Studie Sprachbildung: Corona verstärkt Nachteile schon in der Kita
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15. März 2021, 08:58 Uhr
Kitaschließungen, Quarantäne und Notbetreuung wirken sich schon auf die Kleinsten in Krippen und Kitas aus. Wie Forscherinnen und Forscher der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Göttingen (HAWK) herausfanden, wurde durch die Ausfallzeiten besonders die Sprachentwicklung von mehrsprachigen und benachteiligten Kindern beeinträchtigt.
Kita-Kinder erleiden durch die coronabedingte Schließung ihrer Betreuungseinrichtungen Rückschritte in ihrer Sprachentwicklung. Besonders betroffen sind mehrsprachige und benachteiligte Kinder. Das ist das Ergebnis einer Studie der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen (HAWK) zur Sprachbildung in der Corona-Pandemie. Es werde viel über Nachteile für Schülerinnen und Schüler durch die aktuellen Schulschließungen gesprochen, erklärte die Autorin Karin Schäfer. "Doch auch bei den Kleinsten in den Krippen und Kindertagestätten ist der Einfluss von Kitaschließungen, Quarantäne und Notbetreuung teils dramatisch."
Nur noch Einwortsätze in Comicsprache
Schäfer zufolge wurde im Rahmen der Studie "besonders bei mehrsprachigen Kindern ein deutlicher Rückschritt in deutscher Sprache sowie bei Wortschatz, Grammatik und Sprachverständnis“ berichtet. "Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, konnten oft ihre Deutschkenntnisse kaum noch abrufen“, erklärte Schäfer. In einigen Einrichtungen hätten manche Kinder nach der Schließung keine ganzen Sätze mehr gebildet und sich nur noch in Einwortsätzen oder "Comic-Sprache" verständigt, "was auf erhöhten Fernsehkonsum in der Schließungszeit zurückgeführt wurde". Etwa ein Viertel der Kinder in niedersächsischen Kitas haben laut Statistischen Bundesamt einen Migrationshintergrund; die Mehrheit dieser Kinder spricht zu Hause eine andere Sprache als Deutsch.
Bislang keine Forschung über Krippen- und Kitakinder
Karin Schäfer ist Studierende der Kindheitspädagogik und hat die Studie im Rahmen einer Projektarbeit mit ihrem Studiengangsprofessor Tim Rohrmann und dem Dialogwerk Braunschweig erstellt. "Es wird immer wieder betont, wie wichtig Kitas für die Entwicklung von Kindern sind, insbesondere für die Sprachförderung", erklärte Erziehungswissenschaftler Rohrmann. "Aber darüber, wie sich die Schließungen auf die Sprachentwicklung auswirken, wissen wir bislang kaum etwas." Darum habe er sich entschlossen, Schäfers Projekt zu unterstützen und gemeinsam mit ihr die Befragung zu konzipieren und durchzuführen. "Für mich war das sehr spannend, weil die sprachliche Entwicklung in der Pandemie bisher in der Forschung noch nicht direkt in den Blick genommen wurde", erklärte Schäfer.
Knapp 18 Prozent sehen hauptsächlich negativen Einfluss
Für die Studie wurden im November und Dezember 2020 pädagogische Fachkräfte aus 78 Kindertageseinrichtungen in Niedersachsen per Online-Umfrage zu der Corona-Zeit befragt. Demnach nahmen mehr als die Hälfte der Befragten (55,1 Prozent) sowohl positive als auch negative Veränderungen wahr, "wobei in den offenen Textfeldern hauptsächlich negative Veränderungen beschrieben wurden". Insgesamt 17,9 Prozent der Befragten gaben an, nur negative Veränderungen beobachtet zu haben. Immerhin 8,9 der Befragten sahen nur positive Veränderungen. Etwa ein Fünftel der Befragten stellte der Studie zufolge keine auffälligen Veränderungen bei der Sprachentwicklung fest. "Aufgrund der Anlage der Studie ist diese Stichprobe nicht repräsentativ und kann nur erste Hinweise auf die Forschungsfragen geben", erklärte die Autorin.
Viele Fachkräfte sehen sich auf mehrsprachige Kinder nicht vorbereitet
"In den Ergebnissen wird deutlich, dass besonders mehrsprachige Kinder unter den Bedingungen der Corona-Pandemie leiden", erklärte Schäfer. Besonders auffällig sei in diesem Zusammenhang auch, dass viele Fachkräfte für die Förderung mehrsprachiger Kinder nicht ausreichend vorbereitet seien. Nur ein Drittel der Befragten fühlte sich für diese Herausforderungen angemessen qualifiziert. Das sei vor allem deshalb bemerkenswert, da sich besonders Betreuungseinrichtungen an der Befragung beteiligt hätten, die sich bei der Sprachförderung ohnehin schon sehr engagierten, erklärte Schäfer.
Nachteile schwacher Kinder verstärken sich
Erziehungswissenschaftler Rohrmann sind in dem Ergebnis bisherige Kenntnisse bestätigt.
Das ist eine Beobachtung, die wir auch in anderen Bereichen machen. Ohnehin vorhandene Differenzen in der Entwicklung der Kinder werden in dieser schwierigen Situation verstärkt.
Kurzum: Kinder mit engagierten Eltern profitieren von der zusätzlichen Zeit zu Hause. Dagegen haben Kinder, die zu Hause kein Deutsch sprechen oder kaum gefördert werden, in der Pandemie das Nachsehen. Rohrmann forderte mehr Ressourcen und Qualität für die Kitas. "Wir brauchen unbedingt qualifiziertes Fachpersonal und gute Unterstützungsstrukturen für Weiterbildung und Coaching.“ Der Entwurf des neuen Kindertagesstättengesetzes (KitaG) biete in diesem Bereich wenig Grund zur Hoffnung. "Es muss viel mehr in Qualität investiert werden, nicht nur in Betreuungsstunden. Die jetzigen Maßnahmen reichen nicht aus und die Folgen werden wir langfristig zu spüren bekommen."
Positive Effekte in der Notbetreuung
Neben den negativen Auswirkungen zeigte die Studie auch vereinzelt positive Effekte. So berichteten die pädagogischen Fachkräfte in der Umfrage, dass sie in den Notbetreuungsgruppen besonders gute neue Sprachförderangebote konzipieren und umsetzen konnten. "In normalen Zeiten ist die Umsetzung guter Sprachförderung aufgrund der Gruppengröße oft schwierig. Während der Notbetreuung war der Fachkraft-Kind-Schlüssel dagegen besser“, erklärt Schäfer. Zudem habe es vereinzelt Berichte über positive Entwicklungen gegeben. So vermuteten einige Fachkräfte, dass sich die zusätzliche Zeit mit den Eltern und das vermehrte Erzählen und Lesen gut auf die Sprachentwicklung einiger Kinder ausgewirkt haben.
Quelle: MDR/kt
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