Mann im Smoking richtet seine Fliege.
Smoking oder "casual" - die Mode-Experten wissen Rat. Bildrechte: imago images/Pahis

Der Redakteur | 17.04.2023 Knigge: Wie zieht Mann oder Frau sich richtig an?

17. April 2023, 15:00 Uhr

Silberhochzeit, Geschäftsessen oder Empfang im Schloss Bellevue - unser "Redakteur" kümmert sich diesmal um alle Fragen rund um das schicke Anziehen. Stil-Expertin Renate Tomberg hat 17 Jahre lang in der Protokollabteilung des Bundespräsidialamtes gearbeitet und weiß, was Dresscode und Etikette bedeuten.

Renate Tomberg hat 17 Jahre lang in der Protokollabteilung des Bundespräsidialamtes gearbeitet und aus nächster Nähe erlebt, was Stil und Etikette bedeuten. Mit ihren Kollegen hat sie dafür gesorgt, dass sich unsere Präsidenten und deren Gäste wohlfühlen - von Barack Obama bis Queen Elisabeth II.

Angefangen hat sie während der zweiten Amtszeit von Richard von Weizsäcker, der aus ihrer Sicht auch kleidungstechnisch Maßstäbe gesetzt hat.

Ich finde, dass Richard von Weizsäcker der Bestangezogene war, auf jeden Fall formvollendet.

Renate Tomberg Langjährige Mitarbeiterin der Protokollabteilung des Bundespräsidialamtes

Auch Barack Obama hat sie stilistisch beeindruckt. Nun gibt es Menschen, die können anziehen, was sie wollen, es sieht irgendwie immer gut aus, andere müssen - wie Günther Jauch - den Spott ihrer besten Freunde ertragen, die selbst im Sofastoff moderieren.

Abgesehen davon, dass es bei bedeutsamen Terminen in der Einladung einen deutlichen Hinweis auf die Kleiderordnung gibt: es muss auch stets zum Menschen passen. Das ist mitunter schwierig, wenn man den eigenen Lebensraum verlässt. Wenn Frack vorgeschrieben ist, kommt der Normalbürger um den Kostümverleih nicht herum. Den dunklen Anzug - der im Schloss Bellevue oft ausreicht - stört es übrigens nicht, wenn der passt.

Wie schlimm ist "slim"?

Ein Maßanzug im Schloss wäre natürlich angemessen; wenn gerade nicht verfügbar, dann bitte eher zu klassisch als zu modern. Man sollte also nicht den Eindruck erwecken, sich noch mal in den Konfirmandenanzug gezwängt zu haben. Aber so ähnlich ist es ja nach wie vor modern: Ganz enges Jackett, die Hose sehr eng und so kurz, dass unten die blanken Füße zu sehen sind. Damit kann man bei vielen festlichen Veranstaltungen danebenliegen.

Ich würde so nicht zu einem Termin des Bundespräsidenten gehen. Das kann man machen, wenn man in einem anderen Bereich tätig ist, in einer Werbeagentur zum Beispiel.

Renate Tomberg Langjährige Mitarbeiterin der Protokollabteilung des Bundespräsidialamtes

Und es ist auch nicht so, dass René Lang bei dieser Mode vor Freude aus dem Anzug hüft. Er ist Diplom-Modedesigner und seit 15 Jahren der Präsident des Designer-Verbands in Deutschland (VDMD). Abgesehen davon, dass jeder etwas tragen sollte, in dem er sich wohlfühlt: diese Art von Mode ist nur etwas für eine sehr enge Zielgruppe gewesen und wird doch so langsam abgelöst von mehr Stofflichkeit.

Das geht sogar bis zur Bundfaltenhose, falls Sie noch eine im Schrank haben. René Lang räumt ein, dass sich das gut gebräunte italienische Bein vielleicht gar nicht so schlecht macht. Aber sonst … naja.

Der gut gepflegte Italiener schaut im Allgemeinen immer etwas schicker aus als der gut gepflegte Deutsche.

René Lang Präsident VDMD

Mit Schlips und Kragen?

Der Bundespräsident tritt in der Öffentlichkeit so gut wie nie ohne Anzug, Hemd und Schlips auf. Ein weiterer beruflicher Dauerschlipsträger Jan Hofer hat ihn schon einmal massenwirksam abgelegt, trotzdem mag es bei sehr festlichen Anlässen passend sein, das Gebinde zu tragen. Eine Stufe tiefer geht es aber auch sehr gut ohne Krawatte. Vor allem dann, wenn der Typ dahinter nicht so richtig dazu passt, oder sich sogar unwohl fühlt.

Konferenz
Die Krawatte - nicht immer ein "Muss". Bildrechte: mago images/YAY Images

Die schicke Kombination grauer Anzug, Pullover und klassische Schuhe ist gerade angesagt, erklärt René Lang, Präsident VDMD und trägt trotzdem ein Jackett mit großem Karo, weil es ebenso modern ist und eben sein Stil. Alles ein bisschen weiter geschnitten, gerade auch, wenn der Träger etwas kräftiger ist, ein uriger Handwerker aus Thüringen zum Beispiel.

Mann und Frau - wie Strumpf und Latsch?

Die Stile beider Festtagsbesucher sollten harmonieren. Sie sollten aber nicht so weit gehen, dass sie im Partnerlook auftreten. Also: Sie ein rotes Kostüm, er eine rote Krawatte, das ist zu viel, es sei denn, man will auffallen, sagt Renate Tomberg. Aber es ist schon so, dass - wenn etwas Sportliches angesagt ist - auch beide etwas sportlicher auftreten sollten. Die Farben nicht zu schrill, braun ist neben Grautönen angesagt, wenn es einem steht, versteht sich. Das ist aber kein Freibrief, ins Rentnerbeige abzudriften, sagt René Lang.

Wichtig für die Dame, wenn es offiziell festlich wird: das Kleid sollte nicht zu kurz sein und die Knie wenigstens "umspülen", erklärt Renate Tomberg. Und zwar so, dass ein gefahrloses Hinsetzen möglich ist. Das gilt übrigens für beide. Übereinandergeschlagene Beine sind dabei tabu, auch wenn die Schuhe frisch geputzt sind und gezeigt werden sollen. Männern sei gesagt, dass abgelatschte Absätze von Kennern gelesen werden wie ein Buch und viel aussagen über den Träger. Und Frauen sollten den Hinweis einer Dame zu Herzen nehmen, dass man in Schuhen laufen können muss. Schick alleine reicht nicht, besonders wenn der Abend lang ist und das Parkett glatt.

Die Sache mit dem Knopf

Eigentlich ist es eine alte Geschichte, aber die Fehlerhäufigkeit macht eine Erwähnung erforderlich. Sobald sich der Herr erhebt, zum Beispiel um seinen Preis entgegen zu nehmen oder zum Rednerpult zu schreiten, wird das Sakko geschlossen. Aber bitte nicht komplett. Bei zwei Knöpfen wird der oberste Knopf geschlossen, bei drei Knöpfen der mittlere, bei vier - das ist selten - sind es die beiden mittleren. Das bedeutet: Der untere bleibt stets offen. Und wenn sich jemand mit dem falschen Aufzug im falschen Umfeld befindet… selbst stilvoll bleiben.    

Da kann man nur im Stillen denken, oh, da haben wir wohl wieder danebengegriffen. Das gab es öfter. Die Kommentare hat man für sich behalten und sie auch niemals zu erkennen gegeben. Niemals.

Renate Tomberg Langjährige Mitarbeiterin der Protokollabteilung des Bundespräsidialamtes

MDR (dvs,ls)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 17. April 2023 | 16:40 Uhr

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