Bei der Lebensmittelbank in Prag wird Nahrung für Bedürftige gesammelt.
Věra Doušová ist Chefin der Prager Lebensmittelbank. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Nachhaltigkeit Tschechien: Lebensmittel an Bedürftige anstatt in den Müll

20. Oktober 2019, 05:00 Uhr

In Tschechien sind Supermärkte verpflichtet, abgelaufene Lebensmittel zu spenden. Im Januar hatte das Verfassungsgericht Klagen gegen das Gesetz abgewiesen. Die Menge der von den Handelsketten zur Verfügung gestellten Güter hat sich inzwischen verdreifacht. Der Wert der geretteten Lebensmittel beträgt in Prag umgerechnet rund elf Millionen Euro.

In Tschechiens Hauptstadt zeigt man sich zufrieden über das neue Gesetz, das es Supermärkten per Gesetz verbietet, Lebensmittel wegzuwerfen. "Die Palette der Produkte ist mit dem Gesetz viel größer geworden", sagt Věra Doušová, Chefin der Prager Lebensmittelbank, einer Art tschechischen Tafel. Vor allem seien mehr frische Produkte wie Milch und Joghurt im Angebot. Mit ihren über 70 Jahren steht Doušová täglich an der Laderampe in der Lebensmittelbank. Wenn Lebensmittel kurz vor dem Verfallsdatum stehen, werden sie aus Supermärkten abgeholt und an Bedürftige weiterverteilt.

Bevor dieses Gesetz in Kraft getreten ist, haben wir weniger Waren bekommen. Es gab Händler, die vorher auch schon Lebensmittel gespendet haben, andere haben erst jetzt wegen des Gesetzes angefangen. Auf jeden Fall ist es jetzt viel mehr.

Věra Doušová, Chefin der Prager Lebensmittelbank
Jarka Kramařová spricht in ein Mikrofon
Jarka Kramařová ist auf Hilfe angewiesen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Rund zehn Tonnen Güter verteilt die Lebensmittelbank jeden Tag. Das kommt den Bedürftigen zugute: Obdachslosen, Rentnern oder alleinerziehenden Müttern. Jarka Kramařová ist 30 Jahre alt und bezieht wegen Herzproblemen eine Invalidenrente von 160 Euro im Monat. Sie bekommt etwa drei Tiefkühlpizzen und etwas zu Trinken an einer der improvisierten Ausgabestelle in einer Garage. Für die nächsten fünf Tage wird ihr die Lebensmittelspende reichen, erzählt sie.

Gesetz mit Hindernissen

Das Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung gibt es seit 2018. Die großen Supermarktketten halten es für den falschen Weg. Viele hätten bereits vorher mit Hilfsorganisationen zusammengearbeitet, heißt es. Außerdem nehme die Bürokratie zu. Eine Klage gegen das Gesetz lehnt das tschechische Verfassungsgericht 2019 ab.

Das Verbot als Erfolgsmodell?

Ein Gabelstapler lädt Lebensmittel in einen Transporter
Palettenweise können bei Supermärkten Lebensmittel für Bedürftige abgeholt werden. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

2018 konnten die tschechischen Lebensmittelbanken nach eigenen Angaben bereits 4.127 Tonnen Lebensmittel und Hygieneartikel sammeln. Davon stammten 60 Prozent aus dem Einzelhandel, der Rest aus staatlichen und europäischen Programmen sowie privaten Spenden. Im Vergleich zu 2017 hat sich die Menge der von den Handelsketten zur Verfügung gestellten Güter damit verdreifacht. Der Wert der geretteten Lebensmittel belief sich 2018 auf umgerechnet elf Millionen Euro. Wie viel im laufenden Jahr gesammelt werden kann, bleibt abzuwarten.

Tschechien ist nicht das einzige Land, das gegen Lebensmittelverschwendung vorgeht. Auch in Frankreich, Belgien, Italien gibt es Gesetze, die das Wegwerfen von Lebensmitteln einschränken sollen. In Deutschland sensibilisiert etwa die Foodsharing-Bewegung für einen achtsamen Umgang mit Nahrungsmitteln.

(dh, dpa, epd, sb)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 19. Oktober 2019 | 17:15 Uhr

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