Verkündigungssendung Das Wort zum Tag bei MDR SACHSEN | 24. - 30.07.2023
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Täglich hören Sie das Wort zum Tag. Montags bis freitags gegen 5:45 Uhr und 8:50 Uhr, am Sonnabend gegen 8:50 Uhr, sonntags 7:45 Uhr. Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche Lüder Laskowski, am Sonntag Pfarrer Dr. Andreas Martin.
Sonntag, 30.07.2023
Sonnabend, 29.07.2023: In Verbindung
"Ich denke an dich!" Es sind nur vier Worte, die da im Display des Telefons aufleuchten. Aber sie bewirken Wunder, wenn ich sie lese. Mich durchströmt dann ein wohliges Gefühl. Die Vorstellung ist schön. Außer Sichtweite, vielleicht sogar unerreichbar weit entfernt, denkt jemand an mich. Der Abstand schrumpft plötzlich soweit, dass ich die Wärme auf der Haut spüre, die die Absenderin oder der Absender im Herzen hat.
Mit diesem Satz verhält es sich, wie wenn man gekitzelt wird. Das funktioniert nur, wenn es ein Anderer macht. Man kann sich nicht selbst kitzeln. Zumindest ist der Effekt doch deutlich geringer. Die Nachricht, dass jemand an mich denkt, kommt für ihre volle Wirkung ganz aus freien Stücken. Erzwingen kann ich sie nicht. Mir selbst zusagen kann ich sie aber auch nicht. Am anderen Ende muss jemand eigenständig die Entscheidung treffen und mich in sein Herz sehen lassen. Was ich kann, ist von meinem Bedürfnis zu sprechen. Dem Gegenüber einen Stups zu geben. In aller Freiheit. "Ich brauche es gerade ganz dringend, dass du an mich denkst", schreibe ich dann. Dieses Geständnis ist ganz nah dran an der erhofften Antwort. Solche Worte fühlen sich beim Lesen meist gar nicht so anders an als die Nachricht, die zurückkommen soll: "Ich denke an dich!".
"Gedenke aber meiner nach deiner Barmherzigkeit, um deiner Güte willen!" (Psalm 25,7b) Wenn ich diesen Satz aus einem Gebet zu Gott in der Bibel lese geht es mir ähnlich. Auch in diesen Worten liegt unter dem eingestandenen Bedürfnis eine ganze Portion Vertrauen. So eine Mitteilung kann ich wirklich nicht jedem schicken und will es auch gar nicht. Wer sie bekommt, dem traue ich zu, die große Entfernung, die gerade zwischen uns ist, zu überwinden. Mit der Kraft der zwei Herzen sozusagen. Ich merke, dass ich dringend solch eine Verbindung der Gedanken und Herzen brauche. Heute ist ein guter Morgen, um das einmal auszuprobieren. Wo ist mein Telefon? Ich probiere es aus.
Freitag, 28.07.2023: Gegenüber
Der Neue im Garten nebenan sieht anders aus. Dunkle Locken, volles Haar, schwarze Augen. Hartmut hat schon ein paar mal über die Hecke gelunscht. Seit Tagen hackt und gräbt der unbekannte Mann. Er hat viel zu tun. Der Garten stand lange leer. Büsche und Unkraut haben sich ausgebreitet. "Bisher gibt es ja nichts zu meckern", sagt sich Hartmut. "Aber wer weiß, was da noch kommt." Am Abend kommt nicht etwas, sondern jemand. Eine Frau im langen schwarzen Rock bringt zwei Kinder mit. Einen Jungen und ein Mädchen. Der Geräuschpegel steigt. Die Kinder haben einen Ball. Hartmut runzelt die Stirn. "Wusste ich es doch. Das kann ja heiter werden." Er stapft mit Nachdruck über den Rasen und will zur Hecke. Das Wühlmausloch im Boden hat er nicht gesehen. Aber den stechende Schmerz, als sein Fuß darin umknickt, den spürt er wohl. Eine halbe Stunde sitzt er auf der Wiese und reibt sich den Knöchel. Es wird langsam dunkel.unruhig. Soll ich die fremden Nachbarn um Hilfe rufen oder nicht?
Im biblischen Buch des Predigers stehen für solch eine Situation Sätze, die eigentlich eine Binsenweisheit sind: "Zwei sind besser dran als einer allein! Denn zu zweit geht die Arbeit leichter von der Hand. Und wenn einer von beiden hinfällt, hilft ihm der andere wieder auf die Beine." (Prediger 4,9-10) Diese Worte gewinnen an Gewicht, weil sie schon vor über 2.300 Jahren in die Bibel aufgenommen wurden. Ein Weisheitslehrer hat sie gesammelt und mit anderen Sprichwörtern zusammengefügt. Also sind sie sicher noch viel älter, wurden vorher schon über Generationen weitererzählt. Im landwirtschaftlich geprägten alten Israel könnten diese Sätze genau auf so eine Situation hin gesprochen worden sein. Denn Gärtner gab es, Wühlmauslöcher auch und Fremde ebenso.
Ich weiß nicht, wie die Geschichte von Hartmut und seinen neuen Nachbarn ausgeht. Aber ich wüsste, was er tun könnte. Was meinen Sie?
Donnerstag, 27.07.2023: Das Gute tun
"Wo soll das nur hinführen?" In den letzten Monaten höre ich diese Frage so oder in Variationen immer öfter. Die Rentnerin spricht sie überraschend aus, nachdem sie mir eben noch mit leuchtenden Augen von ihren Enkeln erzählt hat. Der Bauarbeiter stellt sie, nachdem wir über den Fortgang des Projektes gesprochen haben, an dem er gerade arbeitet. Die Lehrerin, mit der ich am Rande eines Schulfestes gerade gescherzt habe, atmet tief durch und seufzt ähnliche Worte. Ich höre sie auf der Straße, bei Familienfeiern, in der Sakristei vor dem Gottesdienst, am Telefon mit Freunden, in Versammlungen. Die Unsicherheit ist zu greifen und die Ratlosigkeit kippt in Verzweiflung.
In solchen Zeiten ist die Versuchung groß, sich auf Kosten anderer wichtig zu machen. Kräfte gewinnen an Zulauf, die aus einer Mischung aus Ignoranz und falschen Versprechungen Nektar ziehen. "Die da sind schuld." "Räumt endlich mal jemand so richtig auf." Auch den Satz, man müsse diese oder jenen an die Wand stellen, habe ich in letzter Zeit öfter gehört. Der Ton wird rauer und aus der Geschichte wissen wir, wie schnell aus bösen Worten Taten werden können. Wenn ich das sehe und höre liegt mir auch die sorgenvolle Frage auf der Zunge: "Wo soll das nur hinführen?"
Letztens ist mir unerwartet in der Bibel ein Vers begegnet, den ich seitdem nicht wieder aus dem Kopf bekomme. Er ist deftig. Erst recht in der Übersetzung Martin Luthers. In einem Brief steht der kernige Satz: "Denn das ist der Wille Gottes, dass ihr durch Tun des Guten den unwissenden und törichten Menschen das Maul stopft." (1. Petr 2,15) Mit den unwissenden und törichten Menschen sind diejenigen gemeint, die das Gute als Spinnerei, als Naivität, als Träumerei anschwärzen. Mit dem "Guten" ist auf das Vorbild Jesu verwiesen. "Wo soll das nur hinführen?" Wir wissen es weder damals noch heute. Aber ich glaube fest daran, dass mir der Vers in genau dieser Stimmung nicht zufällig in den Blick gekommen ist.