Wahlkampf Türkei: Möglicher Erdogan-Herausforderer verurteilt
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14. Dezember 2022, 21:02 Uhr
Der Bürgermeister von Istanbul, Ekrem Imamoglu, gilt als aussichtsreicher Herausforderer des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Ein Gericht verurteilte den Oppositionspolitiker nun wegen Beamtenbeleidigung.
- Ein Istanbuler Gericht hat den Bürgermeister wegen Beamtenbeleidigung verurteilt
- Bürgermeister Imamoglu gilt als möglicher Oppositionskandidat bei türkischer Präsidentschaftswahl
Wenige Monate vor der Parlaments- und Präsidentenwahl in der Türkei ist der aussichtsreichste Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdogan zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft verurteilt worden.
Ein Istanbuler Gericht verhängte die Strafe gegen den Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu, weil er Beamte beleidigt haben soll. Für die Dauer der Strafe ist er auch von fast allen politischen Ämtern ausgeschlossen.
Bürgermeister zeigt sich kämpferisch
Hunderte von Imamoglus Anhänger versammelten sich kurz nach der Verlesung des Urteils vor dem Bürgermeisterbüro und forderten den Rücktritt der Regierung. Imamoglu seinerseits rief der Menge zu: "Eine Handvoll Leute kann uns nicht die Macht wegnehmen, die uns das Volk gegeben hat." Sein Anwalt kündigte umgehend Revision an. Während des Berufungsverfahrens bleibt Imamoglu in seinem Amt als Bürgermeister.
Imamoglu aussichtsreicher Herausforderer von Erdogan
Imamoglu gilt als aufstrebender Politikstern. Umfragen zufolge hätte er gute Chancen, Erdogan bei der im Juni 2023 geplanten Wahl zu besiegen. Die Wahl des CHP-Politikers zum Istanbuler Bürgermeister im Jahr 2019 war bereits eine empfindliche Niederlage für den türkischen Präsidenten und dessen islamisch-konservative AKP.
Auf deren Druck war der Sieg der Opposition zunächst auch annulliert worden. Bei der Wiederholung siegte Imamoglu mit deutlich größerem Vorsprung. Später hatte er in einer beiläufigen Bemerkung gegenüber Journalisten Beamte im Zusammenhang mit der Annullierung als "Idioten" bezeichnet - und wurde nun dafür wegen Beleidigung verurteilt.
Kritik in Deutschland an Istanbuler Urteil
Das Urteil stieß auch in Deutschland auf Kritik. Das Auswärtige Amt schrieb auf Twitter, das Urteil sei ein herber Rückschlag für die Demokratie. Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff nannte das Urteil eine Farce. Der Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Max Lucks (Grüne), sagte, das Urteil sei "nichts anderes als die Rache" dafür, dass Imamoglu die Kommunalwahlen in Istanbul gewonnen habe.
Es zeige zudem "Erdogans Angst vor einer Wahlniederlage bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im kommenden Jahr". Der gesamte Prozess sei von Anfang an ein erneuter Beweis für die politische Instrumentalisierung der Justiz in der Türkei.
dpa, AFP, Reuters
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 14. Dezember 2022 | 17:45 Uhr