Evolution Frau aus Tschechien: Ältestes Genom eines modernen Menschen entschlüsselt
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08. April 2021, 13:26 Uhr
Wissen Sie, von wem Sie abstammen? Also klar, von ihren Eltern – aber so ganz global und historisch betrachtet? Die Geschichte der Menschheit fasziniert auch die Forschung. Denn sie ist wie ein Puzzle mit großen Löchern, und immer neue Puzzleteile erweitern das Bild – meist in Form von Knochenfragmenten oder Zähnen. Aus so einem vollständig erhaltenen Schädel haben Forscher nun das Genom einer Frau von vor mehr als 45-tausend Jahren entschlüsselt.
Alles begann im Jahr 1950: In einer Höhle südwestlich von Prag wurde ein menschlicher Schädel gefunden. Und schon damals glaubte man, dass es sich um einen sehr alten Skelett-Überrest handeln musste. Doch bei der genauen Bestimmung des Alters lieferten die üblichen Methoden keine plausiblen Ergebnisse. Deshalb haben sich die Tschechen an Fachleute in Deutschland gewandt. Die arbeiten zum Beispiel am Max-Planck-Institut (MPI) für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, dem MPI für Menschheitsgeschichte Jena und der Uni Tübingen. Sie sollten das genaue Alter mit Hilfe einer Genanalyse bestimmen, erzählt der Bioinformatiker und Evolutionsgenetiker Kay Prüfer, der jetzt am MPI Leipzig forscht. "Und so ging das los. Wir haben Material extrahiert, dann DNA extrahiert direkt von dem Schädel und haben dann das Genom sequenziert."
Das Geheimnis der Knochenreste
Denn selbst tausende Jahre nach dem Tod eines Menschen finden sich in den Knochenresten noch Fragmente seines Erbguts. Aber was kann die DNA über das Alter verraten? Da hilft unser Wissen über die Neandertaler, erläutert Prüfer. Denn wir alle haben bis heute zwei bis drei Prozent Neandertaler-DNA in unserem Erbgut. "Das geht zurück auf eine Vermischung mit Neandertalern, die wahrscheinlich relativ kurz nachdem sie aus Afrika rausgekommen waren im Nahen Osten gelandet sind", erklärt Prüfer weiter.
Neandertaler-DNA verrät Alter
Und diese Vermischung ermöglicht es den Genetik-Spezialisten die Knochen grob zu datieren. Denn bei jeder Fortpflanzung werden die Chromosomen von Mutter und Vater vermischt. Diese Rekombination sorgt dafür, dass die Neandertaler-DNA von Generation zu Generation immer weniger werde.
Weil das so ist, können wir uns quasi anschauen, wie lang diese Fragmente sind, die wir vom Neandertaler in diesem Genom finden und dann zurückrechnen, wie lange nach der Vermischung mit Neandertalern ein Individuum gelebt hat. Da kam raus, dass es 60 bis 80 Generationen nach der Vermischung gelebt hat.
Genom ist das älteste eines modernen Menschen
Das bedeutet, dass der Schädel einer Frau mindestens älter als 45.000 Jahre sein muss und sogar noch ein paar tausend Jahre älter sein könnte. Das Genom aus Tschechien ist damit das älteste eines modernen Menschen – eines Homo sapiens – das bisher jemals entschlüsselt worden ist. Und dennoch: Die Frau ist trotzdem nicht unsere Vorfahrin. Denn die Linie, zu der sie gehört, war eine frühere, die ausgestorben sein muss. Aber warum? Ein Grund könnte ein extremer Ausbruch des Vulkans Vesuv gewesen sein, bei dem es noch im Gebiet des heutigen Russland Asche regnete.
Heftiger Vulkanausbruch
"Es gibt einen großen Vulkanausbruch in Italien, der vor 39.000 Jahren passiert ist und von dem wir wissen, dass er das Klima stark geändert hat", so Kay Prüfer. "Die Temperaturen sind damals wahrscheinlich um mehrere Grad Celsius zurückgegangen. Dieser Ausbruch könnte zumindest ein Beitrag gewesen sein zum Aussterben der Neandertaler und vielleicht auch dieser Menschengruppe, die wir jetzt nicht mehr repräsentiert sehen."
Zwei Gruppen des Homo Sapiens
Vor 45.000 Jahren müssen also mindestens zwei Gruppen des Homo Sapiens in Europa gelebt haben. Die genetischen Vorfahren von uns heutigen Menschen gehören nämlich zu dieser zweiten Gruppe. Aktuelle Forschungsergebnisse von Prüfers Fachkollegen am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Jena zeigen nämlich, dass wir heutigen Menschen ihre Gene tragen – interessanterweise vor allem in Ostasien und nicht vorrangig in Europa. Auch da gibt es also noch viele Fragezeichen. Für noch mehr Antworten wollen die Forschungsteams jetzt ihre Daten zusammenbringen und miteinander vergleichen.
Links zu den Studien
Die Forschungserbebnisse sind in zwei Studien veröffentlicht worden, die beide in "nature" erschienen sind.
Mateja Hajdinja et al. Initial Upper Palaeolithic humans in Europe had recent Neanderthal ancestry und
Kay Prüfer, Cosimo Posth et al. A genome sequence from a modern human skull over 45,000 years old from Zlatý kůň in Czechia.
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