Citizen Science Bürger retten Bohnen – mit Smartphone und grünem Daumen

15. August 2021, 05:00 Uhr

Das interessiert mich nicht die Bohne. Dumm wie Bohnenstroh. Jedes Böhnchen … Es fällt schon auf, dass Bohnen nicht gerade ein gutes Image haben. Das ist schade, denn sie besitzen ein riesiges Potential. Und das wollen Forscher jetzt heben – zusammen mit Hobby-Wissenschaftlern.

  • Bohnen gehören weltweit zu den wichtigsten Kulturpflanzen. Allein in Europa werden jährlich knapp zwei Millionen Tonnen Bohnen geerntet.
  • Doch derzeit werden nur wenige Sorten angebaut, die im Ertrag optimiert wurden. Dabei ist die Bohne als Frucht außerordentlich vielfältig.
  • In einem internationalen Forschungsprojekt sollen jetzt eintausend verschiedene Bohnensorten getestet werden. Und zwar von Hobbygärtnern.
  • An dem Projekt beteiligt ist das Leibnitz Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung, das IPK in Gatersleben.

Eine Bohnenpflanze 6 min
Bildrechte: Uli Wittstock

Bürger heben Bohnen-Schätze

Der Blick auf die Speisekarten in Restaurants oder Kantinen zeigt in Bezug auf Bohnen eine doch sehr eingeschränkte Vielfalt. Bohnen als Eintopf weiß oder Grün sind da zu finden und natürlich die grüne Bohne als Gemüse oder gelegentlich auch als Salat und dann mitunter vom Grün ins Bräunliche spielend. Dabei gibt es deutlich mehr Sorten, als derzeit angebaut werden. Allein am Leibnitz Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung, dem IPK in Gatersleben, in der Nähe von Quedlinburg, lagern 8.000 Bohnensorten in einer Genbank. Genetische Schätze, die es nun zu heben gilt.

INCREASE, also "steigern" oder "vergrößern", so heißt dazu ein aktuelles Forschungsprojekt. Hunderte von Wissenschaftlern machen mit, in ganz Europa. Allerdings beobachten keine studierten Biologen oder Genetiker die Entwicklung der Pflanzen, sondern stattdessen engagierte Kleingärtner. INCREASE ist ein Beispiel für die sogenannte Bürgerwissenschaft. Für das IPK Gatersleben betreut Dr. Kerstin Neumann das Projekt: "Also die Idee dahinter ist, dass es sehr viele ungenutzte Ressourcen gibt. Die Bohne ist eine bedeutende Pflanze, auch für die Welternährung. Und unter den Hülsenfrüchtlern ist die Gartenbohne eben sehr wichtig für den menschlichen Verzehr.

Bohnenforscherin Kerstin Neumann und Gärtner Falk Hosang im Gespräch
Forscherin Kerstin Neumann und Gärtner Falk Hosang im Gespräch Bildrechte: Uli Wittstock

Es gibt sehr viele ungenutzte alte Sorten, die vergessen wurden, die aber in Genbanken eingelagert sind, damit die Diversität eben nicht vollständig verloren geht.

Dr. Kerstin Neumann, IPK Gatersleben

Dabei gewinnt die Bohne in der Ernährung an Bedeutung, denn sie produziert Eiweiß, was zunehmend auf Interesse stößt. Man denke nur an in die aktuellen Debatten um Klimawandel, Tierwohl und die ökologischen Folgen des Fleischkonsums.

Alte Bohnen zu neuem Leben erwecken

Doch die Bohne ist eben um einiges vielfältiger, als es die europäischen Hausgärten vermuten lassen. Deshalb nun dieses Projekt, so Dr Kerstin Neumann: "Dieses Citizen-Science-Experiment soll die alten Sorten wieder zum Leben erwecken. Wir wollen zeigen, dass es überhaupt solche genetischen Ressourcen gibt, die weit über das hinausgehen, als die paar Standardsorten, die man kaufen kann." Dabei, so die Forscherin, gehe es um unfassbar viel phänotypische Variabilität gibt, im Wuchs, im Aussehen, in Geschmack und Form. "Und ja, eben auch im Ertrag", weiß Neumann. "Die alten Sorten sind natürlich nicht unbedingt die ertragreichsten. Aber das wollen wir eben jetzt mit dem Bürger in ganz Europa herausfinden. Das läuft ja auch nicht nur in Deutschland, sondern über ganz Europa verteilt."

Gärtner Falk Hosang mit einer Bohnenpflanze
Hobby-Gärtner Falk Hosang mit seinen Bohnenpflanzen. Bildrechte: Uli Wittstock

Einer der europäischen Bohnenforscher ist Falk Hosang, aus Ballenstedt, einer Kleinstadt im Harzvorland. In seinem Garten hinter dem Haus zieht der 34-jährige nun Bohnen aus der Gaterslebener Genbank. Was ihn an dem Projekt reizt, ist einerseits die Faszination für das Pflanzen. "Ich bin ja hobbymäßig Gärtner und da blicke interessehalber auf das Thema. Aber dann gibt es auch noch Interesse an dieser App."

Und von dieser Symbiose war ich so fasziniert, dass ich eben dieses Projekt unterstütze.

Falk Hosang, Ballenstedt

Wer also sich an dem Bohnenprojekt beteiligt, braucht nicht nur einen grünen Daumen, sondern auch noch ein Smartphone. Die App INCREASE ist sozusagen das Facebook der Bohnenfreunde. Hier werden die Anbauerfolge genauestens protokolliert. Und da gibt es nun einiges zu tun, so Falk Hosang: "Ja, jetzt geht es praktisch darum, die Sorten unspezifisch aufzulisten: Wachstum, Sortenbestimmung, Blattform und Wuchstyp, Blütenfarbe, Blütenform und später dann Fruchtbildung, Querschnittsform und schließlich bis zur Samenbildung und zur Auflistung, wie viele Samen im Fruchtkörper sind."

Das neue Netzwerk der Bohnenfreunde

So fallen jede Menge Daten an, die dann ausgewertet werden müssen. Und genau das sei der Vorteil der Smartphone-Technologie. Denn was da dezentral an Beobachtungen eingegeben wird, kann Dank Digitalisierung sehr schnell ausgewertet werden, so Dr. Kerstin Neumann: "Das war tatsächlich die einzige Möglichkeit, wie man so ein europäisches Bürger Experiment umsetzen kann. Wer wertet denn die Daten aus, wenn jeder eine Excel-Tabelle schickt mit den Merkmalen? Das ist ein Heidenaufwand." Dank App werden die Daten automatisch gesammelt und können von den Forscherinnen und Forschern heruntergeladen werden, für jedes Merkmal gibt es so einen Datensatz, "was es uns natürlich einfacher macht", sagt Neumann. "Und die Bürger haben eben auch die Möglichkeit, sich auszutauschen. Also man kann da auch in der Plattform Bilder hochladen und auch auf der Facebook-Seite natürlich."

Doch es geht nicht um Gartenromantik und Freude an alten Sorten, sondern um wissenschaftliche Erkenntnis. Denn in dem Saatgut schlummern möglicherweise Eigenschaften, die für professionelle Züchtungen wichtig sein könnten. Die Rede ist vom sogenannten Pre-Breeding, das ist eine Art Sortenschau, die der eigentlichen Züchtung vorausläuft, bei der die Funktion der Gene in den Pflanzen untersucht wird und wie sie vererbt werden: "Das heißt, man muss einfach diese alten Sorten charakterisieren, und schauen, welche sind geeignet", erklärt Expertin Neumann. "Im Zuge des Klimawandels geht es viel um Trockenstress, Hitze, Stresstoleranz, aber auch um biotische Stressfaktoren. Und da steckt natürlich noch viel in den alten Sorten drin, was unbekannt ist und was man dann für die Züchtung auch nutzen kann, um die modernen Sorten eben auch besser anzupassen."

Aber als Nutzpflanze endet jede Bohne letztendlich doch in Topf oder Pfanne. Und auch da leistet die neue App ein Beitrag, denn neben den Fotos können auch Rezepte hochgeladen werden. Die sind in Europa nämlich ebenso vielfältig wie die Bohne selbst.

Bald werden wieder Bohnenfreunde gesucht

Falls sie sich für das Projekt interessieren. Ende 2021 wird es wieder einen neue Registrierungsrunde für Bürgerwissenschaftler geben. Alle Infos dazu finden sie auf der Webseite des Projekts.

Ein Smartphone auf einem Gartentisch
Die App hilft den Bürger-Forschern bei der Bohnen-Kontrolle. Bildrechte: Uli Wittstock

INCREASE besteht allerdings nicht nur aus dem Citizen-Science-Projekt und widmet sich neben den Bohnen auch Kichererbse, Linsen und Lupinen. Dafür will es auch Fachleute zusammenbringen. Wenn Sie als Landwirt, Pflanzenzüchter, Saatgutlieferant, Lehrer, Forscher, Umweltschützer, Mitglied eines Gartenvereins oder aus anderen Gründen Interesse am Thema haben, dann finden sie hier Angebote zum Austausch.

Und wenn Sie Bohnen und andere Hülsenfrüchte mal so richtig abfeiern wollen, dann können Sie das jedes Jahr am 10. Februar tun. Dann ist nämlich offizieller UN-Welt-Hülsenfrüchte-Tag.

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