Eine Bohrinsel im Meer
Eine Bohrinsel im Meer (Symbolbild). Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Erdgasvorkommen Rumänien könnte russisches Gas-Monopol erschüttern

04. August 2022, 16:58 Uhr

Rumänien ist jeden Winter auf russisches Gas angewiesen, es bezieht zwischen 20 bis 30 Prozent. Doch das kann sich ändern, würde das Land seine riesigen Erdgasvorkommen im Schwarzen Meer erschließen. Nur wie sicher ist die Erdgasförderung derzeit im Schwarzen Meer, wenn in unmittelbarer Nähe der Ukraine-Krieg tobt?

  • Rumänien hat riesige Gasvorkommen im Schwarzen Meer. Seit Jahren sind sie bekannt, doch erst jetzt werden sie allmählich gehoben.
  • Jahrelang hatte die rumänische Politik die Gesetzgebung vor sich hergeschoben und damit auch Investoren verprellt.
  • Die Offshore-Anlagen sind im Schwarzen Meer. In der Nähe tobt der Ukraine-Krieg. Wird der die rumänische Erdgasförderung beeinflussen?

Seit einigen Wochen profitiert Rumänien erstmals von seinen eigenen Erdgasvorkommen, das es aus den Tiefen des Schwarzen Meeres holen lässt. Bei der Feier zu den ersten Lieferungen Ende Juni sagte Rumäniens Energieminister Virgil Popescu, er bewundere die Geduld und Ausdauer des Unternehmens, das über acht Jahre auf die entsprechende Gesetzgebung gewartet habe. Erst im Mai war die entsprechende Regelung auf den Weg gebracht worden. 

Erste Gasförderung im Juni gestartet

Drei Männer bei der Einweihung der rumänischen Gasproduktion im Schwarzen Meer im Juni 2022
Bei der Einweihung des Gasprojektes von Black Sea Oil & Gas im Juni. Mit dabei Energieminister Virgil Popescu (r.). Bildrechte: IMAGO/Xinhua

Die aktuelle Fördermenge der Firma Black Sea Oil & Gas deckt derzeit gut fünf Prozent des jährlichen rumänischen Gasbedarfs ab – einen Bruchteil also nur, doch immerhin ein Anfang. Denn Rumänien hat in seinem Wirtschaftsraum vom Schwarzen Meer riesige Gasvorkommen liegen, die nur erschlossen werden müssten. Die internationale Finanzberatungsgesellschaft Deloitee geht von einem Vorkommen von bis zu 170 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus. Das ist immerhin so viel, wie Russland in einem Jahr in die EU liefert. Rumänien könnte damit über mehr als ein Jahrzehnt lang seinen eigenen Erdgasbedarf decken.

Gewaltiges Rohstoffpotenzial bislang ungenutzt

Doch schiebt das Land seit Jahren den Traum von der Energieunabhängigkeit auf. "Wir haben wertvolle Zeit verloren und nun trifft uns die Energiekrise ausgerechnet inmitten ungetätigter Investionen", sagt Eugenia Gusilov vom rumänischen Think Tank "Romania Energy Center" auf Anfrage der MDR-Osteuroparedaktion. "Wir hätten schon in diesem Jahr vollständig unabhängig von Gasimporten sein können. Der rumänische Staat hatte alle nötigen Karten dazu in der Hand".

Exxon steigt aus geplanter Investition aus

Das Logo von Exxon Mobil ist auf einem Bildschirm von einem Handy neben einer Illustration des schnelllebigen Aktienmarkts zu sehen.
Exxon Mobil verabschiedete sich 2020 aus dem Neptun-Deep-Projekt und verkaufte seine Anteile. Bildrechte: IMAGO / Alexander Pohl

Jedoch mangelt es den rumänischen Entscheidungsträgern seit Jahren an Gespür für die Dringlichkeit von Investitionen, gerade in Offshore-Anlagen im Schwarzen Meer. Um den Rohstoff vom Meeresgrund zu fördern, braucht es ausländische Investoren, weil rumänischen Erdgasfirmen, die bislang vor allem den Rohstoff an Land gefördert haben, hier das entsprechende Know-How fehlt.

Die Politik legt dagegen die Förderbedingungen für die neuen Investitionen fest. Jahrelang rang das rumänische Parlament darum, wie hoch sie die ausländischen Investoren im Schwarzen Meer besteuern solle. 2018 wurden sie in einem Offshore-Gesetz zu einer Sondergewinnsteuer verpflichtet, auch sollte die Hälfte des gewonnenen Gases im Land verbleiben und nicht an die Nachbarn exportiert werden. Der internationale agierende US-Energiekonzern ExxonMobile zog sich daraufhin genervt aus dem größten Erdgasprojekt im Schwarzen Meer zurück: vom Gasfeld Neptun Deep. 

Rumänien mildert Offshore-Gesetz ab

Rumänien - Rumänisches Parlament
Der einstige Ceausescu-Palast, in dem das rumänische Parlament tagt und seine Entscheidungen fällt. Bildrechte: Annett Müller/MDR

Exxons Hälfte am Gasfeld kaufte der staatliche rumänische Energiekonzern Romgaz, der jedoch über keinerlei Erfahrung verfügt, Erdgas vom tiefen Meeresgrund zu fördern. Die andere Hälfte gehört dem österreichischen Energiekonzern OMV, der zugleich Betreiber und Lizenznehmer des gesamten 7.500 Quadratkilometer großen Blockes ist. Ob OMV tatsächlich die Erschließung angehen wird, will der Konzern erst im kommenden Jahr festlegen.

Im Mai hatte das rumänische Parlament sein umstrittenes Offshore-Gesetz noch einmal leicht abgeändert und die Steuern gesenkt, um den Konzern als Investor wieder mit ins Boot zu holen. Ein Vorkaufsrecht für den rumänischen Staat soll es jetzt nur noch im Fall einer Energiekrise geben. Von OMV hieß es vor Tagen, man begrüße das Gesetz, es bestehe aber immer noch ein gewisser Klärungsbedarf, was den freien Markt angehe.

Erdgasvorkommen nahe am Kriegsgeschehen

Doch sollten die Energiekonzerne ausgerechnet jetzt im Schwarzen Meer eine milliardenschwere Investition tätigen, wo der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine tobt? Immer wieder durchqueren russische Kriegsschiffe die Gewässer des rumänischen Wirtschaftsraums im Schwarzen Meer – verboten ist das nicht, doch bringt es den Krieg in greifbare Nähe. "Natürlich ist das Risiko im Schwarzen Meer gerade deutlich höher für Investoren, als in der Nordsee", sagt Johannes Peters, Leiter der Abteilung Maritime Strategien und Sicherheit im Institut für Sicherheitspolitik der Uni Kiel im MDR-Interview.

Schlangeninsel monatelang umkämpft

Über Monate hatte es zwischen der Ukraine und Russland beispielsweise erbitterte Kämpfe um die Schlangeninsel im Schwarzen Meer gegeben, die nur gut 45 Kilometer entfernt von der rumänischen Küste liegt.

Auch wenn die Ukraine ihre Insel zurückerobern konnte, sind neue russische Angriffe im Schwarzen Meer nicht ausgeschlossen, meint Sicherheitsexperte Johannes Peters: "Russland hat die Fähigkeit, über große Distanzen Präzisionsschläge durchzuführen." Wer in einer solch sicherheitspolitisch volatilen Umgebung Rohstoffexploration betreiben wolle, müsse sogenannte Kollateralschäden mit einpreisen.

Wer in einer solch sicherheitspolitisch volatilen Umgebung Rohstoffexploration betreiben möchte, muss sogenannte Kollateralschäden mit einpreisen.

Johannes Peters Leiter der Abteilung Maritime Strategien und Sicherheit im Institut für Sicherheitspolitik der Uni Kiel

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Der frühere NATO-General und Generalleutnant a.D. Erhard Bühler 61 min
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MDR AKTUELL Fr 01.07.2022 17:20Uhr 60:38 min

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Schlangeninsel Um die Schlangeninsel hatten sich die Ukraine und Rumänien jahrelang gestritten, vor allem um die 12.000 Quadratkilometer große Nutzungszone rund um die Insel, wo Erdgas- und Erdölvorkommen liegen. 2009 entschied der Internationale Gerichtshof für Menschenrechte, dass Rumänien 80 Prozent der Zone gehören, die restlichen 20 Prozent der Ukraine.

Schiffe in Odessa zum Spottpreis verkauft

Besonders betroffen im Schwarzen Meer ist die internationale Schifffahrtbranche, die im ukrainischen Seegebiet durch den Krieg vier Monate lang völlig zum Erliegen gekommen war. "Wir bekommen als Reeder die geopolitischen Spannungen immer als Erste zu spüren", sagt Irina Haesler von der EU-Vertretung des Verbands Deutscher Reeder auf MDR-Anfrage. Seit Kriegsbeginn saßen im Hafen von Odessa zwischen 60 bis 100 Handelsschiffe fest, darunter sollen auch mindestens drei deutsche sein. Konkrete Zahlen will aus Sicherheitsgründen niemand nennen. Wegen der hohen Kosten hätte so mancher Reeder "sein Schiff samt Ladung zu einem Spottpreis verkaufen müssen", sagt Haesler.

Hohe Versicherungsprämien für Reeder erwartet

Dass es nun durch einen Sicherheitskorridor wieder zu Getreideschifffahrten kommt, begrüßt der Verband. "Die Entscheidung, sich daran zu beteiligen, wird mit Sicherheit kein Reeder leichtfertig treffen", sagt Haesler. Sie geht von hohen Versicherungskosten für die Schiffseigner aus: "Das wird jedes Unternehmen für sich ökonomisch abwägen müssen." Unklar ist, ob die Reeder überhaupt eine Versicherung finden, die ihnen mögliche Kriegsschäden im Schwarzen Meer absichert.

Investoren brauchen in Rumänien starke Nerven

EIn Mitarbeiter auf einer Förderanlage
Die neue Förderanlage von Black Sea Oil & Gas. Das Unternehmen gehört der US-Investmentfirma Carlyle Group und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Bildrechte: IMAGO/Xinhua

Doch wie unsicher ist das Schwarze Meer für die Erdgas-Investoren geworden? Das US-Energieunternehmen Black Sea Oil & Gas, das seit wenigen Wochen Erdgas aus dem Schwarzen Meer fördern lässt, erklärt auf MDR-Anfrage, dass "die eigenen Offshore-Aktivitäten bis auf einige logistische Auswirkungen nicht von den militärischen Auseinandersetzungen zwischen der Ukraine und Russland beeinträchtigt sind". Man befinde sich in dem Teil des Schwarzen Meeres, der nicht in die Feindseligkeiten verwickelt sei.

Auch Bukarester Energieexpertin Eugenia Gusilov glaubt nicht, dass der Ukraine-Krieg die geplante rumänische Erdgasförderung im Schwarzen Meer gefährden könnte. Im Gegenteil: Mit Erdgas kann man gerade viel Geld verdienen – der Rohstoff wird zu Höchstpreisen gehandelt, wie schon seit Jahren nicht mehr. Hinzu kommt: Wer in Rumänien Investitionen tätige, brauche starke Nerven, sagt Gusilev. "Jeder Investor in Rumänien bringt vor dem Hintergrund einer turbulenten Konjunktur aber auch einer sich ständig ändernden Gesetzgebung im Land, eine gehörige Portion Optimismus von Haus aus mit und hat Projekte, die im wahrsten Sinne des Wortes kugelsicher sind."

Kann Rumänien zum gewichtigen Gasproduzenten werden?

Würden Rumäniens Erdgasreserven vollständig angezapft, könnte das Land das russische Gasmonopol in seiner Region ernsthaft erschüttern und seine Nachbarländer über längst existierende Pipelines mit versorgen. Im Vergleich: Rumänien selbst verbraucht jährlich rund zehn bis elf Milliarden Kubikmeter, Ungarn hat einen ähnlich hohen Konsum. Auch Bulgarien und die Republik Moldau ließen sich mit Jahresbedarfen von rund vier Milliarden Kubikmeter Gas gut mit versorgen.

Als im Mai das Parlament das neue Offshore-Gesetz verabschiedete, erklärte Energieminister Virgil Popescu, dass Rumänien nun zum gewichtigen Gasproduzenten in der Region werde. Energieexpertin Gusilov können solche Sätze jedoch nicht mehr beeindrucken: "Seit über einem Jahrzehnt erlebe ich einen unfähigen Staat, der sein Energiepotenzial bedauerlicherweise nicht ausschöpft."

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 13. Juli 2022 | 09:30 Uhr

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