Zoonosen Können unsere Fledermäuse das neue Corona-Virus übertragen?
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05. Mai 2020, 10:16 Uhr
Dass Fledermäuse ein breites Spektrum an Viren in sich tragen, ist unstrittig. Ob sie auch zur aktuellen Corona-Pandemie beigetragen haben, ist nicht eindeutig bewiesen - aber auch nicht widerlegt. Wenn sie doch Ursprung des Covid-19 auslösenden Erregers SARS-CoV-2 sind, wie gefährlich sind dann ihre bei uns heimischen Verwandten für Menschen?
Bereits 2008 hatte eine Forscherteam unter Leitung von Christian Drosten erstmals Coronaviren bei Abendseglern in Deutschland nachgewiesen. Im Kot fast jeder zehnten Fledermaus aus dem Testgebiet bei Bad Segeberg fanden die Virologen Spuren von Gruppe-I-Coronaviren. Vor allem Jungtiere und ihre Mütter erwiesen sich als häufige Virusträger. In den sogenannten Wochenstuben-Kolonien, die erwachsene männliche Fledermäuse meiden, stecken sie sich wahrscheinlich gegenseitig an.
Die damals in der Studie nachgewiesenen Erreger galten als nicht gefährlich für den Menschen. Anlass für die Untersuchung war damals die 2003 ausgebrochene Lungenkrankheit SARS. Sie wurde von anderen, von Gruppe-II-Coronaviren, verursacht. Rund 8.000 Menschen erkrankten damals, 900 starben.
Jetzt, 12 Jahre später, greift ein Verwandter dieses Virus um sich und löst die Covid-19 Pandemie aus: SARS-CoV- 2. An den 24 bis 30 Fledermausarten, die in Mitteleuropa vorkommen, ging diese Infektion bislang offenbar spurlos vorüber.
Nach allem was wir wissen, geht von den heimischen Fledermäusen keine Gefahr für diese Erkrankung Covid-19 aus.
Fledermäuse gehören zu den virologisch am gründlichsten untersuchten Wildtieren. 2017 wurde eine weitere Studie veröffentlicht. Anlass war die Atemwegserkrankung MERS, die vor allem in den arabischen Ländern wütete. Drei Jahre lang untersuchten Wissenschaftler in Norditalien Urin, Kot, Speichel und Blut der Tiere. Für Thomas Vahlenkamp, Professor für Virologie an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Uni Leipzig, sind auch diese Ergebnisse nicht besorgniserregend.
Bei zehn Prozent der Fledermäuse wurden Coroanvirus-Sequenzen nachgewiesen. Davon waren 75 Prozent Alphacoronaviren und 25 Prozent Betacoronaviren. SARS-CoV 2, das Covid-19 auslöst, war nicht dabei.
Entwarnung also auch durch die zweite Studie. Ohnehin, so betonen die Wissenschaftler, gab es nie eine direkte Übertragung auf den Menschen. Es brauchte immer Zwischenwirte: Bei SARS waren es die Meerkatzen, bei MERS Dromedare und bei COVID-19 wurden erst Pangoline vermutet, dann streunende Hunde und jetzt auch Marderhunde. Die Deutsche Fledermauswarte hat in Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Institutionen und Verbänden alle Informationen zu einer möglichen Ansteckung mit COVID-19 durch heimische Fledermausarten noch einmal zusammengefasst.
Fledermäuse haben leistungsstarkes Immunsystem
Während selbst die harmloseren der Coronaviren bei Mensch und Haustier zum Beispiel Schnupfen, Husten oder Durchfall auslösen, schienen die lautlosen Segler zum Erstaunen der Forscher gesund. Grund dafür ist offenbar ihr evolutionärer Vorsprung, den sie uns gegebenüber haben, so Wigbert Schorcht:
Seit 50 Millionen Jahren gibt es Fledermäuse in der Form, wie wir sie kennen. In dieser Zeit konnten sie sich sehr weit entwickeln und anpassen. Und so hat ihr Immunsystem eben sehr viele Antworten auf viele Herausforderungen.
Nur so ist es zu erklären, dass die Tiere mit einer Vielzahl von Viren sehr gut leben können. Ihr Immunsystem hält sie alle in Schach. Ob es jedoch auch mit SARS-CoV-2 fertig werden würde, ist unklar.
Abendsegler ungefährlich für den Menschen - gilt das auch umgekehrt?
Kleine und Große Hufeisennase, Mopsfledermaus, Braunes oder Graues Langohr sind im Hinblick auch Covid-19 offenbar keine Ansteckungsgefahr für uns Menschen. Umgekehrt gilt dies nicht. Die Internationale Naturschutzbehörde empfiehlt den Fledermausschützern ihre derzeit Arbeit einzustellen, um die Tiere nicht zu gefährden.
An Covid-19 erkrankte Fledermausforscher könnten das auf Fledermauspopulationen übertragen, die dieses Virus nicht kennen, und sie zum Aussterben bringen.
Ohne Fledermäuse keine Bananen - mit Fledermäusen weniger Mücken
Fledermäuse sind nicht nur ungefährlich für uns Menschen, sie erbringen auch wichtige Ökosystemdienstleistungen. Viele Pflanzenarten, wie zum Beispiel Bananen, sind auf Bestäubung durch Fledermäuse angewiesen. Darüber hinaus halten vor allem unsere einheimischen Arten unliebsame Insektenarten in Schach. Eine Zwergfledermaus etwa kann pro Nacht 1.000 bis 2.000 Mücken vertilgen, das entspricht einem Drittel ihres Körpergewichts. Dazu beschreibt sie vor allem über Freiflächen wie Wiesen im Flug immer wieder eine Acht und fängt so ihre Beute direkt aus der Luft. Wer also die nachtaktiven Tiere beherbergt, kann in lauen Sommernächten nahezu unbehelligt länger draußen sitzen.
Fledermauskot ist unbedenklich
Wer einen Fledermauskasten am Haus hat oder in wessen Scheune sich die lautlosen Segler eingenistet haben, muss sich nicht fürchten. Von Fledermauskot geht keine Gefahr aus. Er kann zusammengefegt und als Blumendünger verwendet werden. In Südamerika wird er in Fledermaushölen sogar professionell abgebaut und teuer verkauft. Es spricht also vieles dafür, den bedrohten Kleinsäugern zu helfen, statt sie zu fürchten. Fledermäuse sind bedroht und brauchen Unterstützung.