Verkündigungssendung Das Wort zum Tag bei MDR SACHSEN | 13.-18.05.2024
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Täglich hören Sie das Wort zum Tag. Montags bis freitags gegen 5:45 Uhr und 8:50 Uhr, am Sonnabend gegen 8:50 Uhr, sonntags 7:45 Uhr. Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche Dr. Harald Lamprecht, am Sonntag Kaplan Przemek Kostorz.
Sonnabend, 18.05.2024: Manipulation & authentische Begegnung
Werden Sie gern manipuliert? Welch komische Frage, natürlich nicht. Und doch geschieht es ständig – und oft noch mehr, als viele denken. Klar, da ist die Werbung. Dann sind da noch die sogenannten sozialen Medien. Sie bieten viele schöne Möglichkeiten der Kontaktaufnahme, der schnellen Information, des Austauschs über dies und jenes. Es macht Spaß, da dabei zu sein, sich zu beteiligen, selbst etwas zu schreiben und die Reaktionen zu lesen. Nun sind Menschen soziale Wesen. Die meisten wollen mit ihrer Umgebung möglichst in Harmonie übereinstimmen. Zustimmung ist erfreulich. Deshalb passen wir uns an. Menschen schreiben in den Facebook- und Telegram-Gruppen oft das, was sie denken, dass die anderen es dort hören oder lesen wollen, denn sie wollen positive Rückmeldungen bekommen. So formen diese Medien mit, wie wir denken und fühlen.
Das Problem: Viele der Beiträge dort stammen gar nicht von realen Menschen, sondern von Programmen. Sogenannte Bots täuschen vor, ein Mensch zu sein und posten selbst Beiträge in den Netzen. Es gibt Tausende Fake-Accounts, die nur von wenigen Manipulatoren gesteuert werden. Die neuen Techniken mit sogenannter "Künstlicher Intelligenz" vergrößern das Problem noch. Ich habe im Internet Bilder von sogenannten Click-Farmen gesehen. In endlosen Regalen liegen hunderte Smartphones, die ferngesteuert ständig Webseiten abrufen und z.B. Klickzahlen bei Youtube manipulieren. Manche tun dies aus kommerziellen, andere aus politischen Gründen. Es gibt Berichte, dass viele solcher Manipulationen von Russland aus gesteuert werden, um unser demokratisches System zu zersetzen.
In meiner Kirchgemeinde, im Freundeskreis, bei Arbeitskollegen treffe ich auf reale Menschen. Mit denen kann ich mich austauschen. Wir haben zwar auch nicht alle eine Meinung. Aber dort bin ich mir sicher: Das sind keine Bots, die sind nicht ferngesteuert, sondern authentisch. Menschen verdienen unser Vertrauen. Digitale Medien nur mit großer Vorsicht.
Freitag, 17.05.2024: Das Toleranz-Paradox
Kennen Sie Herrn Popper? Nun, die meisten Hörerinnen und Hörer kennen ihn sicherlich nicht persönlich, aber manche haben vielleicht schon von ihm gehört. Ich rede von Karl Popper, einem sehr klugen Philosophen, der aus Österreich stammte und 1994 in London gestorben ist. Von ihm stammt die Erkenntnis des sogenannten Toleranz-Paradoxon. Worum geht es?
In einer Gesellschaft, in jeder Gruppe von Menschen, finden wir verschiedene Meinungen und Überzeugungen. Damit wir es miteinander aushalten, brauchen wir Toleranz: Diese Mischung aus Gelassenheit und Geduld, die das Miteinander ermöglicht. Die Toleranz erlaubt es mir, Dinge auszuhalten, die andere sagen oder tun, obwohl ich es anders sehe. Das Gegenteil ist die Intoleranz: Jene Unduldsamkeit, die nur die eigene Auffassung gelten lassen will. Sie verweigert sich einer von Vernunft geleiteten Auseinandersetzung. Sie ruft zur Gewalt gegen Menschen auf, die anders sind oder denken.
Das Toleranz-Paradoxon besagt nun: Uneingeschränkte Toleranz führt zwangsläufig zum Verschwinden der Toleranz. Sie muss Grenzen haben, sonst gibt es sie bald nicht mehr. Wenn unsere Toleranz so groß ist, dass sie sich auch auf die Intoleranten erstreckt und wir sie gewähren lassen, dann werden diese die Toleranz vernichten.
Es gibt viele, die sich für eine tolerante Gesellschaft einsetzen. Menschen mit verschiedenen Hautfarben, anderen Prägungen, aus mehreren Religionen – sie alle sollen friedlich miteinander leben können. Mit Respekt und Rücksicht füreinander und mit möglichst viel Freiheit. Rechtsextremisten bekämpfen diese Toleranz. Sie fordern ein homogenes Volk, lehnen andere Kulturen ab, verbreiten Rassismus. Es ist notwendig, solche rechtsextreme Intoleranz nicht gewähren zu lassen – im Namen der Toleranz! Das hat Karl Popper sehr deutlich beschrieben. Mutig intolerant sein, damit Toleranz bewahrt werden kann – so kann es gelingen, dass alle gut miteinander leben können.