Der Redakteur | 30.06.2023 Android-Handys betroffen: Polizei und Rettungsdienste beklagen "Hosentaschen-Anrufe"
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30. Juni 2023, 18:35 Uhr
Es gibt zwei Rufnummern, die jeder im Kopf haben sollte und im Notfall anrufen: Die 110 für die Polizei und die 112 für den Rettungsdienst, heißt: Feuerwehr und Notarzt. Um das Anwählen im Notfall zu erleichtern oder gar ein stückweit zu automatisieren, gibt es diverse Handy-Funktionen, die mitunter auch schon mal ein Eigenleben führen. Seit Anfang Juni stieg die Zahl der "Hosentaschen-Anrufe" deutlich an, beklagen Polizei und Rettungsdienste. Diesmal betroffen: Android-Geräte.
Es ist noch gar nicht so lange her, da hatte Apple ein Problem. Das iPhone erkannte einen Sturz, der nicht stattgefunden hatte und alarmierte den Rettungsdienst. Apple hat das erkannt und schnell behoben, schließlich hat man Zugriff auf das eigene Betriebssystem.
Das ist bei Android-Geräten anders. Die meisten Handys weltweit laufen mit diesem Betriebssystem, das zwar Google bereitstellt, das aber die einzelnen Gerätehersteller an ihre Bedürfnisse anpassen können. Sie rollen auch die Updates aus.
Vor allem Samsung- und Google-Smartphones betroffen
Und bei einem dieser Updates hat sich vorrangig bei - so ist der Informationsstand von einigen Leitstellen - Samsung-Geräten und Handys, die Google selbst herstellt, ein Fehler eingeschlichen. Das Handy wählte den Notruf quasi aus der Tasche heraus. Ungefragt.
Die Anruferinnen und Anrufer können in den allermeisten Fällen gar nichts dafür und merken den versehentlich ausgelösten Notruf oftmals nicht einmal.
Welche Funktionen sind betroffen?
Betroffen sind offenbar Schaltflächen auf dem Startbildschirm, von wo aus man den Notruf relativ einfach und ohne Eingabe des Sperr-Musters auslösen kann. Das ist wohl das Hauptproblem, so die Erkenntnisse des Handy-Experten Dirk Knop vom Computermagazin C’t und Heise-Online.
Google habe das erkannt und eine verbesserte Dokumentation der Funktion an die Hersteller verteilt und diese müssen auf dieser Basis ihre Anpassungen vornehmen.
Die ersten Hersteller - insbesondere Samsung - sollen jetzt Aktualisierungen herausgegeben haben, die diese Funktion wieder in den Griff bekommen.
Und genau deshalb raten IT-Experten und auch die Polizei zu sofortigen Updates der Handys, damit dieser Fehler behoben wird. Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit, den Notruf auszulösen, ohne ihn tatsächlich zu wählen. Und zwar fünfmal auf den Einschaltknopf zu drücken, also auf den Knopf an der Seite, den man üblicherweise länger drückt, wenn man das Gerät ein- oder ausschalten will.
Die Funktion ist recht hilfreich, wenn man zum Beispiel in einer Bedrohungssituation unbemerkt Hilfe holen möchte. Es ist übrigens einstellbar, welche Notrufnummer gewählt werden soll. Die 110, die 112, die 911 (der Notruf in den USA) oder eine Nummer eigener Wahl. Die Notruffunktion lässt sich auch komplett abschalten.
Wie reagiere ich, wenn das Handy den Notruf gewählt hat?
Um es klar zu sagen: Hektisches Auflegen verwischt keine Spuren. Das heißt: Die Notrufsysteme haben Ihre Nummer sowieso registriert. Aber die Mitarbeiter in den Zentralen kennen das Problem und es reißt Ihnen auch niemand den Kopf ab, so Polizeisprecher Patrick Martin.
Mit dem richtigen Verhalten können Sie aber sicherstellen, dass die Notrufleitungen nicht noch zusätzlich blockiert werden. Richtig ist: Sich kurz melden, sagen, dass alles Okay ist und freundlich einen ruhigen Dienst wünschen.
Denn andernfalls müsste Sie der Beamte zurückrufen und Fragen, ob ein echter Notfall vorliegt, das kostet extra Zeit und Ressourcen.
Und die Zahlen sind schon erschreckend. Im ersten Halbjahr zählte zum Beispiel die Zentrale Leitstelle Gera 11.000 Fehlanrufe, diese Größenordnung hat man sonst im ganzen Jahr.
Android-Update gegen Fehl-Notrufe
Bei der Polizei im benachbarten Göttingen werden mittlerweile acht Prozent aller Notrufe ohne den ausdrücklichen Willen des Handyinhabers ausgelöst und die Landespolizei In Thüringen hat seit Anfang Januar mal genauer gezählt und bis 23. Juni mehr als 1.000 solcher Anrufe registriert.
Dass belegte Leitungen Menschenleben gefährden, liegt auf der Hand. Deshalb noch einmal die dringende Bitte von Polizei und Rettungsdiensten: Bringen Sie Ihr Handy mit einem Update auf den neuesten Stand!
MDR (jw)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 30. Juni 2023 | 16:40 Uhr