Slowakei Mordprozess Kuciak: Wer ist Marián Kočner?
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03. September 2020, 12:34 Uhr
Ein slowakisches Gericht hat den Hauptangeklagten im Mordprozess Kuciak, Marián Kočner, freigesprochen. Er war angeklagt, den Mord am Investigativjournalisten Kuciak beauftragt zu haben. Wer ist Marián Kočner eigentlich?
Bis vor zwei Jahren konnten nur Slowaken mit dem Namen Marián Kočner etwas anfangen. Das änderte sich schlagartig, als Kočner mit dem Mord am Investigativ-Journalisten Ján Kuciak und dessen Verlobter im Februar 2018 in Verbindung gebracht wurde. Seitdem steht Marián Kočner im Zentrum medialen Interesses. Und zwar weltweit. Denn der Vorwurf gegen ihn hatte auch eine Staatskrise in der Slowakei ausgelöst. Sie führte im März 2018 u.a. zum Rücktritt des damaligen Regierungschefs Fico, nachdem es zu den größten Demonstrationen in der Slowakei seit 1989 gekommen war. Ficos Partei, die sozialdemokratische Smer, war ins Zwielicht geraten. Viele Slowaken machten sie moralisch für den Tod von Ján Kuciak und dessen Verlobter verantwortlich.
Ein Mann mit vielen Talenten: Vom Journalisten zum Geschäftsmann
Der 57-jährige studierte Journalist Marián Kočner hatte seine Berufslaufbahn einst beim Fernsehen der ČSSR begonnen. Später startete er eine Karriere in der Privatwirtschaft. Mit Medien, Hotels, Immobilien- und Investmentfirmen wurde Kočner reich. Und es dauerte nicht lange bis sich sein Name ins kollektive Gedächtnis der Slowaken einbrannte. 1998 übernahm er die Mehrheitsbeteiligung am größten privaten Fernseh-Sender der Slowakei, TV Markíza, und sorgte für Schlagzeilen, als er gleich darauf das komplette Management auswechselte. Spektakulär war dabei vor allem die Art und Weise, wie er es tat. Marián Kočner ließ die Büros des Senders zunächst von Security-Leuten besetzen und verteilte dann die blauen Briefe an die Führungsriege.
Beziehungen sind alles: Mit Netzwerken zum Erfolg
Über die Jahre spann Kočner ein immer dichteres Netzwerk, um seine Geschäfte zu optimieren. Der Multimillionär hatte beste Kontakte zu hohen Beamtem in Regierung, Justiz und bei der Polizei. Ein freundschaftliches Verhältnis pflegte er beispielsweise zu Dobroslav Trnka, von 2004 bis 2011 Generalstaatsanwalt der Slowakei. Gegen ihn wird mittlerweile wegen Amtsmissbrauchs und Korruption ermittelt. Trnka soll Kočner u.a. vor Strafverfolgung geschützt haben. Der ehemalige slowakische Justiz- und Innenminister Daniel Lipšic sagte dem ARD-Studio Prag: "Kočner - und ich weiß das, weil ich in einigen Fällen der Verteidiger war - konnte erreichen, dass Leute, die in einem geschäftlichen Konflikt mit ihm standen, ohne jeden Grund angeklagt wurden." Wie Marián Kočner gegen Leute vorging, die ihn bei seinen Geschäften störten, erfuhr auch Lipšic selbst, als Kočner öffentlich eine Belohnung von 100.000 Euro für Informationen bot, die ihn belasten würden.
Rückversicherung: Infos sammeln für den Fall der Fälle
Kočner hatte jahrelang Gespräche und Chats mit Geschäftspartnern, vor allem jedoch mit Politikern und hohen Beamten, systematisch mitgeschnitten. Das Material wurde in seinem Haus sichergestellt. Dort fanden Ermittler auch Abschriften von Abhörprotokollen des slowakischen Geheimdienstes SIS aus den Jahren 2005 und 2006. Darin sind Gespräche zwischen Unternehmern und Politikern dokumentiert, in denen es um Schmiergelder für öffentliche Aufträge geht.
Selbstbewusst: Unverhohlene Drohungen gegen Ján Kuciak
Der Investigativ-Journalist Ján Kuciak war Marián Kočner mit seinen Recherchen offenbar gefährlich nahe gekommen. In seinen Artikeln schrieb Kuciak über die Korruption in der Slowakei, auch über unsaubere Geschäfte von Marián Kočner. Der fühlte sich auf Grund seiner hilfreichen Kontakte offenbar unverletzlich. Anders ist seine Reaktion auf die Arbeit Kuciaks kaum zu interpretieren. Denn Kočner drohte dem Journalisten in einem Telefongespräch schon 2017 mit Gegenmaßnahmen: "Ich werde anfangen, Herr Kuciak, mich für Ihre Mutter zu interessieren, für Ihren Vater, für Ihre Geschwister, ich werde mich um sie alle kümmern, und ich werde alles veröffentlichen, was ich über Sie finde, Herr Kuciak."
Verhängnisvolle Schuldscheine: 19 Jahre Haft für Kočner
Heute Vormittag ist der slowakischen Multimillionär Marián Kočner freigesprochen worden. Das Gericht konnte ihm den Mordauftrag gegen Ján Kuciak und dessen Verlobter nicht nachweisen. Geschäfte wird Kočner jedoch weiter lange Zeit nicht machen können. Im Februar hatte ihm ein Gericht den Prozess wegen gefälschter Schuldscheine im Wert von zig-Millionen Euro gemacht. Das Urteil: 19 Jahre Haft.
(voq)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL TV | 04. September 2020 | 17:45 Uhr