Walden Ich bin dann mal weg: Wandern auf Tschechiens "Jakobsweg"

07. August 2021, 05:00 Uhr

Wandern in Tschechien wird immer beliebter. Die Wanderwege hier führen zu Wallfahrtsorten, Kneipen oder einfach nur in die Wildnis. Jetzt kann man das Land sogar entlang seiner Grenzen erwandern.

Die Prager Journalistin Helena Truchlá
Bildrechte: Helena Truchlá | MDR

Er ist 2.000 Kilometer lang, führt vom westlichsten Punkt Tschechiens im Dreiländereck Bayern-Sachsen-Böhmen entlang der nördlichen Grenze des Landes bis in den äußersten Osten und entlang der Südgrenze zurück gen Westen.

Die Idee zu diesem Rundwanderweg entlang der tschechischen Grenzen hatte der Tscheche Martin Úbl. Der Outdoor-Spezialist eroberte schon den Balkan, Island, Nepal, Bolivien und Peru - alles zu Fuß. Vor zwei Jahren beendeten er und seine Freunde einen extrem anspruchsvollen Weg durch die kanadischen Rocky Mountains. "Und dort dachten wir uns, dass auch Tschechien einen wirklich schönen Wanderweg verdient hätte. So etwas wie den Jakobsweg", sagt Úbl. 

Verbindung zu sich selbst

2020 war es dann so weit, der Fernwanderweg Stezka Českem war geboren, was schlicht "Tschechischer Wanderweg" bedeutet. Und schon jetzt erfreut er sich großer Beliebtheit bei Wanderern im In- wie Ausland. Die gleichnamige Facebook-Gruppe hat bereits fast 19.000 Mitglieder. Sie tauschen sich über ihre Pläne aus und teilen Fotos, die sie an schönen Orten der tschechischen Grenzregionen aufgenommen haben. Den Sonnenaufgang über dem Böhmischen Mittelgebirge (České Středohoří) etwa - ein Ausblick, den schon Alexander von Humboldt als "drittschönsten der Welt" bezeichnete.

"Irgendwann wurde mir klar, dass es keine Rolle spielt, ob ich irgendwo in 5000 Metern Höhe bin oder hier zu Hause. Das Glück kommt von innen", so Úbl. Es ist der gleiche Gedanke, den Hape Kerkeling in seinem Bestseller "Ich bin dann mal weg" über die Pilgerreise auf dem Jakobsweg formuliert hat: "Auf dem Weg treffe ich eigentlich immer wieder nur auf eins: auf mich." Auch in Tschechien gibt es laut Úbl noch Berglandschaften, in denen man tatsächlich alleine unterwegs sein kann. Das Lausitzer Gebirge gehöre etwa dazu, der Adersbach oder die Umgebung von Braunau.

Fernwandern wird immer beliebter

Überhaupt nehme das Phänomen des Fernwanderns zu, so Úbl weiter. "Dazu hat auch die Pandemie beigetragen. Als die Leute nirgendwo anders hingehen konnten, haben sie gemerkt, dass auch die tschechischen Berge wunderschön sind, und wie befreiend es ist, längere Zeit draußen in der Natur zu verbringen," sagt er. Dass Úbl Recht damit hat, zeigt sich auch daran, dass parallel zur Entwicklung seiner Strecke eine praktisch identische Route namens Via Czechia geschaffen wurde. Sie kann sogar von Radfahrern und Skilangläufern genutzt werden. 

Martin Úbl besteht darauf, dass seine Route für jedermann machbar ist. Und Zugänglichkeit ist in der Tat einer der großen Vorteile der tschechischen Natur. Selbst der höchste aller Berge, die Schneekoppe, ist nur 1.600 Meter hoch. Den Gipfel erreicht man entweder über einen felsigen Pfad mit Führungsseil, über einen asphaltierten Weg oder schlicht mit einer bequemen Seilbahnfahrt - was immer man sich zutraut. Auch Feinschmecker kommen auf Tschechiens Wanderwegen, die mit einem dichten Netz aus Kneipen und Bistros überzogen sind, auf ihre Kosten. Und wer auf Nummer sicher gehen möchte, kann sich bei seiner Routenplanung an einem speziellen Wanderführer mit ausführlichen Gastro-Tipps orientieren – denn auch das Wandern zum Essen hat in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen. 

In die Wildnis eintauchen

Im Erzgebirge, entlang der deutschen Grenze, trifft man jedoch eher auf verlassene Häuser und Ruinen als auf Menschen, Hotels oder Kneipen. Auf Wiesen und in Wäldern stößt man noch immer auf die Überreste der Häuser von Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Sudetenland vertrieben wurden. Die Route der Wahl heißt hier "Krušnohorský kverunk" – der Name leitet sich vom deutschen "überqueren" ab.

Der "Tschechische Wanderweg" führt ebenso wie die Via Czechia auch zu religiösen Wallfahrtsorten. Nächstenliebe, Mitgefühl und Hilfe gibt es aber entlang der ganzen Strecke. Die sogenannten "Trail Angels" sind Freiwillige, die den Pilgern eine Möglichkeit zum Aufladen ihrer Handys, zum Kochen von Tee oder sogar einen trockenen Schlafplatz anbieten – in einem Schuppen im Garten etwa. Alles völlig kostenlos. Ihre Namen und oft auch Telefonnummern findet man in der Routenbeschreibung des Tschechischen Wanderwegs. 

Das Projekt, das als Idee einiger Enthusiasten begann, wird nun auch vom traditions- wie einflussreichen "Klub Tschechischer Touristen" unterstützt und erhält bald eine eigene offizielle Beschilderung. Die Mitglieder der 1888 gegründeten Wandervereinigung kümmern sich mittlerweile um ein rund 40.000 Kilometer langes Wegenetzwerk im Land, das zu den besten der Welt zählt. "Nun, wir Tschechen sind einfach großartige Wanderer, das ist sicher", meint Abenteurer Martin Úbl. 

Urlauber am Strand. 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
2 min

Ob Strandidyll oder Partymeile - der Mácha-See im Norden Tschechiens hat für alle Gäste ein Plätzchen zu bieten. Ein Meer braucht es da nicht.

Do 01.08.2013 10:00Uhr 01:36 min

https://www.mdr.de/heute-im-osten/video285946.html

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Geheimnisvolle Orte: Die Schneekoppe | 09. März 2021 | 22:10 Uhr

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