Adventskalender, Türchen 10 Buchempfehlung: Fotografie und Gewalt im Nationalsozialismus
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10. Dezember 2024, 05:00 Uhr
Ein Einstieg in ein schwieriges Thema gelingt oft gut über Bilder. MDR-Autorin Susann Reich empfiehlt ein Buch, das sich dem Nationalsozialismus über Fotos nähert. Aufnahmen aus ganz unterschiedlichen Situationen.
Ein guter Einstieg in ein schwieriges Thema
Das Buch verbindet das Thema NS-Zeit mit der Fotografie. Für Menschen, die sich für beides interessieren, ist es besonders gut geeignet. Durch die Aufteilung in kurze einzelne Aufsätze, die thematisch voneinander unabhängig sind, empfiehlt sich das Buch auch für diejenigen, die erstmals ein Fachbuch über die NS-Zeit lesen möchten und sich langsam herantasten wollen.
Fotos vermitteln auch das, was auf ihnen nicht zu sehen ist
Aus der Zeit des Nationalsozialismus gibt es Millionen Fotos, sie gelten als wichtige Quellen für die Geschichtsforschung. Sie entstanden in unterschiedlichen Situationen: während des Krieges, in Konzentrationslagern, in deutschen Städten oder besetzten Gebieten – um nur ein paar wenige Beispiele aufzuzählen.
Das Buch zeigt eindrücklich, welche Antworten Fotos geben können, warum Herkunft und Kontext sorgfältig recherchiert werden müssen. In den überlieferten Bildern fehlen oft die Angaben zur Aufnahmezeit, den abgebildeten Orten und Menschen. Die Autoren des Buches schaffen es mit hervorragender Präzision, Hintergründe und Zusammenhänge verschiedener Bildquellen zu zeigen. Und der Leser bekommt einen Eindruck, warum es vielfach um Macht, Gewalt und Ausgrenzung geht, auch wenn dies auf den Fotos oft nicht zu sehen ist
Zehn Autoren, drei Herausgeber
Die Herausgeber sind die Historiker:innen Alina Bothe, Christoph Kreutzmüller und Babette Quinkert. Das Buch enthält zehn Aufsätze verschiedener Autoren, die sich alle in besonderem Maße mit der Analyse von Fotomaterial der NS-Zeit beschäftigt haben.
Fotobeispiele aus sehr unterschiedlichen Zusammenhängen
Das Buch schafft es, ein wissenschaftliches Thema sehr anschaulich und mit vielen Fotobeispielen verständlich zu machen. Die Kapitel unterscheiden sich in ihren Inhalten sehr: Es geht zum einen um ein Fotoalbum der „Legion Condor“ – ein deutscher Luftwaffenverband, der auf Seiten Francos in Spanien kämpfte und der für den verheerenden Luftangriff auf die spanische Stadt Guernica verantwortlich war. Ein anderes Kapitel beschäftigt sich mit der Frage: Wie nahmen sowjetische Fotograf:innen die deutschen Verbrechen wahr? Wer machte die Aufnahmen und bedeuteten sie noch weit mehr als Beweissicherung und Dokumentation?
Besonders nahe gingen mir die Foto-Beispiele des kürzlich mit dem Grimme-Online-Award auszeichneten Projekts #LastSeen – Fotos von Deportationen. Wie der Name sagt, sind das die letzten Abbildungen von Menschen, bevor diese dem Massenmord der Nazis zum Opfer fielen. Das Projekt hat auch das Ziel, die Menschen auf den Fotos zu identifizieren.
Ein Bildatlas von #LastSeen ist online einsehbar und wird regelmäßig aktualisiert.
Das sind nur drei Beispiele für Situationen von Fotoaufnahmen; das Buch enthält viele weitere und vermittelt einen guten Eindruck davon, an wie vielen verschiedenen Orten während der NS-Zeit Fotografien entstanden.
Die Macht der Bilder
Ich habe überwiegend mit Fotos aus Kriegsgebieten gerechnet oder zum Holocaust. Daher hat mich besonders ein Abschnitt im Buch überrascht, der eine Fotoserie über angeblich „asoziale“ Bürger zeigt, die in einer Fotodokumentation der Stadt Augsburg vorgeführt werden. Von dieser Art Fotos habe ich hier zum ersten Mal erfahren, die Macht der Bilder wird anhand des Zwecks, zu dem sie angefertigt werden, sehr eindringlich klar.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 04. Dezember 2024 | 16:10 Uhr
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