Integration Dankbarkeit als Lohn: Wie ein Ehepaar aus Vacha ukrainische Flüchtlinge unterstützt hat

06. Januar 2023, 08:18 Uhr

Als die ersten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Thüringen ankamen, gab es viel zu tun. Dabei waren die Gemeinden auf ehrenamtliche Hilfe angewiesen. Menschen haben Kleidung sortiert, Spenden befördert - oder, wie ein Ehepaar aus Vacha in der Rhön, leerstehende Wohnungen eingerichtet. Was ihnen nach dieser "heißen Phase" geblieben ist? Der Kontakt zu einer ukrainischen Familie und Dankbarkeit.

Es gibt viele Motive zu helfen. Für Birgit Schlott aus Vacha stand ein persönliches ganz oben, als es um Flüchtlinge aus der Ukraine ging: Ihre Großeltern und ihre Mutter wurden 1946 aus dem Sudetenland vertrieben, mit wenig Habe mussten sie anfangs zu dritt in einem Zimmer leben.

Wenn Menschen auf der Flucht und in Not sind, sagt Birgit Schlott, "dann hilft man. Das ist ganz einfach menschlich." Ihr Mann Rainer, Vorsitzender des Rhönklubs Vacha, nennt ein weiteres Motiv: Sie hätten der Stadt etwas zurückgeben wollen, die den Verein stets unterstützt habe.

Stadt bat um Hilfe

Denn die Stadt hatte damals angefragt, hatte Vereine und Engagierte zusammengerufen und um Hilfe gebeten für die Flüchtlinge, die so plötzlich auch in der Rhön angekommen waren. Es ging um lange leerstehende städtische Wohnungen, die schnell flottgemacht werden sollten. Die einen übernahmen Sanierungsarbeiten, der Rhönklub sagte zu, beim Einräumen und Einrichten zu helfen.

35 Lampen angebracht

Neun Wohnungen waren es letzten Endes, die mit Hilfe von zahlreichen Sachspenden ausgestattet wurden. Bestimmt 35 Lampen habe er angebracht, erzählt Rainer Schlott, und so manchen Bohrer in dem Plattenbau ruiniert. Auch Gardinen mussten vor die Fenster. Eine Grundausstattung an Putzmitteln haben sie selbst besorgt wie Besen und Eimer.

Da war schon ein bisschen Herzblut dabei.

Birgit Schlott

Wenn sie wussten, dass Kinder in die Wohnungen einziehen würden, sagt Birgit Schlott, "dann haben wir für die etwas hingelegt. Da war schon ein bisschen Herzblut dabei."

Immer noch Kontakt zur ersten Familie

Von März bis Juni war das Rentnerehepaar mit anderen Rhönklub-Mitstreitern mit dieser Aufgabe beschäftigt. Bei den Ukrainern waren sie schnell bekannt, wurden auch schon einmal privat zuhause um Hilfe gebeten. "Das haben wir eben dann gemacht," sagt Birgit Schlott.

Zu der Familie, die in die erste Wohnung eingezogen war, haben sie auch heute noch Kontakt. Am Anfang war der enger, erzählen sie, inzwischen ist es fast Normalität geworden. Die Familie kommt mal zum Kaffeetrinken, mal werden Schlotts zum ukrainischen Essen eingeladen.

Nachrichten aus dem Krieg

Eine Besonderheit bei dieser Familie: auch der Vater ist dabei. Als Syrer musste er nicht zur Armee und durfte das Land verlassen - ebenso wie der Vater der Frau, der älter als 60 Jahre ist. Dessen Frau und die zweite Tochter sind in der Nähe von Charkiv geblieben.

Auf diese Weise gibt es aus der Familie immer wieder Nachrichten aus dem Krieg: Das eigene Haus sei noch heil, aber das des Nachbarn zerstört - und auch die Schule existiere nicht mehr, die der siebenjährige Sohn besuchte.

Kinder "machen ihren Weg"

Das Ehepaar Schlott freut sich besonders, dass beide Kinder sich so schnell in Vacha eingefunden und die Sprache gelernt haben. Die 13-jährige Tochter besucht das Gymnasium, der Sohn ist jetzt in der zweiten Klasse. Mit ihm hat Birgit Schlott als frühere Grundschullehrerin Deutsch gelernt, so dass er bald Anschluss fand.

Es freut einen, wenn sich das Engagement widerspiegelt.

Rainer Schlott

Der Junge spielt im Fußballverein, hat Freunde im Ort. Und beide Kinder nehmen zusätzlich online am Schulunterricht in der Ukraine teil. "Die machen ihren Weg", sagt Rainer Schlott zuversichtlich. "Und das freut einen ja auch, dass sich dieses Engagement irgendwo widerspiegelt!"

Lob und Kritik für den Ehrenamtseinsatz

In Vacha habe nicht jeder verstanden, dass sie Wohnungen für Flüchtlinge einrichteten - hätten die doch selbst machen können, bekamen sie zu hören. Hätten sie nicht, sagt das Ehepaar: Dazu habe alles gefehlt vom Werkzeug bis zum Besen. Beim Möbeltragen waren einige Flüchtlinge durchaus dabei.

Toll, dass Ihr das macht - hieß es von anderen. Für sie zählt vor allem, dass sie die Dankbarkeit der Menschen aus der Ukraine spüren. Wenn sie über die Straße hinweg grüßen oder winken, wenn es Schulterklopfen gibt oder beim Fest ein Bier spendiert wird.

Hoffnung auf Ende des Kriegs

55 Flüchtlinge aus der Ukraine leben derzeit in Vacha. In den Wohnungen, die sie eingerichtet haben, sind noch alle da, erzählt das Ehepaar. Was sie sich wünschen für das kommende Jahr? "Dass der Krieg aufhört und die dann wieder ein besseres Leben führen können", sagt Birgit Schlott. "Und vielleicht auch einige Familien wieder zurückfinden in ihr Land."

Und ihrem Mann ist wichtig, "dass die Familien wieder zusammengeführt werden. Denn die Männer sind ja fast alle in der Ukraine geblieben."

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 27. Dezember 2022 | 08:13 Uhr

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