Covid-19 2G+: Warum ein Antikörpertest nicht für den Status "Genesen" ausreicht
Hauptinhalt
19. Februar 2022, 05:00 Uhr
Einige Menschen vermuten, eine Corona-Infektion überstanden zu haben, doch die Bestätigung durch einen PCR-Test fehlt. Sie bekommen keinen Genesenen-Nachweis. Reine Schikane oder gibt es wissenschaftliche Gründe?
Inhalt des Artikels:
- Kann man an den Antikörper-Werten, den sogenannten Titern, ablesen, ob jemand genesen und damit immun gegen Corona ist?
- Warum werden Genesene und Geimpfte unterschiedlich behandelt, wenn sich alle mit Omikron anstecken können?
- Warum finanzieren Krankenkassen keine Antikörpertests für alle?
- Warum gibt es keine Tests auf T-Zell-Immunität für alle?
Wer nach einer überstandenen Covid-19 den Status "Genesen" haben möchte, braucht dafür ein positives PCR-Testergebnis während der Infektion. Es gibt aber einige Menschen, die krank waren und vermuten, dass sie sich mit Sars-CoV-2 angesteckt hatten und die zugleich diesen Test nie gemacht haben. Sie fragen sich, warum es nicht ausreicht, nach der Genesung in einem Labor Antikörper gegen das Virus nachzuweisen. Ist es bloße Schikane, um möglichst viele Menschen zur Impfung zu zwingen?
Nein, denn aus wissenschaftlicher Sicht gibt es einige Probleme, was den Wert der Aussagen von Labordiagnostischen Antikörpertests, sogenannten Immuno-Assays, angeht. Ein Überblick über die zentralen Fragen.
Kann man an den Antikörper-Werten, den sogenannten Titern, ablesen, ob jemand genesen und damit immun gegen Corona ist?
Über Antikörpertests lässt sich durchaus bestimmen, ob jemand geimpft wurde, oder ob die Person eine Infektion durchgemacht hat. Wer mit einem der in Europa zugelassenen Impfstoffe immunisiert wurde, verfügt lediglich über Antikörper gegen das Spikeprotein von Sars-CoV-2. Menschen, die eine Infektion durchgemacht haben, verfügen auch über Antikörper gegen das Nukleocapsid, ein anderes Eiweiß aus der Hülle des Virus.
Von sehr hoch bis kaum nachweisbar: Sehr verschiedene Antikörperantworten bei Genesenen
Das erste Problem nach der Genesung besteht darin, dass die Immunantworten der Infizierten laut verschiedenen Studien sehr unterschiedlich ausfallen. Demnach haben stark Erkrankte meist einen guten Immunschutz, wenn sie wieder gesund sind. Wer nur eine asymptomatische Infektion durchgemacht hat, hat aber häufig weniger und oft auch andere Typen von Antikörpern. Verschiedene nicht geimpfte Genesene unterscheiden sich also stark in ihren Antikörperwerten.
Antikörperwerte geben kaum Auskunft über Dauer der Immunität
Daher lässt sich anhand der Antikörperwerte auch nicht belastbar nachweisen, wann jemand infiziert war. Das aber bedeutet, dass man auch nicht sagen kann, wie lange jemand vor einer neuen Infektion geschützt ist. Solche Angaben sind bisher nur durch statistische Beobachtungen möglich, also reine Zählungen, wann sich Personen wieder mit dem Virus infizieren, von denen man weiß, wann sie sich das erste Mal angesteckt hatten.
Ein Immunkorrelat – wie viel Antikörper schützen – fehlt
Eindeutig belastbare Zusammenhänge zwischen den ermittelten Antikörperwerten und der Immunität gibt es bisher dagegen nicht. "Einen klaren Schwellenwert, ein sogenanntes 'Corelate of Protection', also ein Parameter im Serum eines Patienten, der einem sagt, jetzt ist man sicher geschützt oder nicht, das gibt es meines Wissens nach nicht", sagt Burkhart Schraven, Professor für klinische Immunologie an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg. "Und das ist auch kaum zu bestimmen, denn das Virus ändert ja mit jeder neuen Variante seine immunologischen Eigenschaften."
Im Klartext: Wer an der Alphavariante erkrankte, hatte auch gegen Delta noch einen guten Schutz. Mit Omikron dagegen können sich diese Menschen leicht wieder anstecken. Das gilt auch umgekehrt: Eine Infektion mit Omikron schützt Ungeimpfte kaum gegen eine spätere Ansteckung mit Alpha, Beta oder Delta.
Antikörper im Blut schützen nicht vor Ansteckung in der Nase
Zum Problem mit den neuen Varianten kommt noch der Eintrittsweg des Virus. Ein Patient kann hohe Antikörperwerte im Blut haben, das Virus jedoch befällt zunächst die Schleimhäute in der Nase und dem Rachen, den sogenannten Respirationstrakt. Gibt es dort nicht genügend IgA-Antikörper, bekommt die Person eine leichte und für sie ungefährliche Erkältung durch das Virus, kann es trotzdem einige Zeit weiterverbreiten. Die Bestimmung von Antikörpern auf der Schleimhaut ist allerdings noch komplizierter und fehleranfälliger.
Es kommt auf die neutralisierenden Antikörper an
Nicht alle Antikörper wirken gleichermaßen gegen das Virus. Nur sogenannte neutralisierende Antikörper sind in der Lage dazu, die Erreger so stark lahmzulegen, dass sie Zellen gar nicht mehr befallen können. Ob jemand solche Antikörper besitzt, lässt sich mit einem sogenannten Neutralisationstest ermitteln. Dazu wird eine Blutprobe genommen, die anschließend auf eine Zellkultur gegeben wird, die anschließend mit Viren infiziert wird. Sind viele neutralisierende Antikörper im Serum enthalten, werden die Viren lahmgelegt und können die Zellen der Zellkultur nicht infizieren. Gibt es zu wenig neutralisierende Antikörper, kann sich das Virus vermehren.
Solche Neutralisationstests mit echten Viren können nur in Hochsicherheitslaboren der Stufe S3 durchgeführt werden. Und diese Labore gibt es nur an Forschungsinstituten oder Unikliniken. Ein Einsatz für alle Patienten ist nicht möglich. Ein Ausweichen auf sogenannte Surrogattests wäre zwar möglich. Hier werden die Zellen nicht mit dem echten Virus, sondern mit einer Art Attrappe infiziert, die lediglich über die Spikeproteine des Virus verfügt. Aber auch diese Tests sind aufwändig, so dass ein Masseneinsatz mit enormen Kosten verbunden wäre.
Warum werden Genesene und Geimpfte unterschiedlich behandelt, wenn sich alle mit Omikron anstecken können?
Als das Robert Koch-Institut den G-Status von Genesenen ohne Impfung auf drei Monate verkürzte, gab es heftige Kritik. Einige Experten argumentierten, dass auch der G-Status von Geimpften verkürzt werden müsse, denn schließlich zeigen Studien, dass sogar der Booster nur einen zeitlich begrenzten Schutz vor einer Ansteckung bietet.
Allerdings zeigen Studien, dass es dennoch einen gewaltigen Unterschied gibt, ob jemand "nur" genesen ist oder sich zusätzlich auch noch hat impfen lassen. In einer aktuellen Stellungnahme der deutschen Gesellschaft für Virologie heißt es: "In verschiedenen Veröffentlichungen wurde gezeigt, dass das Serum von Personen, die nicht geimpft sind und eine Infektion mit SARS-CoV-2 (nicht Omikron) durchlaufen haben, eine niedrige, mitunter nicht mehr nachweisbare neutralisierende Aktivität gegen die Omikronvariante aufweist. Seren von Personen, die eine Kombination aus Infektion und Impfung durchlaufen haben, oder von geimpften Personen, die eine Auffrischungsimpfung erhalten haben, weisen eine bessere neutralisierende Antikörperantwort gegen die Omikronvariante auf."
Daten von Gesundheitsbehörden wie dem Robert Koch-Institut oder der UK Health Security Agency zeigen klar: Je besser Menschen durch Impfung geschützt sind, desto seltener erleiden sie schwere Verläufe. Der Hamburger Universitätsmediziner Marc Lütgehetmann, ein Spezialist für Labordiagnostik fasst das in einer einfachen Formel zusammen: "Je mehr neutralisierende Antikörper gegen das Virus jemand hat, umso besser da Antikörper und T-Zell Antwort häufig gut korrelieren. Und da kann man ganz klar erkennen: Menschen, die sich nach einer Infektion impfen lassen oder die drei Impfungen bekommen haben, haben viel höhere Werte und bessere Qualität als diejenigen, die nur eine Infektion überstanden haben."
Warum finanzieren Krankenkassen keine Antikörpertests für alle?
Der Berufsverband Deutscher Laborärzte registriert eine starke Nachfrage nach einer Bestimmung der Antikörper gegen das Coronavirus nach einer Impfung oder Infektion. "In der Bevölkerung ist der Wunsch nach der Bestimmung von Antikörpern hoch, um herauszufinden, hat die Impfung bei mir funktioniert und hab ich ausreichend Antikörper, um mich frei zu bewegen", sagt Andreas Bobrowski, der Vorsitzende des Verbands.
Bei der Krankenkasse können Versicherte eine solche Untersuchung aber nicht abrechnen, weil es keinen allgemeinen Anspruch auf einen solchen Test gibt. Das wäre auch nicht sinnvoll, sagt der Diagnostiker Marc Lütgehetmann. Denn neben den nur begrenzt belastbaren Aussagen unterscheiden sich bestimmte Werte zwischen gängigen Laborgeräten von Hersteller zu Hersteller etwas.
Für bestimmte Gruppen könnte die Antikörperbestimmung aber trotzdem sinnvoll sein, etwa bei Menschen, die ein hohes Risiko haben, dass die Impfung bei ihnen nicht wirkt, beispielsweise Hochbetagte oder Patienten, die Medikamente gegen ihr Immunsystem nehmen müssen. "Bei denen könnte man mit dem Test nachschauen, haben sie auf eine Impfung reagiert, braucht es weitere Impfdosen oder muss man sie mit künstlich erzeugten Antikörpern schützen?", sagt Lütgehetmann.
Warum gibt es keine Tests auf T-Zell-Immunität für alle?
Geht es um die Immunität gegen Covid-19, weisen Wissenschaftler immer wieder darauf hin, dass Antikörper nur ein Teil des Schutzes gegen die Krankheit darstellen. Der andere Teil besteht aus der sogenannten zellulären Immunantwort, also durch bestimmte Lymphozyten die umgangssprachlich auch noch manchmal als weiße Blutkörperchen bezeichnet werden. Hier gibt es sogenannte T-Zellen, die unter anderem von Viren befallene Körperzellen erkennen und ausschalten können und die außerdem die körpereigene Antikörperproduktion durch B-Zellen anregen.
T-Zellen bleiben deutlich länger bestehen als Antikörper und sind nach Ansicht vieler Forschender auch wichtiger für die Immunität gegen das Virus. Könnte man also nicht einfach mit Tests bestimmen, wie gut der T-Zell-Schutz ist und danach entscheiden, ob jemand weitere Impfungen benötigt?
Kreuzreaktivität mit Erkältungscoronaviren
Das ist in der Praxis leider noch schwieriger und erst recht nicht im großen Stil umsetzbar, sagt Marc Lütgehetmann. "Man kann zwar T-Zell-Assays machen, um die zelluläre Immunantwort zu bestimmen. Aber diese Tests sind hochkomplex. Es erfordert viel Arbeit im Vorfeld, damit solche Tests richtig eingestellt werden, damit man die Werte bekommt, nach denen man sucht."
T-Zelltests suchen vereinfacht gesagt nach den Bindungsstellen, den sogenannten Epitopen, an denen die T-Zellen die Viren beziehungsweise die mit Viren befallenen Zellen erkennen. Von diesen Epitopen gibt es mehrere Tausend. Viele davon kommen nicht nur bei Sars-CoV-2 sondern auch bei harmloseren Verwandten vor, etwa den seit langem zirkulierenden humanen Coronaviren, die lediglich einfache Erkältungen hervorrufen. Ist ein Test falsch eingestellt, kann er unspezifisch auf diese Erkältungserreger reagieren. "Die T-Zell-Assays sind sehr anfällig für solche Störungen", sagt Lütgehetmann. Ihr Einsatz wird also vorerst auf die Forschung beschränkt bleiben.