Corona-Impfstoff Astrazeneca: EMA hält ihn für sicher, Deutschland impft wieder
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19. März 2021, 11:20 Uhr
Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hält den Corona-Impfstoff Astrazeneca für sicher. Das sagte die Behörde nach Untersuchungen möglicher Nebenwirkungen. Deutschland wird den Wirkstoff ab sofort wieder verimpfen. Greifswalder Forscher haben offenbar die Ursache für die Thrombosen entdeckt.
Update 19.03.2021: Greifswalder Forscher finden Behandlungsmöglichkeit
Ein Forscherteam der Uniklinik Greifswald hat möglicherweise die Ursache für Hirnthrombosen nach einer Impfung mit Astrazeneca gefunden. Wie der NDR meldet, haben die Mediziner in Zusammenarbeit mit dem Paul-Ehrlich-Institut mehrere Blutproben untersucht. Sie hätten dabei herausgefunden, dass das Mittel in dem Körper der Betroffenen einen Abwehrmechanismus ausgelöst und die Blutplättchen aktiviert habe. Das passiere normalerweise bei der Wundheilung, führte hier aber zu Blutgerinnseln im Gehirn. Den Forschern sei es außerdem gelungen, eine erfolgreiche Behandlungsmöglichkeit aufzuzeigen. Die Informationen über den Wirkstoff, der in solchen Fällen genutzt werden kann, seien bereits Kliniken in ganz Europa übermittelt worden.
Laut Unimedizin Greifswald war der Erfolg nur möglich durch die Zusammenarbeit mit dem Paul-Ehrlich-Institut und Ärzten aus Österreich – dort war eine Krankenschwester nach einer Astrazeneca-Impfung an einer Thrombose im Gehirn verstorben. Die Studienergebnisse würden noch im Wissenschaftsmagazin "The Lancet" veröffentlicht.
Update 18.03.2021: Astrazeneca-Impfstoff ist sicher
Die Europäische Arzneimittelagentur EMA stuft den Corona-Impfstoff von Astrazeneca weiter als sicher ein. Behördenchefin Cooke sagte am Donnerstag nach einer Sondersitzung, die Vorteile beim Schutz vor Covid-19 seien wesentlich größer als die Risiken. Es werde empfohlen, vor möglichen seltenen Blutgerinnseln in Hirnvenen zu warnen. Das sollte im Beipackzettel bei den Nebenwirkungen aufgenommen werden. Die EMA bekräftigte, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass die Impfungen die gemeldeten Gerinnsel verursacht hätten. Dennoch sei es nicht ausgeschlossen. Daher würden die Prüfungen auch fortgesetzt. - Der Grünen-Gesundheitsexperte Dahmen sprach bei MDR AKTUELL von einer sehr guten Nachricht. Man müsse nun dringend die Impfungen mit AstraZeneca wiederaufnehmen. Wie bei anderen Medikamenten auch gebe es seltene, kaum wahrscheinliche Nebenwirkungen. Bei der Risiko-Nutzen-Abwägung solle aber der Nutzen - der Schutz vor Covid-19 - überwiegen. Bund und Länder beraten heute darüber, wie die Impfkampagne zu beschleunigen ist. Dabei wird es auch darum gehen, ab wann Hausärzte gegen Corona impfen könnten.
Update 15.03: Bundesgesundheitsministerium stoppt Astrazeneca-Impfungen vorerst
Corona-Impfungen mit dem Astrazeneca-Wirkstoff werden in Deutschland vorerst ausgesetzt. Das bestätigte Gesundheitsminister Jens Spahn am Nachmittag. Nach neuen Meldungen von Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung in Deutschland und Europa halte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) weitere Untersuchungen für notwendig.
Wir setzen aus, um zu überprüfen.
"Bei der Analyse des neuen Datenstands", so das Institut, gebe es "eine auffällige Häufung einer speziellen Form von sehr seltenen Hirnvenenthrombosen (Sinusvenenthrombosen) in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) und Blutungen in zeitlicher Nähe zu Impfungen mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca." Diese Daten werden von der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA weiter untersucht. Bis dahin werden die Impfungen (sowohl Erst- als auch Folgeimpfungen) ausgesetzt.
Laut Gesundheitsminister Spahn handelt es sich um sieben Fälle bei 1,6 Millionen Impfungen in Deutschland. "Es geht also um ein sehr geringes Risiko", so Spahn. "Aber falls es tatsächlich im Zusammenhang mit der Impfung stehen sollte, um ein überdurchschnittliches Risiko."
Wer den Impfstoff Astrazeneca erhalten habe, und sich mehr als vier Tage nach der Impfung zunehmend unwohl fühle (starken und anhaltende Kopfschmerzen oder punktförmigen Hautblutungen), so das PEI, solle sich "unverzüglich in ärztliche Behandlung begeben".
Auch Frankreich und Italien haben inzwischen einen Impfstopp für Astrazeneca verhängt.Die Weltgesundheitsorganisation WHO berät über den weiteren Einsatz des Impfstoffs.
Hersteller verteidigt Impfstoff, Großbritannien impft weiter
Der britisch-schwedische Pharmakonzern Astrazeneca hat seinen Covid-19-Impfstoff nach Berichten über Nebenwirkungen verteidigt. Man sehe kein erhöhtes Risiko von Blutgerinnseln im Zusammenhang mit dem Vakzin. Die Analyse der Daten von mehr als 17 Millionen Menschen, die in der Europäischen Union und in Großbritannien mit dem Mittel geimpft worden seien, habe keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko einer Lungenembolie, einer tiefen Venenthrombose oder auf einen Rückgang der Blutplättchen ergeben, teilte Astrazeneca mit.
Großbritannien impft weiter mit Astrazeneca. Phil Bryan von der britischen Aufsichtsbehörde für Arzneimittel sagte, man prüfe die Berichte aus anderen Ländern über mögliche Nebenwirkungen genau. Zugleich betonte er: "Angesichts der großen Anzahl verabreichter Dosen und der Häufigkeit, mit der Blutgerinnsel auf natürliche Weise auftreten können, deuten die verfügbaren Beweise nicht darauf hin, dass der Impfstoff die Ursache ist."
Niederlande vorsichtig, in Frankreich impfen auch Apotheker
Die Niederlande haben Impfungen mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca für vorerst zwei Wochen ausgesetzt. Nach Hinweisen auf mögliche Nebenwirkungen habe die Arzneimittelbehörde des Landes den vorläufigen Stopp empfohlen. Nach Angaben des Ministeriums wurden in den Niederlanden bisher aber keine Fälle von schweren Nebenwirkungen bekannt. Nach Berichten über Blutgerinnsel bei Geimpften hatten vergangene Woche erst Estland, Litauen, Luxemburg, Lettland und Dänemark beschlossen, den Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns vorerst nicht mehr zu verwenden. Am Wochenende folgten dann Irland, Norwegen und Bulgarien.
Update 12.03. Anaphylaxie jetzt offiziell Nebenwirkung
Anaphylaxie ist eine starke allergische Reaktion. Bereits im Zusammenhang mit mRNA-Impfstoffen war über solche Nebenwirkungen bei Corona-Impfstoffen berichtet worden. Auch bei Astrazeneca hatte die Europäische Arzneimittelbeörde EMA allergische Reaktionen als mögliche Folge der Impfung beschrieben. Nach Überprüfung von insgesamt 41 Fällen bei fünf Millionen Impfungen kam die Behörde jetzt zu dem Schluss, Anaphylaxie offiziell als Nebenwirkung zu benennen, die gemeldet werden muss. "Diese Informationen unterstreichen auch die Notwendigkeit einer angemessenen medizinischen Behandlung im Falle eines anaphylaktischen Ereignisses", so die EMA. "Personen, die nach der ersten Dosis des Impfstoffs eine solche Reaktion entwickeln, sollten keine zweite Dosis erhalten. Dieser Rat, der auf alle in der EU zugelassenen COVID-19-Impfstoffe abgestimmt ist, bleibt unverändert, und die Aktualisierung der Produktinformationen erfordert keine Änderung der klinischen Praxis."
Update 12.03. Experten empfehlen Astrazeneca weiter
Der Direktor des Instituts für Infektionsmedizin der Uni Jena, Matthias Pletz, hat das Aussetzen des Impfens mit Astrazenca in Dänemark kritisiert. Blutgerinnsel, die vereinzelt nach der Verabreichung registriert worden seien, kämen bei schwerkranken Covid-19-Patienten sehr häufig vor. Die Entscheidung verursache vermutlich mehr Schaden, als das sie potentielle Impfkomplikationen verhindere. Durch das Aussetzen der Impfungen in Dänemark für zunächst zwei Wochen sei es sehr wahrscheinlich, dass nun mehr Menschen an Covid-19 erkranken als ohne diese Entscheidung - und etwa fünf Prozent davon sicher auch schwer. So könnten folglich auch mehr Thrombosen entstehen.
Der hallesche Virologe Prof. Alexander Kekulé äußerte bei MDR AKTUELL Verständnis für die Besorgnis. Allerdings sieht auch er die Vorteile der Impfung ganz deutlich überwiegen, wie er in Kekulés Corona-Kompass sagte.
Ganz konkret ist es so, dass meine eigene Mutter mich gefragt hat, ob sie sich damit impfen lassen soll und ich gesagt hab: Ja, mach es!
Hat Astrazeneca schwere, bisher unbekannte Nebenwirkungen? "Derzeit gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Impfung diese Zustände verursacht hat, die bei diesem Impfstoff nicht als Nebenwirkungen aufgeführt sind", so teilte es die Europäische Arzneimittelbehörde am Mittwoch mit. Dabei bezieht sich die Behörde auf Fälle von Thrombose (Blutgerinnsel) nach Astrazeneca-Impfungen in Österreich. Dort war in einem Fall nach der Impfung bei einer Krankenschwester eine Multiple Thrombose diagnostiziert worden. Zehn Tage später verstarb sie im Krankenhaus. Bei einer Kollegin wurde eine Lungenembolie (Verstopfung der Lungenarterien) diagnostiziert. Sie erholt sich wieder.
Charge in 17 Länder ausgeliefert
Die EMA prüft jetzt die Fälle in der Charge ABV5300. Sie wurde in 17 EU-Länder geliefert und umfasst laut der Behörde eine Million Dosen des Impfstoffs. In Deutschland wurde die Charge nicht eingesetzt. Einige EU-Länder haben Impfungen mit der Charge vorsorglich ausgesetzt; Estland, Litauen, Luxemburg und Lettland bereits am 9. März, heute (11.3.) folgte Dänemark. Wie die örtliche Gesundheitsbehörde mitteilte, sind bei mehreren geimpften Personen schwere Komplikationen durch Blutgerinnsel aufgetreten. Es sei aber noch nicht geklärt, ob es einen Zusammenhang zwischen den Impfungen und der Gerinnungsstörung gebe. Der Stopp in Dänemark gilt vorerst für zwei Wochen.
Nach der Auswertung der bisherigen Daten zeige sich allerdings, dass die Thrombose-Häufigkeit bei geimpften Personen nicht höher sei als in der Allgemeinbevölkerung. Laut EMA seien bis zum 10. März 30 Fälle von "thromboembolischen Ereignissen" gemeldet, bei insgesamt drei Millionen Menschen, die bisher im Europäischen Wirtschaftsraum mit Astrazeneca geimpft wurden.
Thrombosefälle in Deutschland
Das Auftreten von Nebenwirkungen mit Thrombose nach dem Verabreichen von Astrazeneca ist sehr selten und bekannt. Prof. Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin an der München Klinik Schwaben: "Bezogen auf Deutschland ist festzuhalten, dass bis zum 11.03.2021 insgesamt elf Meldungen über unterschiedliche thromboembolische Ereignisse bei etwa 1,2 Millionen Impfungen berichtet worden, also weniger als 1 pro 100.000 Personen." Daher geht Wendtner eher von einer Koinzidenz aus und nicht von einer Kausalität, "also mehr Zufall als Ursache“. Vier der Betroffenen sind nach Angaben des in Deutschland für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts verstorben. Alle Fälle werden weiter untersucht, so das Institut, das bisher aber keine Hinweise darauf hat, dass die Impfungen Ursache der Fälle waren.
Zur Einschätzung müsse man wissen, so Infektiologe Wendtner, dass sich venöse Thrombosen unabhängig von Covid-19 "mit einer jährlichen Inzidenz von etwa 1 pro 1000 Erwachsenen ereignen, also mit einem Faktor 100 häufiger in der Allgemeinbevölkerung auftreten. In Deutschland gibt es jährlich 100.000 Todesfälle aufgrund von thromboembolischen Ereignissen, diese stellen derzeit die dritthäufigste Todesursache dar."
Auch ein Blick nach Großbritannien kann helfen, das Risiko einzuschätzen. Dort zeige sich nach Gabe von vielen Millionen Impfdosen des Astrazeneca-Impfstoffs keine Häufung von thrombotischen Ereignissen unter den Geimpften, so Prof. Dr. Leif-Erik Sander von der Charité Berlin.
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