Dienstag, 03.09.2024: Sorge in der Zeit
"Wir müssen Mehl kaufen" höre ich meine Großmutter zu meinem Großvater sagen. Nichts Ungewöhnliches würde ich denken, wenn ich nicht kurz zuvor am Schrank gewesen wäre und wüsste, dass noch mindestens sechs Kilo Mehl in Tüten in eben diesem Schrank stehen.
Doch für meine Großmutter sind sechs Tüten Mehl die Zahl, bei der es spätestens gilt nachzukaufen. Bei genauerem Nachdenken kann ich mich nicht erinnern, jemals weniger als sechs Tüten im Vorratsschrank gesehen zu haben. Sie sorgt immer vor.
Als Kind der Kriegszeit weiß sie, was es heißt zu hungern. Die Vergangenheit bestimmt ihr Verhalten für die Zukunft. Wenn es ums Essen geht, mag sie keine unschönen Überraschungen. Besuch, ob angemeldet oder nicht, wird mit selbstgebackenen Kuchen versorgt, und zwar so viel, dass es für alle reicht. Eingefrorenes Brot und eingeweckte Früchte gehören ebenso zum Grundbestand von Nahrungsmitteln bei meiner Oma. Sie ist auf alles eingestellt, sie sorgt vor.
"Lieber haben als hätten" war ihr Motto. "Man weiß ja nie…" Beim Verhalten meiner Großmutter fallen mir immer die klugen Jungfrauen ein. (Mat 25, 1-13) Jesus erzählt von ihnen als Beispiel guter Vorsorge. Zu einer Hochzeit eingeladen hat die Hälfte Öl für die Lampe in der Nacht besorgt. Die andere Hälfte nicht. Als es Zeit wird, dem Bräutigam entgegenzugehen, haben nur die einen genug Licht und schaffen es zur Hochzeit.
Meine Großmutter hat ihren Vorrat an Lebensmitteln selbst bestimmt. Sie hat gut vorgesorgt. Aber ich habe sie nie besorgt erlebt. Das ist ein Unterschied. Jesus rät an anderer Stelle ausdrücklich davon ab, sich von den Sorgen auffressen zu lassen. (Mat 6, 31) Gut vorsorgen aber scheint geboten. Diese Unterscheidung möchte ich mir gern zu eigen machen.