Mittwoch, 26.07.2023: Atempause
Vor einer Woche musste sich Barbara ein paar Tage frei nehmen. Ihre Chefin hatte sie angesehen, den Kopf geschüttelt und nach Hause geschickt. Sie sähe nicht gut aus. Es wäre gerade weniger zu tun, da könne sie ganz entspannt Urlaub nehmen. Jeder brauche einmal Ruhe, nur Zeit für sich.
Das war sicher gut gemeint. Barbara weiß selbst um ihre Augenringe und die Nervosität, nachdem sie monatelang durchgearbeitet hat. Dennoch hielt sich ihre Begeisterung in Grenzen. Was sollte sie zu Hause machen? Die Kolleginnen hatten schon vor Monaten gebucht und lagen nun mit ihren Familien irgendwo am Strand. Die Kinder spielen im Sand. Der Mann packt das Picknick aus. Heile Welt. Furchtbar für sie. Das hatte sie alles nicht. In den ersten Tagen war Barbara noch aufgesprungen, wenn jemand über das Dienst-Handy anrief. Dabei froh, laut in die Stille hinein sprechen zu können. Jetzt sitzt sie auf ihrem Sofa und starrt die Wand gegenüber an. Das Dienst-Handy macht immer noch "ping". Alle sind gewöhnt, dass sie stets erreichbar ist. Irgendwer will etwas von ihr und kann nicht verstehen, dass sie nicht antwortet. Ihre Hand geht zu dem aufdringlichen Ding. Sie drückt auf den seitlichen Knopf und schaltet es ganz ab.
"Es gibt nichts Radikaleres als die Ruhe." Das ist ein Satz der Benediktiner-Nonne Mirjam Grote. Barbara hat ihn vor ein paar Wochen als Überschrift über einem Zeitungsartikel gelesen. Die Worte, die sie damals schnell überblätterte, klingen nun in ihr nach. Sie beginnen zu reifen. Sie meditiert sie. Ohne den Artikel gelesen zu haben, ahnt sie, was gemeint ist. Sie spürt, wie sich ihre Gedanken verschieben. Wie sie sich plötzlich fragt, was sie will, was ihrem Leben Sinn gibt und wer sie für andere sein möchte. Barbara spürt, wie Gott wieder Wohnung in ihr nimmt. Dann steht sie auf, zieht sich ihre Schuhe an und geht hinaus in den Park. Sie will sich umsehen unter den Menschen.