Ökologische Landwirtschaft Made by Made: Tierfutter aus Insekten
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06. Dezember 2020, 10:00 Uhr
Auch wenn ein Viertel der Menschheit sie regelmäßig isst – in der westlichen Welt sind Insekten als Nahrungsmittel verpönt. Stattdessen landen Lachs, Schwein oder Huhn auf dem Teller. Allesamt Tiere, die natürlicherweise Insekten fressen, heute aber oft mit Sojaschrot oder Fischmehl gefüttert werden, um ihren Eiweißbedarf zu decken. Beides bekanntlich ökologisch fragwürdige Produkte. Ein Leipziger Unternehmen will dies ändern: mit Tierfutter aus Maden.
Es erinnert an Ratatouille, was da aus dem Mahlwerk in die flachen Edelstahlbehälter fällt. Paprika, Möhren, Gurken, Zucchini – kleingeschnitten und bunt durcheinander. Die zweite Ladung besteht aus zerriebenem Brot, Waffeln und Keksen, damit die Mixtur nicht zu feucht ist.
Und auf diesen Stack kommt dann noch eine Kiste Junglarven drauf. Die sind genau abgewogen, damit wissen wir auch, dass diese Junglarven dieses Stack, also diese Wanne, innerhalb ihrer Mastzeit einmal komplett umsetzen können.
Die klimafreundliche Alternative
Kai Hempel ist Geschäftsführer und einer der Köpfe hinter dem Startup "madebymade". Während seines BWL-Studiums stellte er fest, dass es kein Futter aus nachhaltiger Produktion für Aquakulturen gab. Die Idee, es mit Insekten zu versuchen, steuerte der Biologe Jonas Finck bei. Die ersten Versuche mit den Maden der amerikanischen Schwarzen Soldatenfliege starteten in einer Garage im Leipziger Norden.
Davon ist jetzt in der einstigen LPG-Halle in Kitzen südwestlich von Leipzig nichts mehr zu spüren. Dabei leben hier vermutlich Milliarden und Abermilliarden Fliegenmaden. Schließlich passen 72 der mit Gemüsebrei und Brot gefüllten Wannen in einen einzigen Seecontainer.
Die gesamte Konstruktion basiert auf Schiffscontainern. Entweder 20 Fuß oder 40 Fuß. Das heißt, jedes einzelne Modul, das wir brauchen, um eine Industrieanlage im Insektenzuchtbereich zu betreiben, ist modular an einen Seecontainer angelehnt. Und damit haben wir hier die Möglichkeit, nach oben hin offen zu skalieren.
Nachhaltiger Palmölersatz aus Europa
14 Seecontainer passen in die Halle. Noch ist das Leipziger Startup mit den letzten Arbeiten beschäftigt, um dann Anfang 2021 schrittweise die Produktion der Fliegenlarven hochzufahren. Gezüchtet werden sie in einer Halle im Nebendorf Zitzschen. Der Biologe Denis Höfling ist dort der Herr der Fliegen.
Wir stehen jetzt vor einem Flugcontainer der Schwarzen Soldatenfliege. Die meisten hängen oben an den Netzen, dort, wo es schön warm und hell ist. Die werden mit Lichtfallen gefangen im Schlupfcontainer und dann in Kisten rübergebracht. Die Fliegen müssen jetzt erst mal auf die Beine kommen, dann heben die ab. Die Männchen beglücken ihre Weibchen, die Weibchen legen dann irgendwann Eier und auf diese Eier haben wir es abgesehen.
Nach drei Tagen gibt es die ersten Eier, nach zwei Wochen endet das Leben der Schwarzen Soldatenfliege – sie ist verhungert. Denn nur als Maden fressen die Tiere. Die 250 Kilogramm organischen Materials in den Wannen werden von den Maden hörbar schmatzend innerhalb von 14 Tagen vernichtet.
"Nach 14 Tagen bleibt eigentlich gar nichts übrig, außer der Larve", erklärt Denis Höfling. "Und so ein ganz feinpulvriges Material." Das kann als Dünger genutzt werden. Mit Rüttelsieben werden die ein bis zwei Zentimeter großen Larven ausgesiebt. Pro Wanne kommen um die 60 bis 70 Kilo zusammen.
Die Larven werden getrocknet, verlieren dabei einen relativ großen Anteil ihres Körpergewichts – ungefähr zwei Drittel – und werden dann in die Presse gegeben. Da kommt im Endeffekt Presskuchen raus. Das ist dann das Proteinmehl, um das es eigentlich geht, mit bis zu 55 Prozent Proteinanteil. Und nebenbei kommt noch ein Drittel Fette und Öle dabei raus. Das ist tatsächlich sehr zu vergleichen mit Palmöl und auch für ähnliche Anwendungen nutzbar, nur eben nachhaltig hergestellt in Europa und nicht angebaut auf Palmölplantagen in Südostasien.
Akzeptanz von Insektenessen nur bei uns niedrig
Das Öl enthält viele der gesunden, mehrfach ungesättigten Fettsäuren und riecht leicht nussig. So wie das Insektenmehl, aus dem man beispielsweise Nudeln herstellen könnte – theoretisch. In der EU ist eine derartige Nutzung nicht erlaubt. Seit BSE darf tierisches Mehl ausschließlich als Futter in Aquakulturen verwendet werden
Diese indirekte Aufnahme von Insekten über Tierfutter findet eigentlich nur in der westlichen Welt statt, weil die Akzeptanz der Bevölkerung zu niedrig ist, um Insekten direkt zu essen. Momentan befinden wir uns in einer Situation, in der zwei bis 2,5 Milliarden Menschen von Insektenprotein leben. Eben nur nicht hier, auf unserer Seite der Erdkugel.
Auch das Futter für die Fliegen ist streng reglementiert. Gülle und Mist, die der Soldatenfliege beispielsweise in China als Nahrung dienen, sind in Europa verboten.
Gerade Trockenkot von Hühnern funktioniert super. Theoretisch gehen auch menschliche Fäkalien und das, was aus der Biogasanlage kommt. Es geht eigentlich fast alles, bei Fleisch etwa auch Schlachtabfälle. Das ist aber aufgrund der BSE-Richtlinien in Europa nicht zugelassen und wir machen es auch nicht.
Anlage bei Leipzig soll weiter wachsen
Es gibt auch so genug Abfälle von Großbäckereien oder Gemüseverarbeitern, um die in Kitzen angestrebten 300 Tonnen Tierfutter herzustellen.
Die Weltgesundheitsorganisation sagt, dass wir bis 2050 280 Millionen Tonnen zusätzliche Proteine erzeugen müssen, um die Weltbevölkerung zu ernähren. Was für eine Art von Protein, ist dabei erstmal egal. Pflanzliche Proteine verwenden wir jetzt schon auf 80 Prozent aller Anbauflächen, um dann Futtermittel herzustellen. Insekten gelten tatsächlich als eine der Möglichkeiten, um aus Stoffen, die keine Anwendung finden, wieder neue Proteine zu erzeugen.
Das Leipziger Startup plant, in den nächsten fünf Jahren vier weitere Anlagen zu errichten. Die modulare Bauweise in Schiffscontainern macht es schnell möglich. Und die Nachhaltigkeit spricht in jedem Fall für Tierfutter aus Maden.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 06. Dezember 2020 | 09:15 Uhr
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