht erhöht, in Belgien um das sechsfache“, sagt der Wissenschaftler. Man müsse also auch in Deutschland mit einem Anstieg der Patientenzahlen in den kommenden Wochen rechnen.
Nicht sinnvoll: Coronapatienten am anderen Ende der Republik behandeln
Einen Grund für große Sorgen sieht Uwe Janssens darin noch nicht. Aktuell sei das durchschnittliche Alter der Covid-19-Patienten noch deutlich geringer, als im Frühjahr, sagt der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Allerdings drohe wieder ein Überspringen der Erkrankungen auf die älteren Patientengruppen, das sei seit Anfang September absehbar. Damit kämen voraussichtlich auch wieder mehr Patienten in die Krankenhäuser. Dort gebe es zwar genügend freie Betten, aber dafür ein anderes Problem. „Es fehlt an Pflegepersonal auf den Intensivstationen“, sagt der Mediziner, der selbst Chefarzt am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler ist. Sehr hilfreich sei dagegen das Intensivregister, mit dem es gelungen sei, einen Überblick über die Kapazitäten in den Kliniken zu behalten.
Seien die Klinikkapazitäten regional erschöpft, drohe die Schwierigkeit, dass die Kooperation über die Grenzen der Bundesländer hinweg noch nicht gut funktioniere. Außerdem müsse überlegt werden, wie weit Patienten verlegt werden könnten. Coronapatienten aus Nordrhein-Westfalen in Görlitz zu behandeln, sei nicht wirklich sinnvoll, sagt Reinhard Busse von der TU Berlin.
Verfügbarkeit von Medikamenten hat Lage verbessert
„Wir sollten wachsam sein aber nicht panisch“, glaubt auch Clemens Wendtner, Chefarzt an der München Klinik Schwabing, wo die ersten Coronapatienten in Deutschland behandelt wurden. Er sieht vor allem die Schwierigkeit, dass auch die medizinische Versorgung für alle anderen Nicht-Corona-Patienten sichergestellt bleiben müsse. „Da muss eine Ressourcenfairness stattfinden“. Dass jetzt aber jede Klinik einen Pandemieplan aufgestellt habe, bringe mehr Ruhe in die Systeme. Eine andere wichtige Säule sei das regelmäßige Screening von Pflegern und Ärzten, um zu verhindern, dass es lokale Ausbrüche in Kliniken geben könne.
Auch die Verfügbarkeit einiger Medikamente wie Remdesivir und Dexamethason habe die Behandelbarkeit der Patienten etwas verbessert. Allerdings sind die Studienergebnisse besonders bei Remdesivir noch nicht eindeutig und würden weiter überprüft, sagt Clemens Wendtner. Sollten die Krankenhauskapazitäten wieder eng werden, müsste zudem wieder flexibel umgeplant und etwa eingeplante Operationen wieder verschoben werden. Hier seien die meisten Kliniken aber sehr flexibel, glaubt Uwe Janssens. „Alle großen Maximalversorger haben die Pläne in der Tasche. Innerhalb von 48 bis 72 Stunden können alle Programme umgeschichtet werden.“
Problem: Coronaptienten brauchen lange Nachsorge
Bei allen Diskussionen über die Kapazitäten müssen aber auch die Langzeitfolgen einer Covid-19 beachtet werden, sind sich die Ärzte einig. Gerade Erschöpfungszustände und Atemprobleme träten nach der akuten Infektion häufig auf, mindestens bei 30 Prozent aller Erkrankten und sogar bei 80 Prozent derjenigen, die auf einer Intensivstation behandelt wurden. Hinzu kämen Depressionen, die von der sogenannten Long-Covid ausgelöst werden könnten. „Vor allem die Covid-Intensivpatienten brauchen lange eine Nachsorge, weil sie oft sehr lange an den Beatmungsgeräten waren und dann alle Symptome der langen Intensivbehandlung haben: Von Muskelschwäche über neurologische Probleme“, sagt Uwe Jannsens.
Aktuell erscheint den Medizinern die Corona-Situation im Winter beherrschbar. Aber die Lage verändere sich dynamisch.
(ens/smc)
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