Brüssel-Warschau Umstrittenes Justizgesetz: EU-Kommission verklagt Polen

31. März 2021, 15:26 Uhr

Die EU-Kommission geht wegen der polnischen Justizreform gegen die Regierung in Warschau vor. Die Brüsseler Behörde verklagte Polen am Mittwoch vor dem höchsten europäischen Gericht. Polen verweist indes auf nationales Recht und sieht keine Rechtfertigung für die Einmischung der EU.

Die EU-Kommission hat Polen erneut wegen einer umstrittenen Justizreform vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt. Ein polnisches Gesetz zur Bestrafung von Richtern untergrabe deren Unabhängigkeit sowie das Prinzip des Vorrangs von EU-Recht, erklärte die Brüsseler Behörde am Mittwoch.

Die EU-Kommission beantragte darüber hinaus eine einstweilige Anordnung, um die Anwendung des Gesetzes vorzeitig auszusetzen. Der von Regierungsgegnern "Maulkorb-Gesetz" genannte Rechtstext ist seit dem Februar 2020 in Kraft. Seitdem können polnische Richter für Kritik an den bisherigen Reformen bestraft werden. Die nationalkonservative Regierungspartei PiS gibt an, gegen Korruption vorzugehen. Die Opposition wirft der Regierung hingegen vor, Richter mundtot machen zu wollen.

Unabhängigkeit der Richter nicht gewährleistet

Schon die Androhung von Disziplinarverfahren bedrohe die Unabhängigkeit der Richter, erklärte die Kommission. Zudem sei die "Unabhängigkeit und Unparteilichkeit" der für die Disziplinarverfahren zuständigen Kammer des Obersten Gerichtshofs nicht gewährleistet, sagte Justizkommissar Didier Reynders. Weil diese wiederholt geäußerten Bedenken nicht ausgeräumt werden konnten, rufe die Kommission nun den EuGH in Luxemburg an.

Brüssel sieht laut Reynders zudem "die Gefahr eines ernsten und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Unabhängigkeit der Justiz in Polen und für die Rechtsordnung der Union". Deshalb beantrage die Kommission in Luxemburg eine einstweilige Anordnung, um die Disziplinarkammer davon abzuhalten Richtern die Immunität zu entziehen und bisherige derartige Entscheidungen rückgängig zu machen.

Reaktion der polnischen Regierung

Ein polnischer Regierungssprecher reagierte unverzüglich auf die Nachricht aus Brüssel auf Twitter: Die Rechtspflege falle in die nationale Domäne, was sich unmittelbar aus der Verfassung der Republik Polen ergebe. "Das Ersuchen der EU an den EuGH ist weder rechtlich noch sachlich gerechtfertigt", so der polnische Regierungssprecher Piotr Muller.

Während die Regierung noch keine Maßnahmen ergreifen will, sehen viele Richter in der heutigen Entscheidung einen Teilerfolg. Der Präsident der Richtervereinigung "Iustitia", Krystian Markiewicz, sagte dem Nachrichtenportal onet.pl, dass dies ein "Sieg für freie Menschen" sei. Markiewicz erinnerte zugleich an die vielen Richter, die zurzeit ihre Arbeit nicht ausüben dürfen und Gehaltskürzungen hinnehmen müssen.

Krystian Markiewicz
Der Präsident der Richtervereinigung Iustitia, Krystian Markiewicz sieht einen Erfolg in der erneuten Klage. Bildrechte: imago images/Eastnews

Die EU-Kommission liegt seit Jahren wegen verschiedener Änderungen im Justizwesen mit der rechtsgerichteten Regierung in Warschau über Kreuz. Brüssel wirft Warschau vor, die Unabhängigkeit der Justiz systematisch zu beschneiden und die Gewaltenteilung zu untergraben.

Bereits im April 2018 hatte der EuGH die Arbeit einer 2018 neu aufgestellten polnischen Disziplinarkammer für Richter bis auf Weiteres ausgesetzt. Das Urteil steht noch aus. Die Kommission droht Polen hier wegen mangelhafter Umsetzung der EuGH-Anordnung bereits mit einer weiteren Klage.

Quellen: AFP, Reuters, TVP, twitter

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 31. März 2021 | 13:00 Uhr

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