Krieg in Nahost Auch zweitgrößtes Krankenhaus in Gaza außer Betrieb

13. November 2023, 03:42 Uhr

Mit dem Vorrücken der israelischen Armee auf Stellungen der radikalislamistischen Hamas verschärft sich auch die Lage in den Krankenhäusern im Gazastreifen zusehends. Es mangelt an Treibstoff, Medikamenten, Nahrung und Wasser. Mehr als die Hälfte der Kliniken soll "nicht mehr funktionsfähig" sein. Die Weltgesundheitsorganisation spricht von "verheerenden" Zuständen. Die Zahl der Todesfälle unter den Patienten sei erheblich gestiegen.

Die humanitäre Lage im Gazastreifen spitzt sich zu. Wie der Palästinensische Rote Halbmond mitteilte, hat auch das zweitgrößte Krankenhaus im Gazastreifen, das Al-Kuds-Krankenhaus, den Betrieb eingestellt. Das Personal habe zudem Probleme, die bereits dort befindlichen Menschen zu versorgen. Es mangele an Medikamenten, Nahrung und Wasser. Am Samstag hatte bereits die größte Klinik im Gazastreifen, das Al-Schifa-Krankenhaus, den Betrieb heruntergefahren. Sogar der Kontakt zu Mitarbeitern der Einrichtung riss laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Wochenende ab.

Dieser konnte zwar nach Angaben des WHO-Generaldirektors Tedros Adhanom Ghebreyesus inzwischen wieder hergestellt werden. Die Lage sei aber verheerend. Der ständige Beschuss und die Bombardierungen in der Region hätten die ohnehin schon kritischen Umstände noch verschlimmert. Die Zahl der Todesfälle unter den Patienten sei erheblich gestiegen. Die Klinik funktioniere als Krankenhaus nicht mehr. Eine angekündigte Evakuierung erfolgte offenbar noch nicht. Es befänden sich mehr als 2.000 Menschen in der Schifa-Klinik, darunter vermutlich mehr als 600 Patienten und rund 1.500 Vertriebene, schrieb die WHO am Montag auf der Plattform X, ehemals Twitter, unter Berufung auf das palästinensische Gesundheitsministerium, das von der Hamas kontrolliert wird.

Weitere Krankenhäuser außer Betrieb

Im Norden des Gazastreifens ist wegen der massiven Kämpfe nach Angaben der dort herrschenden radikalislamischen Hamas kein Krankenhaus mehr arbeitsfähig. "Alle Krankenhäuser" im Norden des Palästinensergebietes seien "außer Betrieb", sagte Jussef Abu Risch, stellvertretender Gesundheitsminister der Hamas-Regierung, am Montag der Nachrichtenagentur AFP.

Insgesamt seien 20 der 36 Krankenhäuser im Gazastreifen "nicht mehr funktionsfähig", berichtet das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten. Mitarbeiter hätten am Sonntag davor gewarnt, dass wegen israelischer Bombardements sowie Mangel an Treibstoff und Medikamenten insbesondere Babys gefährdet seien.

Weitere große UN-Organisationen äußerten sich entsetzt über die Situation in den Krankenhäusern. "Die Welt darf nicht stillschweigend zusehen, wie sich Krankenhäuser, die eigentlich sichere Zufluchtsorte sein sollten, in Schauplätze des Todes, der Verwüstung und der Verzweiflung verwandeln", erklärte WHO-Chef Ghebreyesus.

Hinweis der Redaktion Die Berichterstattung aus dem Gazastreifen ist schwierig, da wegen der Kämpfe nur wenige Journalistinnen und Journalisten vor Ort sind. Informationen zu den Kampfhandlungen kommen vor allem von der israelischen Regierung und von der im Gazastreifen herrschenden Terrororganisation Hamas, die nur schwer überprüft werden können.

Israel wirft Hamas Blockade humanitärer Unterstützung vor

Das Al-Schifa-Krankenhaus soll zudem von israelischen Angriffen betroffen sein. Die israelische Armee dementierte direkte Angriffe auf das Krankenhaus, räumte aber zugleich ein, dass es Gefechte mit Hamas-Kämpfern in der Umgebung der Kliniken gebe. Grund seien Kommandozentralen unter und in der Nähe des Krankenhauses, die die Hamas dort eingerichtet habe. Armeesprecher Daniel Hagari betonte, es gebe weiterhin "eine festgelegte Passage, um das Krankenhaus zu betreten oder zu verlassen". Auch habe man angeboten, bei der Evakuierung von Säuglingen aus der Klinik zu helfen. Zudem seien am Samstag 300 Liter Treibstoff vor dem Eingang des Krankenhauses deponiert worden. Beide Gesten seien aber von der Hamas blockiert worden.

Klinikchef spricht von Diffamierung

Der Leiter des Schifa-Krankenhauses, Mohammad Abu Salamia, bezeichnete das als "Lüge und Diffamierung". Er wies die Berichte über die abgestellten Behälter zwar nicht zurück. Er sagte jedoch, diese Menge würde "keine Viertelstunde" für den Betrieb der Krankenhausgeneratoren reichen. Außerdem befürchte das Team, beschossen zu werden, wenn es die Klinik verlasse, um die Behälter zu nehmen. Wenn Israel wirklich Treibstoff liefern wollte, hätte es diesen in Kooperation mit dem Roten Kreuz oder einer anderen internationalen Organisation schicken können, sagte der Klinikchef.

EU fordert sofortige Kampfpausen und humanitäre Korridore

Die Europäische Union warf der radikalislamischen Hamas vor, Krankenhäuser und Zivilisten im Gazastreifen als "menschliche Schutzschilde" zu benutzen. Dies sei ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht, heißt es in einer Erklärung des Außenbeauftragten Josep Borrell. Darin fordern die EU-Staaten auch sofortige Kampfpausen und humanitäre Korridore im Gazastreifen. Nur so könne die Bevölkerung medizinische Hilfe bekommen und mit dem Nötigsten versorgt werden. Zivilisten müssten die Chance haben, das Kriegsgebiet zu verlassen. Von Israel verlangt die EU größtmögliche Zurückhaltung bei den Angriffen, um das Leben von Zivilisten zu schützen.

Baerbock: Gräben im Osten vertiefen sich

Bundesaußenministerin Annalena Barbock hat sich am Montag pessimistisch zur Lage im Nahen Osten geäußert. Die Grünen-Politikerin sagte vor einem EU-Außenministertreffen in Brüssel, die Gräben in der Region schienen tiefer zu werden. Die Situation sei zum Zerreißen. Die bittere Realität sei, dass die Diplomatie nur in kleinsten Schritten vorankomme.

Ziel sei es nach wie vor, dass Israelis und Palästinenser in Sicherheit und Frieden leben könnten. Kurzfristig brauche es aber Pausen der Kämpfe im Gazastreifen, um die Menschen versorgen zu können. Zugleich müsse die Sicherheit Israels gewährleistet sein.

AFP, dpa (dkn)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 12. November 2023 | 18:10 Uhr

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