Ausbreitung von Corona Covid-19 Begrenzung: „Wir haben eine Chance verpasst“
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07. Mai 2020, 18:30 Uhr
Schritt für Schritt lockert Deutschland die Beschränkungen gegen das Corona-Virus. Wie reagieren die wissenschaftlichen Modelle zur Ausbreitung der Covid-19-Krankheit darauf und was sagen die Modellierer?
Während in Deutschland die Beschränkungen des öffentlichen Lebens zur Eindämmung des neuen Coronavirus wieder Schritt für Schritt zurückgenommen werden, steigt erneut die Zahl der täglichen Neuerkrankungen mit Covid-19. War die Öffnung also verfrüht? Dieser Meinung sind jedenfalls Professor Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen.
Beide leiten Arbeitsgruppen, in denen mathematische Modelle entwickelt wurden, mit denen die Ausbreitung des Corona-Virus abgeschätzt wird. Bei einem Pressebriefing des Science Media Centers am Donnerstag haben sie ihre Bedenken erklärt.
Stärkere Begrenzung hätte Kontaktverfolgung leichter gemacht
Am 6. Mai, einem Mittwoch, kletterte die Zahl der täglichen Neuinfektionen mit Sars-CoV-2 laut Zahlen des Robert Koch-Intituts in Deutschland auf 1150. Zu Beginn der Woche lag sie noch bei 486. „Wir sehen da möglicherweise eine Trendwende“, sagt Meyer-Hermann. Es könnt sich zwar um die übliche wöchentliche Fluktuation der Zahlen handeln. Es sei aber auch möglich, dass hier die erneute Öffnung vieler Läden abgebildet werde.
„Meiner Meinung nach hat die Politik eine Woche zu früh entschieden“, sagt der Wissenschaftler. Wären die Maßnahmen noch ein paar Wochen strikt geblieben, hätte man viel entspannter in die Öffnung gehen können.
Seine Kollegin Priesemann ergänzt: „Wäre der Rückgang der Neuerkrankungen so weitergegangen wie während des Lockdowns, dann wären wir Mitte Mai soweit gewesen, dass die Epidemie locker kontrollierbar gewesen wäre, das also die Gesundheitsämter die Neuerkrankungen hätten nachverfolgen können.“ Dafür sei eine Stabilisierung bei nicht mehr als 400 Fällen pro Tag nötig gewesen.
Erst Freiheit von Covid-19 wird völlige Öffnung bringen
Es gibt aber auch Zeichen der Hoffnung aus Sicht der Modellierer. „Wir fangen an, die Wirkungen der Öffnungen vom 19. und 20. April zu sehen und ich bin sehr überrascht, dass die Zahlen da nicht noch mehr hochgegangen sind. Deshalb bin ich optimistisch. Wir müssen abwarten, ob es funktioniert“, sagt Priesemann.
Sinnvoller wäre aber gewesen, den Wert den Neuinfektionen so gut es geht gen null zu senken. Die jetzt definierte Obergrenze von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner sei zwar eine sinnvolle Orientierungsmarke. Aber: „Nur wenn wir Covid-frei sind, können wir wieder ohne Sorgen und Probleme wieder rausgehen und das gesellschaftliche Leben herauffahren.“
Wenig Daten zum tatsächlichen Übertragunsggeschen
Die mathematischen Modelle müssen jetzt an die regionalen Bedingungen einzelner Landkreise angepasst werden. Dafür seien mehrere Wochen Arbeit pro Landkreis nötig, sagt Michael Meyer-Hermann. Wenn ein Modell aber fertig vorbereitet sei, sei es relativ schnell möglich, es durchzurechnen. Alle diese mathematischen Berechnungen seien aber von den Parametern abhängig, die gesetzt würden.
„Ein Parameter, der in der öffentlichen Diskussion eine große Rolle spielt, ist der Delay, also der Abstand zwischen der tatsächlichen Infektion und ihrer Zählung in der offiziellen Statistik. Dadurch ergibt sich immer die Frage, wann beispielsweise die Reproduktionsrate des Virus wirklich gefallen ist“, sagt Priesemann.
Nicht für alle Parameter gibt es verlässliche Daten. Während Infektionszahlen und -verläufe direkt im Gesundheitssystem erfasst werden, gibt es beispielsweise über die Frage, wer sich bei wem wann und wo angesteckt hat, meistens nur Schätzungen.
(ens)
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