Donnerstag, 13.04.2023: Ostern auf Magdeburgisch - Lydia/Le sacre du printemps
Irgendwie hat das Magdeburger Theater, das ja elbabwärts gar nicht so weit weg von Sachsen liegt, die Passions- und Osterzeit ergriffen. Oder wie soll man es sonst deuten, dass zwei Stücke in einem Balletabend zusammen aufgeführt werden, die durchaus zum Thema Tod und Auferstehung passen. Lydia das eine, das "Le sacre du printemps" - das Frühlingsopfer von Igor Strawinsky das andere. Das Theater ist fast ausverkauft, viele Schüler, oft noch Kinder sind unter den Besuchern. Bei modernem Tanztheater und live gespielter Orchestermusik? Die spinnen, die Magdeburger! In Lydia versuchen die Tänzer auszubrechen, Grenzen zu überwinden, Räume auszuloten und nach Pfaden der Freiheit zu suchen. In einem Käfig drehen sich die Türen, fast wie ein Hamsterrad. Irgendwie hat man den Eindruck, dass sich der Einsatz lohnt – auch wenn er sysyphosgleich daherkommt. Gib Dich bloss nicht auf, scheinen die Tänzer sagen zu wollen. Und bald tanzt das Ballett, als ob die Regeln der Schwerkraft im Magdeburger Opernhaus keine Gültigkeit haben.
Das berühmte Frühlingsopfer wird in Magdeburg zum Fest des Lebens. Auch eines Lebens in dem der Tod, das Kalte, die Angst überwunden werden müssen. Wasser übergießt die Tanzenden, prasselt wie Starkregen von der Decke und wirbelt auf der Bühne alle durcheinander. Das Leben ist unberechenbar. Ein Opfer?
Die getanzten Bilder sind ausdrucksstark und mehrdimensional deutbar. Es lohnt nicht, einer Handlung zu folgen, die man sich zwar anlesen, aber kaum nachvollziehen kann. Vielmehr lohnt es, sich auf die starken Bilder einzulassen, die eine Hymne des Dennoch, des Trotzdem, ein Hymne des Lebens sind. Und das durch alle Unbill, allen Kampf hindurch. Ein Opfer in der Religion versöhnt den Menschen mit Gott. Und so gesehen passt das Magdeburger Ballett- und Musik-Highlight auch in die Osterzeit. Weil es auf ganze eigene Weise das Ringen des Menschen zeigt, Grenzen, Hindernisse und sogar den Tod zu überwinden – und dabei auch Gott nicht ganz zu vergessen.
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