Zukunft des Arbeitsmarkts Lohnt sich Studieren noch?
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05. Februar 2023, 09:13 Uhr
Die Zeiten, in denen ein Universitäts- oder Fachhochschulabschluss die sichere Garantie für einen Arbeitsplatz war, sind vorbei – heißt es zumindest oft. Konkrete Daten zeigen jedoch, dass sich ein Studium heutzutage immer noch lohnt, auch finanziell. Allerdings gibt es je nach Berufsgruppe große Unterschiede.
Wer studiert hat, bekommt sicher einen Job und verdient auch garantiert nicht schlecht. Das zumindest galt jahrzehntelang als wahr – aber mittlerweile gibt es Studien, die daran Zweifel aufkommen lassen. So arbeiten laut einer Studie der Ökonomin Christina Boll zehn bis zwanzig Prozent der Akademikerinnen und Akademiker in einem Beruf, für den sie mit ihrem Bildungsabschluss überqualifiziert sind. Bei Frauen und Menschen in Ostdeutschland liegt der Anteil sogar noch etwas höher.
Berufliche Sicherheit ist hoch
Rein statistisch betrachtet lohnt sich ein höherer Bildungsabschluss aber dennoch: Immerhin sank die Arbeitslosenquote unter Akademikerinnen und Akademikern 2021 leicht und liegt bei vergleichsweise niedrigen 2,4 Prozent. Seit 2007 liegt diese Quote kontinuierlich unter drei Prozent – man kann also von einer gewissen beruflichen Sicherheit sprechen, die das Studium immer noch verschafft. Zum Vergleich: Die Arbeitslosenquote bei Menschen ohne Berufsabschluss lag bei rund 21 Prozent, bei denjenigen mit beruflicher Ausbildung oder Fachschulabschluss lag die Quote bei 3,5 Prozent und damit sogar unter der Quote für Fächer wie Geschichte oder Publizistik. Diese Daten veröffentlicht die Bundesagentur für Arbeit.
Auch für Uni-Absolventen gibt es zwar kleine Unterschiede zwischen den einzelnen Job-Branchen, aber insgesamt haben alle mit einem Uni- oder FH-Abschluss durchaus gute Karten auf dem Arbeitsmarkt.
Wer einen höheren Bildungsabschluss hat, wird nicht so schnell durch eine Maschine ersetzt
Auch wenn die Digitalisierung unseren Arbeitsmarkt in den kommenden Jahrzehnten umwälzen wird, verschafft ein höherer Bildungsabschluss voraussichtlich eine gewisse Sicherheit. "Man kann sagen, dass hoch qualifizierte Jobs oft weniger stark durch die Automatisierung getroffen werden, denn der Anteil der kreativen und Wissensarbeit ist bei diesen Berufen oft höher", sagt Britta Matthes vom IAB. Diese Arbeit ist vergleichsweise schwerer durch Automatisierung zu ersetzen. Vor dem Aspekt beruflicher Sicherheit ergibt es (rein statistisch betrachtet) also durchaus Sinn, ein Studium zu beginnen. Dabei gaben immerhin 67 Prozent der Universitätsstudierenden an, dass sie einen sicheren Arbeitsplatz als "sehr wichtig" priorisieren.
Große Gehaltsunterschiede je nach Branche
Neben diesen Sicherheitsaspekten kann sich ein Studium auch aus finanzieller Sicht lohnen: Wer studiert hat, kann langfristig mit durchschnittlich höheren Gehältern rechnen – aber Vorsicht: Es gibt beachtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Berufsgruppen: Während Mediziner und Ingenieure traditionell am oberen Ende des Gehaltsspektrums angesiedelt sind, verdienen Expertinnen und Experten im Sozialwesen im Schnitt mehr als 2.000 Euro weniger – aber in der Regel immer noch mehr als Fachkräfte mit Berufsausbildung.
Einen deutlichen Unterschied gibt es allerdings nach wie vor zwischen den alten und neuen Bundesländern. Über die Branchen hinweg sind das im Schnitt 15 Prozent Gehaltsunterschied. Mit einer Ausnahme: Lehrerinnen und Lehrer verdienen im Osten Deutschlands sogar mehr. Das lässt sich mit der unterschiedlichen Verbeamtungspraxis einzelner Bundesländer erklären.
Es zählt auch das Lebensentgelt
Man muss bei diesen Zahlen allerdings im Hinterkopf behalten: Wer studiert, verdient zwar in der Regel an einem gewissen Punkt im Leben mehr als Menschen, die eine Ausbildung abschließen – bis man allerdings überhaupt Geld verdient, dauert es aber mitunter ganz schön lange. Und das wiederum beeinflusst das sogenannte "Lebensentgelt" – also, wie viel ein einzelner Mensch im Laufe seines gesamten Lebens verdient. Hier sind die Unterschiede schon gar nicht mehr so groß. Wer also studieren will, sollte im Blick behalten, dass sich die Zeit an der Universität oder Fachhochschule erst deutlich später im Leben auszahlt.
Die Grafik auf Basis der Daten des IAB zeigt auch, dass es eine große Spannweite an möglichen Gehältern gibt. Die formale Qualifikation, die beispielsweise ein Bachelorabschluss bietet, ist nicht alleine entscheidend – und viele junge Menschen treffen ihre Berufswahl unabhängig davon. Eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts der für Bildungs- und Sozialökonomie der Bertelsmann-Stiftung stellt in diesem Zusammenhang fest: Immer mehr Abiturientinnen und Abiturienten machen eine Ausbildung, obwohl sie auch studieren könnten: In den vergangenen 15 Jahren stieg der Anteil an Menschen mit Abi, die eine Ausbildung machen von 35 auf 47,4 Prozent.
Die eigenen Stärken im Blick behalten
Wer eine Entscheidung fällen möchte, sollte in diesem Zusammenhang ohnehin nicht nur auf Gehälter und die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt achten, sondern auch die eigenen Talente und Interessen im Blick behalten. Die Arbeitsmarktforscherin Britta Matthes sagt dazu: "Ich denke, wir brauchen Menschen, die wissen, was ihre Interessen sind und wo ihre Leistungsfähigkeiten liegen. Dann kann man gucken, was auf dem Markt die Optionen sind – der eigentliche Erfolg kommt aber eher aus dem Gerne-betätigen."
Einblicke in verschiedene Jobs gibt's bei alpha Uni
Noch mehr Tipps für die Berufswahl gibt es auf dem Youtube-Kanal von ARD alpha Uni - einem Kanal, an dem sich auch MDR WISSEN beteiligt. Auf dem Kanal stellen Berufsanfänger und Studierende ihre Jobs vor und geben so einen Einblick für alle, die noch überlegen, was sie in ihrem Leben arbeiten wollen. Ergänzend gibt es auf der Website von ARD alpha Uni viele weitere Informationen zu verschiedenen Berufen.
Links/ Studien
- Zum Statistik-Schwerpunkt "Blickpunkt Arbeitsmarkt: Akademiker/-innen" geht es hier
- Die Ergebnisse der 13. Studierendensurvey gibt es hier zum Nachlesen
- Der IAB-Kurzbericht: Ein Studium garantiert nicht immer das höchste Lebensentgelt ist hier verlinkt
- Die Studie zur formalen Überqualifikation von Christina Boll gibt es hier (aber leider nicht kostenlos)
iz mit dpa