Mittwoch, 12.02.2025: Erinnerung
"Man sollte ihnen keine Träne nachweinen!" Kommen ihnen manchmal auch so Erinnerungen hoch. Ich brauche dazu keine Jahrestage. Die kommen und gehen. Bei mir sind es oft aktuelle Alltagserfahrungen, die bestimmte Erinnerungen tief aus der Versenkung hochholen.
Sind diese Erinnerungen lebendig, dann verbinden sich vermutlich einschneidende Erfahrungen damit, oder wenn sie positiv sind, wunderbare Gefühle. Nun, Letzteres ist es bei diesem Satz nicht "Man sollte ihnen keine Träne nachweinen!".
Diesen Satz sagte Erich Honecker am 1. Oktober 1989 in der Aktuellen Kamera, - für die Jüngeren: Das war sowas wie die Tagesschau der DDR. Am nächsten Tag stand dieser Satz in jeder Zeitung. Honecker sagte ihn mit Blick auf die Flüchtlinge, die über die Prager Botschaft per Zug nach Westdeutschland flüchteten. Es waren schon Zehntausende davor und es wurden noch mehr.
Was mich beschäftigt, ist die Wortwahl. Wir abgrundtief menschenverachtend muss ein Mensch über seine Mitmenschen denken und fühlen, wenn er diesen Satz sagt. Wie selbstherrlich und zugleich ratlos musste er sein.
Und ohne jegliches Interesse, was Menschen bewegt, die einfach nach einem guten Leben suchen. "Man sollte ihnen keine Träne nachweinen!" Warum kommt mir diese Erinnerung in den Sinn? Ich habe diesen Satz eigentlich in meiner Nähe nie wieder gehört seit 1989, aber das damit verbundene Gefühl wahrgenommen, dass Menschen andere Menschen nicht wollen.
Und nicht einmal fragen, wer bist du und was ist deine Sehnsucht, sondern einfach nur sagen: Hau ab. Ich weiß nicht, ob es ein Trost ist, wenn ich sage: So ist Gott nicht. Aber eine Erinnerung ist es wert.