Mittwoch, 04.09.2024: Erwachsenes Leben
Die Schüsseln stehen auf dem Tisch. Teller, Servietten und Besteck sind ordnungsgemäß verteilt. Die Speisen dampfen in ihren Behältnissen. Wem dürfen wir zuerst auftun? Wie durch einen lautlosen Startschuss aufgefordert, greifen wir Kinder nach Kelle und Schöpflöffel, und sehen uns fragend um. Dabei ist es uns wichtig, den anderen zuerst zu geben. Es geht nicht darum sich selbst an erster Stelle zu bedienen. Denn so machen das die Erwachsenen, und Erwachsen-Sein wollen wir natürlich auch.
Als Kinder haben wir das Verhalten unsere Eltern kopiert. Es war ganz einfach zu verstehen. Der Nachwuchs wurde zuerst versorgt, dann kamen die anderen dran. Für mich ist das bis heute aber immer noch ein Stück größer. Es geht über das Verwandtschaftsverhältnis hinaus.
Die Szene aus meiner Kindheit und Jugend hat sich als Bild für eine bestimmte Geisteshaltung eingeprägt. Nicht zuerst auf den eigenen Teller schauen und dafür sorgen, dass der gut gefüllt ist. Sondern danach sehen, dass die Teller um mich herum nicht leer bleiben. Für mich ein Inbegriff für erwachsenes Leben.
"Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener." (Mk 10,43), hat Jesus seinen Jüngern mitgegeben. Eine Einstellung, die erlernt, eingeübt werden muss. Die Fähigkeit von sich selbst abzusehen und andere in den Bick zu nehmen. Ich begreife sie bis heute als einen Schritt auf dem Weg des Erwachsenwerdens.