Zwischen den Jahren Raunächte - Zeit der Besinnung, Zeit der Einsamkeit
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30. Dezember 2023, 01:00 Uhr
"Zwischen den Jahren" ist eine besondere Zeit zwischen Weihnachten und dem 6. Januar. Es sind Tage, an denen man mal das Hamsterrad verlassen kann. Und es gibt seltsame Bräuche z.B., dass man keine Wäsche waschen sollte. Doch was bedeutet eigentlich "Zwischen den Jahren"?
1691 legte Papst Innozenz XII. endgültig den 1. Januar als offiziellen Jahresbeginn fest. Das war nicht immer so, weiß der Kulturwissenschaftler Werner Mezger zu berichten:
"Es gab eine Zeit, als Weihnachten der Beginn des neuen Jahres war und noch häufiger hat man Neujahr am 6. Januar gefeiert. Sowohl der 25. Dezember als auch der 6. Januar waren Jahresanfänge. Und wenn wir heute von Weihnachten bis zum Drei-Königs-Tag als Zeit zwischen den Jahren sprechen, dann erinnert das auch noch an diese alten Jahresanfänge."
Bis in die Neuzeit war der Jahresbeginn unmittelbar mit dem Weihnachtsfest verbunden: “Wenn der Pfarrer während des Gottesdienstes das Christkind in die Krippe legte, dann begann das neue Jahr", erklärt der Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti.
Eine unheimliche Zeit beginnt
Doch die Zeit "zwischen den Jahren" war vielen nicht ganz geheuer: "Die Menschen kamen auf die Idee, dass diese Zeit eine Nahtstelle sei. Die jenseitige Welt hat Zugang in unserer Welt und das Böse versucht Menschen zu fangen und in die Hölle abzuschleppen", so Manfred Becker-Huberti.
Und so galt: Frauen und Kinder mussten nach Einbruch der Dunkelheit zu Hause bleiben, die Wohnräume, Spinnstube, Küche und Werkstatt mussten aufgeräumt sein und es durfte keine Wäsche auf der Leine hängen. Wer diese Regeln brach, musste mit dem Groll der Dämonen rechnen.
Davon weiß auch die Magdeburger Pfarrerin Anette Carstens zu berichten: "In der ersten Gemeinde, in der ich Pfarrerin war, kamen ältere Frauen zu mir und mahnten mich, dass ich die Wäsche abnehmen müsse vor dem Heiligabend, da Dämonen ihr Unwesen treiben würden in diesen Nächten. Dass das Unglück bringen könnte, wenn sogar weiße Wäsche hängt."
Heute gibt es vor allem in Süddeutschland und Österreich den Brauch, dass nach Weihnachten die Häuser mit Weihwasser gesegnet und eingeräuchert werden. Denn "Gottes Parfum" wehrt böse Geister ab. So entstand auch vermeintlich auch der Name: Aus "Rauchnächten" wurden "Raunächte".
Einer anderen Theorie zufolge stand das mittelhochdeutsche Wort "rûch" (haarig) Pate, das heute in der Kürschnerei als "Rauware" oder "Rauchware" für Pelzprodukte bekannt ist. Es würde die mit Fell bekleideten Dämonen beschreiben, die in diesen Nächten ihr Unwesen treiben.
Zeit der Besinnung
Die Tage zwischen den Jahren werden aber auch genutzt, um Bilanz zu ziehen und nach vorne zu blicken:
Alles Ende ist auch ein neuer Anfang. Das heißt, hier ist der Moment, wo ich mich fragen kann, wie habe ich bis jetzt gelebt, ist das noch richtig so oder soll ich mich neu positionieren und mein Leben neu ordnen.
Zeit der Einsamkeit
Doch für manche Menschen ist es auch eine sehr schwere Zeit, sagt Pfarrerin Anette Carstens von der Telefonseelsorge in Magdeburg. Sie weiß, dass viele Anrufer froh sind, dass sie die Weihnachtstage bewältigt haben. Denn traditionell sei die Zeit zwischen Weihnachten und dem Drei-Königs-Tag eine Zeit der Gemeinschaft: "Familien kommen zusammen, Freunde werden besucht. In dieser Zeit ist die Einsamkeit schwerer zu ertragen. Man hat sich für viele Tage ein Gerüst geschaffen, mit dem man durch die Einsamkeit kommt. Aber in diesen Tagen ist es schwerer, dass dieses Gerüst trägt."