Krieg in Nahost Hoffnung auf schnellere Hilfe für Gaza

08. Dezember 2023, 18:25 Uhr

Israels Bodenoffensive im Gazastreifen lässt Hunderttausenden
Palästinensern kaum noch sichere Zufluchtsorte. Die USA haben daher
den Druck erhöht: US-Außenminister Antony Blinken rief Israel erneut
auf, mehr für den Schutz von Zivilisten in dem Küstenstreifen zu tun. Amtskollegin Annalena Baerbock findet in Dubai ähnliche Worte.

Die israelische Armee hat ihr Bombardement von Zielen im Gazastreifen fortgesetzt. Sie teilte mit, im Laufe des vergangenen Tages seien etwa 450 Ziele am Boden, aus der Luft und vom Meer aus angegriffen worden. Die Truppen seien weiter dabei, Tunnelschächte, Waffen und weitere Infrastruktur von Terroristen auszumachen und zu zerstören. In der Nacht zu Freitag seien zudem vom Meer aus Marine- und Geheimdienstkapazitäten der islamistischen Hamas mit Präzisionsmunition getroffen worden.

In der im Süden gelegenen Stadt Chan Junis, die als eine Hochburg der Hamas unter ihrem Chef Jihia al-Sinwar gilt, seien dessen Terroristen aus der Luft mit Präzisionsschlägen beschossen worden, hieß es. Die gezielten Schläge der Luftwaffe hätten zwei Stunden lang angedauert.

Es sei nur "eine Frage der Zeit", bis man Sinwar finde, hatte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach der Umstellung von Sinwars Haus durch die Armee erklärt. Experten vermuten, dass sich Sinwar und seine Führungsriege in einem weit verzweigten Tunnelnetz unter Gaza verschanzt haben. Auch zahlreiche der noch 138 festgehaltenen Geiseln werden dort vermutet.

Kaum Schutz für palästinensische Zivilisten

Israels Bodenoffensive im Gazastreifen lässt Hunderttausenden palästinensischen Zivilisten indes kaum noch sichere Zufluchtsorte. In Rafah an der Grenze zu Ägypten suchen so viele Menschen Schutz vor den Kämpfen, dass die Stadt inzwischen weder Lebensmittel noch Strom und auch kein ausreichendes Trinkwasser mehr für sie hat, wie ein Reporter der britischen BBC berichtete.

LKWs auf einer Straße
Lkws bringen Hilfsgüter und Treibstoff über die Grenze. Bildrechte: IMAGO / Xinhua

Angesichts der wachsenden Kritik an den stockenden Hilfslieferungen nach Gaza und auf den Druck der USA hin hat sich Israel nun bereiterklärt, am Grenzübergang Kerem Schalom eine zweite Kontrollstelle für Lastwagen mit Hilfsgütern zu nutzen.

Wie der Palästinensische Rote Halbmond auf X mitteilte, fuhren am Donnerstag 69 Lastwagen mit Hilfsgütern über Rafah in den Gazastreifen. Die Laster seien mit lebenswichtigen Vorräten beladen gewesen. Vor dem Krieg fuhren 500 Lkws pro Tag in das Gebiet. Israel fürchtet, dass in den Lkws auch Waffen nach Gaza geschafft werden könnten und inspiziert sie deshalb.

Blinken und Baerbock rufen erneut zu mehr Schutz von Zivilisten in Gaza auf

US-Außenminister Antony Blinken hat Israel erneut aufgerufen, mehr für den Schutz von Zivilisten im Gazastreifen zu tun. Die israelische Führung habe zwar wichtige zusätzliche Schritte in diese Richtung unternommen, sagte Blinken nach einem Treffen mit seinem britischen Kollegen David Cameron in Washington. Es gebe aber nach wie vor eine Lücke zwischen dem, was er bei seinem jüngsten Besuch in Tel Aviv angeregt habe und was an tatsächlichen Ergebnissen zu beobachten sei. Israel sei verpflichtet, alles zu tun, um Zivilisten zu schützen.

Es gehe zum Beispiel nicht nur darum, Sicherheitszonen einzurichten, sondern sie auch so zu kommunizieren, dass die Menschen tatsächlich wüssten, wohin, wann und auf welchem Weg sie flüchten könnten. Zudem müsse es in solchen Sicherheitszonen Essen, Wasser und Medikamente für die geflüchteten Menschen geben.

Derweil hat auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock an Israel appelliert, mehr Schutzzonen zu schaffen. Sie sagte auf der Weltklimakonferenz in Dubai, Israel müsse sein militärisches Vorgehen anpassen, um ziviles Leid zu lindern. Der Zugang zu humanitärer Hilfe müsse sichergestellt werden, vor allem im Norden des Landes. Ebenso solle die Armee gezielter vorgehen und weniger zivile Opfer in Kauf nehmen, sagte sie.

Die Forderung nach einer generellen Waffenruhe wies Baerbock zurück. Solange Israel angegriffen werde, laufe eine derartige Forderung ins Leere.

UN-Chef: "Grenze der Belastbarkeit in Gaza erreicht"

UN-Generalsekretär António Guterres hat den Weltsicherheitsrat erneut gedrängt, sich für einen humanitären Waffenstillstand im Gaza-Krieg einzusetzen. Die "Grenze der Belastbarkeit" im Gazastreifen sei erreicht, sagte Guterres am Freitag vor dem Gremium in New York. Es gebe ein hohes Risiko, dass das humanitäre Unterstützungssystem in Gaza komplett zusammenbreche, was verheerende Konsequenzen hätte. Die Sitzung war einberufen worden, weil Guterres den Rat zuvor in einem seltenen Schritt dringend aufgefordert hatte, sich für die Abwendung einer humanitären Katastrophe im Gazastreifen einzusetzen.

Israel: Hamas feuert aus Sicherheitszonen

Israels Militär erklärte unterdessen, dass die Hamas aus solchen "humanitären Sicherheitszonen" heraus Raketen auf Israel abgeschossen habe. Israelische Medien veröffentlichten am Donnerstag derweil Bilder von Dutzenden im Gazastreifen festgenommenen Palästinensern in Unterhosen. Die Identität der Männer war zunächst unklar. Die Terrororganisation verurteilte die Bilder und forderte Menschenrechtsorganisationen auf, einzugreifen. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zeigte sich besorgt und appellierte, die Männer menschlich und mit Würde zu behandeln.

Hinweis zur Berichterstattung

Die Berichterstattung aus dem Gazastreifen ist schwierig, da wegen der Kämpfe nur wenige Journalistinnen und Journalisten vor Ort sind. Informationen zu den Kampfhandlungen kommen vor allem von der israelischen Regierung und von der im Gazastreifen herrschenden Terrororganisation Hamas, die nur schwer überprüft werden können.

AFP, dpa, Reuters (das,am)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 08. Dezember 2023 | 06:16 Uhr

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