Polen Freispruch im Prozess um die Regenbogen-Madonna
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05. März 2021, 16:59 Uhr
Wer die religiösen Gefühle der Polen verletzt, muss mit harten Strafen rechnen. Im Prozess um die sogenannte Regenbogen-Madonna gab es am Dienstag jedoch einen Freispruch.
Elżbieta Podleśna und zwei weitere Aktivistinnen, die vor zwei Jahren Bilder der in Polen verehrten "Schwarzen Madonna" verteilt hatten, auf denen die Heiligenscheine in Regenbogenfarben dargestellt waren, bleiben auf freiem Fuß. Das hat am Dienstag ein Gericht in Płock entschieden. Aus Sicht der Richter wollten die Angeklagten keine religiösen Gefühle verletzen. Die Aktion sei zwar provokativ gewesen, aber auch eine Reaktion auf eine verletzende und homophobe Ausstellung in der Kirche in Płock. Die Staatsanwaltschaft forderte für die drei Aktivistinnen eine Freiheitsbeschränkung von sechs Monaten und die Pflicht, soziale Arbeit zu leisten.
Konkret ging es bei der Verhandlung um den Artikel 196 der polnischen Strafgesetzgebung. Dieser sieht eine Geldstrafe, eine Freiheitsbeschränkung oder eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren vor, wenn jemand die religiösen Gefühle anderer verletzt, indem er öffentlich einen Gegenstand religiöser Verehrung oder einen Ort der öffentlichen Religionsausübung beleidigt. Kritiker sahen in dem Prozess einen weiteren Angriff auf die Meinungsfreiheit und den Versuch, Demonstranten einzuschüchtern. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder die Helsinki Foundation for Human Rights forderten seit langem dazu auf, das Verfahren gegen Podleśna einzustellen.
Elżbieta Podleśna hatte im Jahr 2019 Aufsehen erregt, als sie zusammen mit zwei anderen Aktivistinnen in der Stadt Płock Bilder der Schwarzen Madonna mit Regenbogenmotiv verteilte. Sie protestierte damit gegen eine Ausstellung in der dortigen Kirche, die nahelegte, dass LGBT und Gender mit angeblichen Sünden wie "Verrat" oder "Gier" gleichzusetzen seien. Die Schwarze Madonna hat in Polen einen hohen Stellenwert. Das Bild der Heiligen ist im Kloster in Częstochowa ausgestellt und zieht jedes Jahr Millionen von Pilgern aus dem ganzen Land an. Die Veränderung dieses Heiligenbildes sorgte deshalb für ein enormes Echo und spaltete das Land in Befürworter und Gegner von Podleśnas Aktion.
Debatte um Einsatz der Polizei
Im Vorfeld des heutigen Urteils sorgte bereits das Vorgehen der Polizei für große Aufregung: Kurz nach ihrer Aktion wurde Podleśna von der Polizei festgenommen und anschließend verhört, ihr Haus wurde durchsucht und ihre elektronischen Geräte beschlagnahmt. Das Gericht in Płock sollte klären, ob der Einsatz gegen Podleśna gerechtfertigt war. Es kam zu dem Ergebnis, dass ihre Inhaftierung zwar ungerechtfertigt, aber dennoch legal gewesen sei. Die Aktivistin forderte daraufhin eine Entschädigung. Das Gericht sprach ihr schließlich eine Entschädigung von 8.000 Złoty (etwa 1.800 Euro) zu. Podleśna gab bekannt, dass sie das Geld an die Organisation Trans-Fuzja spenden wolle, die sich für die Rechte von Transmenschen in Polen einsetzt.
LGBT | LGBTI steht als Abkürzung für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender-Personen oder Intersexuelle. Daneben existieren diverse Bezeichnungen, wie LGBT+, die Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen oder geschlechtlichen Identitäten einbeziehen soll. Das Plus steht somit auch für queere und asexuelle Menschen.
Kämpferin für Frauenrechte und LGBT-Personen
Elżbieta Podleśna ist eine der Führungsfiguren im Kampf für LGBT- und Frauenrechte in Polen. Sie war unter anderem Teil des Frauenstreiks und setzt sich seit langem öffentlich für die Rechte von LGBT-Personen in Polen ein. Die einen sehen in ihr die Kämpferin für mehr Rechte für Minderheiten, andere befürworteten damals ihre Festnahme und empfinden sie als Bedrohung des traditionellen, konservativen Polens. Auf der einen Seite gab es Solidaritätsbewegungen unter den Namen "Der Regenbogen beleidigt nicht" oder "Ela befreien" in mehreren polnischen Städten. Auf der anderen Seite kommentierte beispielsweise der damalige Innenminister Joachim Brudziński von der Regierungspartei PiS, dass es sich um eine "Entweihung des Muttergottes-Bildes" gehandelt habe, "das die Polen seit Jahrhunderten als heilig betrachten". Die polnische Gesellschaft bleibt in der LGBT-Frage tief gespalten und die Gräben zwischen beiden Lagern sind tief. Die Debatte um die sogenannte Regenbogen-Madonna hatte das noch einmal deutlich gemacht.
Kirche und PiS gegen LGBT und Gender
Die Stellung der katholischen Kirche ist in Polen weit bedeutender als in Deutschland. Fast 90 Prozent aller Polen sind katholisch. Somit hat die Kirche immer noch eine gewichtige Stimme bei öffentlichen Debatten. Zum Thema LGBT und Gender äußern sich ranghohe Geistliche immer wieder und stigmatisieren die Begriffe als "Ideologie". Auch die regierende PiS-Partei profitiert von den Ängsten vieler Polen vor diesen Themen und hatte ihre Wahlkämpfe zur Parlamentswahl 2019 und zur Präsidentschaftswahl 2020 unter anderem auf der Ablehnung anderer geschlechtlicher Orientierungen und Lebensweisen aufgebaut. Zuletzt geriet Polen in die Schlagzeilen, weil sich ein Großteil der Städte und Gemeinden im Osten des Landes zur "LGBT-freien Zone" erklärte. Menschenrechtsorganisationen kritisierten dies und bemängelten, dass sich die Lage für Minderheiten im Land deutlich verschlechtert habe.
(Volker Queck)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 20. Februar 2021 | 07:15 Uhr