Luftstudie Angst im Kino kann man riechen
Hauptinhalt
30. Oktober 2019, 17:33 Uhr
Im Kino riecht's nicht nur nach Popcorn. Forscher haben nachgewiesen, dass man an der Raumluft in Kinosälen die Emotionen des Publikums ablesen kann. Wird die Luft also zum Indikator für Altersfreigaben für Filme?
Egal, ob "Psycho", "Schweigen der Lämmer" oder "Saw" – viele Thriller haben sich mit ihren Schockmomenten ins gesellschaftliche Film-Gedächtnis eingebrannt. Egal, ob wir Angst haben oder lachen – unsere Emotionen liegen im wahrsten Sinne des Wortes in der Luft, wie ein Forschungsteam um Jonathan Williams am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz herausgefunden hat. Sie haben die Luftveränderung in Kinosälen während Filmvorführungen alle 30 Sekunden gemessen und analysiert. Dabei zeigte sich:
Eine Chemikalie, die sehr gut geeignet ist und diese spannenden Momente besonders gut markiert, ist Isopren. Und Isopren haben wir immer gesehen, wenn ein Gefecht ausbricht oder ein Held oder eine Heldin plötzlich in Gefahr kommt. Da sehen wir die Reaktion vom Publikum. Das emittiert kurzfristig mehr Isopren als normal und das sehen wir in unseren Ergebnissen als 'Peak'.
Isopren ist ein Kohlenwasserstoff, den der menschliche Körper im Muskelgewebe einspeichert. Spannen sich unsere Muskeln an, setzen wir die Chemikalie über die Atmung und die Haut frei. Studienautor Jonathan Williams vermutet: "Offenbar rutschen wir im Kinosessel unwillkürlich hin und her oder spannen Muskeln an, wenn wir nervös und aufgeregt sind."
Die chemischen Aufzeichnungen zeigen parallel zum Film, dass spannende Momente auf der Leinwand zeitgleich mit den Isopren-"Peaks" in der Luft auftreten - und zwar auch, wenn man den gleichen Film, wie in der Studie zum Beispiel den Thriler "Machete kills" einem anderen Publikum zeigt: Die "Peaks" traten an der gleichen Stelle auf.
Neues Kriterium für Filmfreigabe?
Genau das macht die Studie so spannend wie die wissenschaftliche Untersuchung von Filmen. Wenn in die "Tribute von Panem" Todesgefahr droht, steigt der Isoprengehalt in der Raumluft. Wenn Kinder bei "Hilfe, ich habe meine Lehrerin geschrumpft" in den Sesseln lümmeln, passiert auch in der Luft nicht viel, haben die Wissenschaftler herausgefunden.
Aber welche Schlüsse ziehen die Forscher aus ihren Beobachtungen? Jonathan Williams denkt, dass seine Studie Einfluss auf die Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (kurz FSK) haben könnte. Zum Beispiel, wenn ein FSK-Rating umstritten ist:
Ich sage mal: Ein Regisseur ist der Meinung, der Film sollte ab zwölf Jahren zugelassen sein und in Wiesbaden das FSK-Rating-Team sagt, 'nein, dieser Film sollte erst ab 16 Jahren zugelassen sein'. Das wäre so eine Folgerung von unseren Messungen. Vielleicht irgendwann in der Zukunft, kann man tatsächlich ein Filmrating herausgeben mit Isopren- oder Kohledioxydeinheiten, aber ich glaube, so weit sind wir noch nicht.
lfw