Dienstag, 11.07.2023: Seliges Vergessen

Wo habe ich wieder meinen Schlüssel hingelegt???  Und dann geht immer die große Suche los! In solchen Momenten hat meine Oma immer gesagt: „Junge, du wirst irgendwann deinen Kopf vergessen. Bete zum heiligen Antonius, er wird helfen.“.  Damit meinte sie den Heilige Antonius von Padua. Bei uns Katholiken ist der Heilige Antonius sehr beliebt. Er trägt nämlich den Spitznamen „Schlamper-Toni“, weil er unter anderem als der Patron der Vergesslichen gilt. In vielen Kirchen findet sich deshalb eine Antonius-Figur mit Kerzenständer und meistens gut gefülltem Opferstock. Ein wichtiger Ort eben für alle, die etwas verloren oder vergessen haben.

Przemek Kostorz 2 min
Bildrechte: Przemek Kostorz
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gesprochen von Kaplan Przemek Kostorz

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Di 11.07.2023 05:45Uhr 02:26 min

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Natürlich ist es sehr ärgerlich, wenn wir etwas Wichtiges oder Notwendiges verloren oder vergessen haben und es beim besten Willen nicht wiederfinden können.

Es gibt aber noch eine andere Seite des Vergessens. Das nennt man in der christlichen Tradition das „selige Vergessen“. Dieses ist nicht ärgerlich, sondern hilfreich und manchmal sogar heilsam. Wenn man einem Freund oder dem eigenen Partner einen Streit oder eine ärgerliche Situation nicht nur verzeiht, sondern es später auch noch vergisst, dann stärkt das die Freundschaft und die Beziehung. Ständig Dinge nachzutragen und es regelmäßig in Erinnerung rufen, das gilt dann als nachtragend und legt einen Skepsis-Schatten auf das gute Miteinander.

„Schwamm drüber“ könnte man auch sagen. Es ist passiert. Keiner ist perfekt. Das meint, ich habe es dir nicht nur verziehen, sondern ich möchte auch mich selbst nicht mehr damit belasten.

Das selige Vergessen ist auch wichtig, wenn man z.B. Urlaub macht. Da ist das „Abschalten-können“, den Arbeitstag eine Weile vergessen, nicht nur wichtig, sondern sogar notwendig, um sich gut zu erholen. Da kann das „selige Vergessen-können“ wirklich heilsam werden!

Wenn Sie also jetzt im Sommer eine Kirche besuchen und eine Antonius-Figur entdecken, dann machen Sie ruhig bei ihm eine Kerze an. Jeder hat etwas, was er inzwischen ruhig vergessen könnte. 

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

Kurzbiografie Dr. Harald Lamprecht

Dr. Harald Lamprecht

geboren 1970 in Dresden | verheiratet, drei Kinder | 1990 Theologiestudium in Leipzig, Göttingen und Halle | 1996 Wiss. Mitarbeiter am Institut für Ökumenik, Konfessionskunde und Religionswissenschaft der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg | 1999 Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes, Landesverband Sachsen

Kurzvita Kaplan Przemek Kostorz

Kaplan Przemek Kostorz

geboren und aufgewachsen in Polen (Schlesien) | 2006-2011 Studium der katholischen Theologie an der Uni Oppeln | 2014 Priesterweihe in Dresden | Seitdem in Leipzig, Bautzen und Dresden als Kaplan, Kinder- und Jugendseelsorger tätig. | Im März 2021 zum Malteser Diözesanseelsorger für das Bistum Dresden-Meißen ernannt.

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.