Dienstag, 25.07.2023: Kreative Momente
"Ich seh' etwas, was du nicht siehst. Und das sieht gelb aus." Die Kinder hinten im Auto machen das Beste aus ihrer Langeweile. Hochkonzentriert sehen sie auf die vorbei zischende Landschaft. Einer pickt sich einen markanten Punkt heraus. Ein Schild, ein Dach am Horizont, ein Auto, das vorausfährt. Dann sagt er oder sie den Spruch auf. Anschließend geht es um Tempo. Ist es dies oder das oder etwas ganz dort hinten. Die Kinder sprechen so schnell sie können. Sie wollen unbedingt den richtigen Gegenstand benennen, bevor er vorbeigerast ist. Sind dicht dran an dem, was sie tun. Hochkonzentriert gehen sie ganz in diesem Moment auf. Sie sind was sie tun und sie tun, was sie sind. Das Zeitgefühl verändert sich. Es gibt nur noch das Hier und Jetzt. Die Kinder sind im Fluss, im Flow, wie man heute sagt.
Diese Erfahrung ist kein Privileg der Kindheit. Sie gibt es auch beim Lernen, beim Arbeiten, beim Reden. Dann entstehen mit großer Leichtigkeit die besten Ergebnisse. Künstlerinnen und Erfinder haben in solchen Momenten ihre kreativen Eingebungen. Sie würden anschließend sagen: bisher unbekannte Möglichkeiten in mir haben sich gezeigt. Ich habe mich konzentriert und hart gearbeitet, aber es bleibt das Gefühl, mir ist auch etwas zugeflogen.
Mir kommt ein Gedanke des christlichen Denkers Meister Eckardt in den Sinn. Der war Ende des 13. Jahrhunderts Mönch in Erfurt. Für ihn war ein kreatives Ereignis, eine wahre Erkenntnis kein Schritt ins Unbekannte, sondern ein Wiedererkennen. Er sagte: „Die Leute brauchten nicht soviel nachzudenken, was sie tun sollten; sie sollten vielmehr bedenken, was sie seien.“ Bevor wir denken sind wir schon. Als Kinder Gottes tragen wir ein Bild des Vaters in uns. Es ist ein meist verborgener Teil von uns. Nach ihm sehnen wir uns ein Leben lang zurück. Wer im Flow ist, der findet dazu Zugang. Tun und Denken und Sein verschmelzen. Das sind wunderbare Momente.