Auszubildende aus Osteuropa Thüringen: Azubis aus dem Ausland sind Verlierer der Corona-Krise
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25. Juli 2020, 22:33 Uhr
Kaum eine Branche hat in Mitteldeutschland so unter dem Fachkräftemangel zu leiden wie die Gastronomie. So ist in Thüringen die Zahl der Auszubildenden in den vergangenen 15 Jahren um drei Viertel zurückgegangen. Darum wirbt man im Freistaat gezielt Lehrlinge aus dem Ausland an, auch aus Osteuropa. Doch durch Corona müssen die nach drei Jahren Ausbildung nun um ihre Zukunft in Deutschland fürchten.
In der Thüringer Gastronomie herrscht Fachkräftemangel. Jeder dritte Azubi stammt deshalb aus dem Ausland. Aus 16 Nationen kommen die Lehrlinge an der Berufsschule des Gaststättenverbands Dehoga. Mehr als 600 hat Geschäftsführer Dirk Ellinger in den vergangenen Jahren nach Thüringen geholt.
Auszubildenden wurde Arbeit versprochen
Nun sorgt er sich um die Zukunft seiner Auszubildenden. Denn viele Betriebe wissen aktuell nicht, ob sie ihre Lehrlinge im Herbst auch übernehmen können. "Es gibt einige Unternehmen, die sagen: Wir werden dieses Jahr keinen Mitarbeiter einstellen können, weil die Situation immer noch dramatisch ist. Wir haben viel zu viel Umsatz verloren", so der Dehoga-Geschäftsführer Thüringen.
Doch die Auszubildenden seien auch nach Thüringen gekommen, weil ihnen Arbeit versprochen wurde: "Wir haben sie teilweise angeworben mit dem Versprechen: Erstens haben wir für euch einen Ausbildungsplatz, wir kümmern uns um euch. Und zum Zweiten: Nach der Ausbildung gibt es dann auch ein Jobangebot in der Gastronomie."
Das bekommt auch Mykola Matusevych zu spüren: Der Ukrainer ist vor drei Jahren für die Kochausbildung aus Lemberg ins 1.000 Kilometer entfernte Friedrichroda im Thüringer Wald gekommen. Durch den Fachkräftemangel werden ausländische Auszubildende eigentlich händeringend gesucht. Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt wären für den 23-Jährigen gut - wäre da nicht Corona. Seine Kochprüfung hat er bereits bestanden und er will in Deutschland bleiben. Doch viele Betriebe scheuen sich zurzeit einzustellen.
Oliver Bosse betreibt ein Restaurant und eine Pension im thüringischen Dachwig. Auch hier lernen einige Azubis des Gaststättenverbands Dehoga. Das Geschäft laufe gerade wieder an, sagt der Restaurantchef. Allerdings bisher nur "60 Prozent des herkömmlichen Umsatzes. Da habe ich die fehlenden Hochzeiten noch nicht eingerechnet."
Mehr als 30 Hochzeitsfeiern wurden dem Unternehmer Oliver Bosse diesen Sommer abgesagt. Seine Azubis will und muss er trotzdem unbedingt halten – auch mit Blick auf die Zukunft. Denn der Fachkräftemangel ist hier, 15 Kilometer außerhalb von Erfurt, sehr deutlich spürbar: Oliver Bosse findet seit Jahren keine deutschen Lehrlinge. Deshalb hat er sich von der Dehoga vier ausländische Azubis vermitteln lassen: drei aus Vietnam, einen aus Polen. In der Corona-Krise mussten die plötzlich den Job der Festangestellten machen. Denn Azubis dürfen nicht in Kurzarbeit geschickt werden.
Dirk Ellinger von der Dehoga setzt auch nach der Krise auf die ausländischen Mitarbeiter: "Wir haben bei uns in der Unternehmerschaft ein Durchschnittsalter von 55 Jahren. Das heißt, die Unternehmer werden statistisch gesehen in den nächsten zehn Jahren alle ihr Unternehmen aufgeben und übergeben, wenn sie denn einen Nachfolger haben. Aber ich finde keinen Nachfolger, wenn ich kein Personal habe. Personal heißt Fachkräfte. Und deswegen muss ich ausbilden. Und wenn ich die Lehrlinge hier nicht finde, muss ich sie aus dem Ausland holen."
Die Situation für die Kochazubis in Erfurt ist widersprüchlich. Sie werden dringend als Fachkräfte benötigt. Ob sie als solche in diesem Jahr auch arbeiten können, ist wegen Corona jedoch ungewiss.
Mehr zu Mykola Matusevych Für die Heute-im-Osten-Reportage haben wir den Lehrling aus der Ukraine auf seinem Weg zur Prüfung begleitet: „Kein Rezept für die Zukunft - Koch-Azubis in der Krise“ am 25.07.2020 um 18 Uhr hier im MDR Fernsehen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 25. Juli 2020 | 07:20 Uhr