Boot liegt am Ufer eines Sees
Ein Süßwassersee in Norwegen: Einer der 29 skandinavischen Seen, die im Rahmen der Studie untersucht wurden. Bildrechte: Samuel Woodman

Lösung für Umweltproblem Bakterien können Plastik-Verschmutzung in Seen beseitigen

26. Juli 2022, 18:25 Uhr

Natürliche Seebakterien können Plastik-Verschmutzungen aus Süßwasserseen wirksam entfernen. Die Kohlenstoffverbindungen der Kunststoffe dienen den Mikroben dabei als Nahrung. Dadurch wird das Bakterienwachstum im See gefördert, wodurch wiederum das gesamte Nahrungsnetz in dem Gewässer stimuliert wird. Das zumindest ist das Ergebnis einer Studie an 29 Seen in Skandinavien.

Plastikmüll verschmutzt nicht nur die Weltmeere, sondern auch immer mehr Süßgewässer. Vor allem Einkaufstüten aus Polyethylen niedriger Dichte (LDPE) sind das große Problem. Einige der in den Kunststoffen enthaltenen Verbindungen können die Umwelt vergiften – vor allem, wenn sie in hohen Konzentrationen vorkommen. Die Vermeidung von Plastikmüll ist deshalb das erste Gebot.

Doch wie wird man die bereits in Seen aufgelösten Plastikverbindungen wieder los? Unter anderem, indem man den natürlichen Mikroben in diesen Gewässern die Arbeit überlässt. Das zumindest legt eine Studie aus Großbritannien nahe, die in der Zeitschrift Nature Communications erschienen ist. Das Team um Studien-Hauptautor Dr. Andrew Tanentzap vom Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität Cambridge untersuchte an 29 Seen in Skandinavien, wie natürlich vorkommende Seebakterien mit Kohlenstoffverbindungen aus Kunststoffen fertigwerden.

Plastik fördert Bakterienwachstum

Die Erkenntnisse, die Tanentzap und Kollegen sammelten, geben Anlass zur Hoffnung. So analysierten die Forscher, dass die aus Plastiktüten gelösten Kohlenstoffverbindungen von natürlichen Seebakterien leichter als Kohlenstoffquelle genutzt werden können als biologisches Material. Demnach wuchsen die Mikroben schneller und effizienter auf den Resten von Plastiktüten als auf natürlichem Material wie Blättern oder Zweigen. Die Wissenschaftler stellten dabei fest, dass sich das Wachstum der Bakterien sogar fast verdoppelte (Faktor 1,72), wenn die Plastikverschmutzung den Gesamtkohlenstoffgehalt im Seewasser um nur vier Prozent erhöhte.

Bakterien bevorzugen Kunststoffverbindungen

Die Studienautoren konnten nachweisen, dass die Seebakterien die aus Kunststoffen gewonnenen Kohlenstoffverbindungen gegenüber natürlichen Kohlenstoffverbindungen klar bevorzugten. Die Forscher vermuten, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass die Verbindungen aus Kunststoffen von den Bakterien leichter abgebaut und als Nahrung verwendet werden können.

Dabei wirken die Kunststoffverbindungen im Seewasser zugleich wie eine Art "Grundierung" für ein schnelleres Wachstum, aber auch als "Apetizer" für andere Kohlenstoffverbindungen. Die Bakterien bauen demzufolge nicht nur das Plastik im See ab, sondern sind danach auch besser in der Lage, andere natürliche Kohlenstoffverbindungen im Seewasser zu verwerten.

Eleanor Sheridan von der Uni Cambridge bereitet ein Experiment vor
Studien-Erstautorin Eleanor Sheridan von der Uni Cambridge bei der Versuchsvorbereitung. Bildrechte: Samuel Woodman

Plastik als Appetitanreger

"Es ist fast so, als ob die Plastikverschmutzung den Appetit der Bakterien anregt. Die Bakterien nutzen zuerst das Plastik als Nahrung, weil es leicht abbaubar ist, und sind dann eher in der Lage, die schwierigere Nahrung – die natürliche organische Substanz im See – abzubauen", erklärt Erstautor Tanentzap. All dies deute darauf hin, dass die Plastikverschmutzung das gesamte Nahrungsnetz in Seen stimuliere, "denn mehr Bakterien bedeuten mehr Nahrung für größere Organismen wie Enten und Fische".

Die Wirkung hängt laut Tanentzap und Kollegen jedoch von der Vielfalt der im Seewasser vorhandenen Bakterienarten ab. So seien Seen mit mehr Bakterienarten besser in der Lage, Plastikverschmutzungen abzubauen, als Seen mit einer geringeren Bakterienvielfalt.

Gezielte Bakterien-Anreicherung

Plastikmüll am Strand 3 min
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Tanentzap und Kollegen schließen aus ihren Studienergebnissen, dass die Anreicherung von Gewässern mit bestimmten Bakterienarten ein natürlicher Weg sein kann, die Umwelt von Plastikverschmutzungen zu befreien. Dabei gilt: Je weniger natürliche Kohlenstoffverbindungen in den Gewässern vorhanden sind, desto mehr Plastik können die Bakterien entfernen, da sie dann weniger Nahrungsquellen haben, die sie von ihrem Plastikverzehr abhalten.

Die Studienautoren warnen allerdings ausdrücklich davor, die Plastikverschmutzung in Süßwasserseen künftig weniger ernst zu nehmen. Sprich: Wer meint, er könne der Umwelt nun Gutes tun, indem er statt Entenfutter Plastemüll in den See wirft, um damit die Seebakterien zu "füttern", der bleibt auch weiterhin ein schlimmer Umweltsünder. Denn Plastikabfall enthält nicht nur Kohlenstoffverbindungen, die von einigen Seebakterien verwertet werden können, sondern eben auch sehr giftige Verbindungen, die schlimme Folgen für die Natur haben können.

(dn)

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https://www.mdr.de/wissen/videos/aktuell/leipziger-umweltforscher-analysieren-plastikmuell-aus-dem-pazifik100.html

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