Kroatien Wie die Regierung mit einem neuen Gesetz Korruption vertuschen will
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01. März 2024, 14:51 Uhr
Unter Regierungschef Andrej Plenković mussten in Kroatien bereits 30 Minister ihren Hut nehmen – ein europäischer Rekord! Einer der Gründe für die häufigen Amtswechsel sind Korruptionsskandale. Doch statt das Grundübel anzugehen, will die Regierung im Superwahljahr 2024 lieber diejenigen an die Kandare nehmen, die die Machenschaften aufdecken: Journalisten und ihre Informanten. Wer der Presse interne Informationen zuspielt, muss künftig mit bis zu drei Jahren Haft rechnen.
Es gibt Zitate, die altern schlecht. Ein in Kroatien sehr bekanntes Beispiel dafür ist ein Satz von Premier Andrej Plenković aus einem Fernsehinterview von 2021: "Ich habe wirklich so verfeinerte Radare und Filter, dass mir in drei Sekunden klar ist, wer welche Agenda hat und was für ein Projekt er mir verkaufen oder welchen Eindruck er vermitteln möchte…".
Trotz seiner langjährigen Amtszeit und seiner angeblichen Menschenkenntnis hat Plenković bisher nicht weniger als 30 Minister ausgewechselt. Für Kroatien ist diese Zahl ein absoluter Rekord und für europäische Länder unüblich, sagt Višeslav Raos von der Fakultät für Politikwissenschaften der Uni Zagreb. Doch nicht nur die Zahl an sich ist problematisch: "Das wahre Problem in Kroatien ist, dass diese Minister oft nach einer Korruptionsaffäre gehen müssen", so der Politikwissenschaftler.
Korruptionsverdacht belastet mehrere Minister
Ein Beispiel hierfür ist Darko Horvat, der von 2020 bis 2022 Minister für Raumplanung, Bauwesen und Staatseigentum war. Er wird in die kroatische Geschichte eingehen als erster Minister, der während seiner Amtszeit verhaftet wurde. Gegen ihn wird wegen des Verdachts ermittelt, mehr als 350.000 Euro staatliche Subventionen an ihm nahestehende Firmen ohne Wettbewerb verteilt zu haben. Besonders brisant ist, dass im gleichen Fall noch zwei weitere ehemalige Minister der Regierung Plenković angeklagt sind, denen durch einen schnellen Rücktritt das peinliche Abführen in Handschellen aus ihren Ministerien erspart blieb: der ehemalige Arbeitsminister Josip Aladrović und Ex-Landwirtschaftsminister Tomislav Tolušić. Außerdem ist der ehemalige Vizepremier aus den Reihen der serbischen Minderheit in Kroatien, Boris Milošević, in dem Fall angeklagt.
Auch Gabrijela Žalac, in den Jahren 2016-2019 Ministerin für regionale Entwicklung und EU-Fonds, musste vorzeitig ihren Hut nehmen. Ihr Abstieg begann im März 2019, als sie ohne gültige Fahrerlaubnis in einer deutschen Luxuslimousine ein Kind anfuhr und schwer verletzte. Unter Tränen gestand sie damals Journalisten, ihr Führerschein sei schon vor drei Jahren abgelaufen und sie hätte vergessen, ihn zu verlängern. Für Premierminister Plenković war dies kein Grund zum Rücktritt der Ministerin, da "so etwas jedem passieren könnte". Die Luxuslimousine wurde der Ministerin allerdings dann doch zum Verhängnis, da sie sich zunehmend in Widersprüche bezüglich des Fahrzeugs verstrickte, das ihr angeblich von einem einflussreichen Unternehmer "zur Verfügung gestellt wurde". Mittlerweile wird gegen die Ex-Ministerin auch wegen des Kaufs überteuerter Software ermittelt. Außerdem ermittelt die Europäische Staatsanwaltschaft wegen Veruntreuung gegen sie – es geht um den Verdacht, dass sie zwischen 2017 und 2019 private Abendessen in Luxusrestaurants aus EU-Fonds und dem kroatischen Haushalt bezahlt hat. Der Schaden: fast 10.000 Euro.
Obwohl der massive Personalverschleiß und die damit verbundenen Affären in anderen Ländern in der Regel zum Rücktritt des Premierministers führen würden, ist sich Plenković keiner Schuld bewusst. Statt mangelhaftes Personalmanagement zuzugeben, verteidigt der kroatische Regierungschef seine Minister meist bis zum Schluss, obwohl die Indizien eindeutig gegen sie sprechen. "Der Premierminister wartet immer ab, damit nicht der Anschein entsteht, die Opposition oder Medien hätten ihn gezwungen, jemanden abzulösen. Nach drei, vier Monaten sagt er dann, es wäre seine Entscheidung oder die Entscheidung der Partei. Er will keine Schwäche zeigen gegenüber der Opposition und den Medien", sagt Politologe Raos.
Regierung will Enthüllungsjournalisten knebeln
Ohne die Medien wären die meisten der entlassenen Minister immer noch im Amt. Bekannte Nachrichtenportale decken regelmäßig Verfehlungen der Regierung auf – Korruption, Amtsmissbrauch und Vetternwirtschaft. Nun soll jedoch ausgerechnet zu Beginn des Superwahljahres 2024, in dem in Kroatien Parlaments-, Präsidentschafts- und die Europawahlen stattfinden, das Strafgesetzbuch auf Betreiben der Regierung Plenković um einen neuen Straftatbestand ergänzt werden: Wer unerlaubt Informationen aus Ermittlungs- oder Beweishandlungen offenlegt, riskiert bis zu drei Jahre Haft.
Nach Einwänden des Kroatischen Journalistenverbands und einer Kundgebung kroatischer Journalisten sollen Reporter, die im Interesse der Öffentlichkeit handeln, von diesem Straftatbestand ausgenommen werden. Doch Whistleblower, also Personen, die interne Informationen an Journalisten weitergeben, können nach diesem Gesetz strafrechtlich verfolgt werden. Zwar können Journalisten in Kroatien nicht gezwungen werden, ihre Quellen zu nennen, doch fürchtet der Journalistenverband, dass man unter dem Deckmantel des neuen Strafrechts Telefone und Computer von Journalisten ausspioniert, um die "undichten Stellen" zu finden – und wer weiß, was noch alles "nebenbei".
So entsteht zwangsläufig der Eindruck, dass die Regierung, statt das Problem der Korruption und Vetternwirtschaft zu lösen, lieber die Berichterstattung darüber so schwer wie möglich machen will. Der Politikwissenschaftler Raos weiß warum: "Plenković hat einfach Angst davor, was da im Wahljahr noch alles rauskommt. Er ist inzwischen jedoch ein bisschen zurückgerudert, weil es wegen der Pressefreiheit möglicherweise Konsequenzen aus Brüssel gegeben hätte."
Wählt Premier Plenković absichtlich schwache Minister?
Premier Plenković und seine Partei HDZ ("Kroatische Demokratische Gemeinschaft") werden die bevorstehenden Parlamentswahlen im September 2024 laut Umfragen wohl gewinnen. Bis zur Wahl müsste es auch möglich sein, unter den 213.077 Mitgliedern der Partei 16 Ministerkandidaten finden, die eine ganze Legislaturperiode durchhalten. Doch der Politologe Raos glaubt, dass das gar nicht gewollt ist: "In der HDZ selbst gibt es in der Parteispitze gewisse Machtkämpfe, und Plenković fürchtet, dass der eine oder andere Minister ihn vielleicht in den Schatten stellen könnte. Deshalb sind die meisten Minister, die er auswählt, politisch viel schwächer als er." Und so hat Plenković gute Chancen, seinen eigenen Rekord an vorzeitig abgelösten Ministern nach der Wahl zu brechen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Heute im Osten – Der Osteuropa-Podcast | 09. März 2024 | 07:17 Uhr