Adventskalender, Türchen 7 Buchempfehlung: Die Kunst der Alchemie – Eine Weltgeschichte
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07. Dezember 2024, 05:00 Uhr
Ein Buch wie eine Ausstellung, mit faszinierenden Bildern und faktenreichen Texten zur Historie der Alchemie. Auch geeignet zum Lesen oder Vorlesen in Etappen, zum Beispiel jeden Abend eine Geschichte. Am Ende entsteht das Verständnis, dass Alchemie kein Teufelszeug ist oder zumindest lange Zeit nicht war, sondern viel Wissenschaft und Kunst beinhaltete.
Die Goldmacher
Meine früheste Kindheitserinnerung an Alchemie ist, als mir zum ersten Mal die Geschichte von Johann Friedrich Böttger erzählt wurde, jenem jungen Mann, der nach dem Stein der Weisen suchte und vorgab, Gold herstellen zu können – was natürlich trotz kurfürstlich-sächsischen Drucks nicht von Erfolg gekrönt war, aber zumindest quasi nebenbei zur Erfindung des "weißen Goldes" führte, des europäischen Porzellans.
Alchemisten waren die Forscher ihrer Zeit
Was waren Menschen wie Böttger, die der Alchemie nachgingen? Waren sie Wissenschaftler? Oder Scharlatane? Forscher? Spinner? Künstler? Wer "Die Kunst der Alchemie – eine Weltgeschichte" liest, wird diese Frage anschließend, zumindest für sich selbst, beantworten können. Und ich tippe mal, die Antwort wird kaum in Richtung Scharlatanerie oder Spinnerei gehen, zumindest für die vielen Protagonisten des Buches in den Jahrhunderten vor der Aufklärung, als Alchemisten in ihrem Tun tatsächlich oft nah dran waren an dem, was heute in Wissenschaft und Forschung getan wird: Antworten suchen, Unerforschtes entdecken, Neues erschaffen. Und manchmal (siehe Böttgers Porzellan) fallen bei dieser "Forschungsarbeit" sehr begehrte Nebenprodukte ab, wie Schießpulver, Farbstoffe oder Arzneimittel. Ohne Alchemisten hätte es die nicht oder erst viel später gegeben, wie man in David Brafmans Buch lernt.
Ein Buch, in dem man von Raum zu Raum geht
David Brafman ist Kurator der Abteilung für seltene Bücher am Getty Research Institute in Los Angeles. 2016 hat er dort schon eine Ausstellung über Alchemie ins Leben gerufen, die dann ein Jahr später auch als "Alchemie: die große Kunst" in Berlin gezeigt wurde. Brafmans neues (von Susanne Schmidt-Wussow übersetztes) Buch ist stark an diese Ausstellung angelehnt. Und tatsächlich fühlt man sich bei der Lektüre ein bisschen wie ein Ausstellungsbesucher. Zum einen liegt das an den vielen faszinierenden Abbildungen, die man sich oft genug länger anschaut als es dauert, die zugehörige Geschichte zu lesen. Und zum anderen sind jene Geschichten auch ein bisschen wie Ausstellungsräume, nämlich in sich abgeschlossen. Man wandert von einer Geschichte zur nächsten wie in einer Ausstellung von Raum zu Raum. Und selten hat der nächste Raum unmittelbar mit dem vorhergehenden zu tun. So entstehen anfangs nur wenige bleibende Zusammenhänge im Gehirn. Aber wenn man alle Räume gesehen hat, ergibt sich dann doch ein umfassendes und stimmiges Gesamtbild.
Von der Antike bis ins Hier und Jetzt
Wenn Sie wollen, wandern Sie also gern durch die Kapitel. Los geht's in der Antike – China, Ägypten und Griechenland sind hier die Stationen. Es folgt das Mittelalter, wo auch ausführlich in Indien und im islamischen Kulturraum haltgemacht wird. Erfahren Sie, was es mit der alchemistischen Symbolsprache auf sich hat, bewundern Sie eine technische Apparatur, mit der die Feuchtigkeit des Mondes aufgefangen werden soll, und erleben Sie schließlich die goldenen Jahre der Alchemie in der Frühen Neuzeit samt all ihren Verquickungen mit Kunst und Medizin, bevor es irgendwann nüchtern heißt:
Das Totengeläut erklang für die Alchemie wohl mit der Verbreitung formaler Akademien und Universitäten in der Zeit der Aufklärung. Physik und Chemie, einst vereint unter der Überschrift Naturphilosophie, gingen nun getrennte Wege, ebenso die Theologie. Die Alchemie wurde damit allmählich zu einer Pseudowissenschaft degradiert.
Das mag das Ende der größten Erfolge gewesen sein, aber nicht das Ende der Alchemie, wie man im anschließenden "Vermächtnis der Alchemie" erfährt, das bis ins Heute wirkt.
Gut häppchenweise verschlingbar
Literarisch ist dieses Buch zwar nicht überragend, der sachliche, wissenschaftlich geprägte Erzählstil wird von seinem Inhalt und den Abbildungen dominiert. Aber die sind allemal wissens- und sehenswert. Wer das Buch liest, wird viel über ihm bis dahin vermutlich unbekannte historische Persönlichkeiten auf der ganzen Welt lernen, die in ihrer jeweiligen Zeit oftmals zu den klügsten, mindestens zu den wissbegierigsten und ganz sicher zu den wagemutigsten zählten. Man kann das Buch auch gut häppchenweise verschlingen – oder wie bei einem Adventskalender jeden Tag ein neues Fensterchen (Geschichtchen) öffnen und wird immer etwas Interessantes erfahren. Nur, das sei gesagt, auf viel neuen Stoff zu Johann Friedrich Böttger sollte man nicht hoffen. Dessen Porzellan-Erfindung wird in lediglich einem Satz abgehandelt. Es gab Wichtigeres in der Kunst der Alchemie.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 04. Dezember 2024 | 15:45 Uhr
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