Mittwoch,12.04.2023: "Mann oder Frau im Radio sucht Gott"

"Leo: Hallo Sie. Hören Sie mich? Ich spreche aus dem Radio zu Ihnen aber ganz ehrlich – ich sitze nicht drinnen. Sie können mich ja mal suchen, schrauben sie am besten die Kiste auf, vergessen sie nicht vorher den Netzstecker zu ziehen. Ja und dann werden sie mich irgendwo finden – oder. Na, haben sie mich???"

Okay, Leo, das kannst du vielleicht noch Deiner kleinen Schwester weiß machen, dass im Radio kleiner Sprechermännlein sitzen, aber den Erwachsenen vor dem Radio doch nicht.

"Leo: Schade, allerdings glaube ich manchmal, es verhält sich mit der Suche nach Gott genauso wie mit der Suche nach dem Radiomann. Manche suchen schlicht an der falschen Stelle und sind dann überzeugt, es gibt ihn nicht. Weil sie ihn dort, wo sie suchen, nicht finden."

Manche Menschen spüren vielleicht sogar, das da irgendwie mehr sein sollte, aber weil Gott oder der Sinn des Lebens nicht unterm Sofa zu entdecken ist, muss das wohl eine Wahrnehmungsstörung sein. Jurji Gagarin, der mutige sowjetische Kosmonaut, hat jedenfalls genauso an der falschen Stelle gesucht. "Ich war schließlich draußen im Weltraum" protzte er, "aber Gott habe ich nirgendwo entdeckt."

Wer Gott unterm Sofa oder hinter dem Mond sucht, wird es schwer haben, ihn zu finden. Wenn er überhaupt irgendwo sitzt, dann woanders. Gut möglich, dass er ihnen heute noch Gegenüber sitzt. Vielleicht erleben sie eine Ahnung von ihm, wenn sie heute einen Kuss bekommen oder sie ein Kind anstrahlt. Oder sie können sich mit jemanden versöhnen, der lange im Clinch mit ihnen lag. Sie werden Gott nicht zu greifen bekommen, genauso wenig, wie den Mann im aufgeschraubten Radio. Aber deswegen gleich davon auszugehen, dass er überhaupt nicht da ist, muss noch lange nicht stimmen.