Für Siebte Thüringer Stadt "Riesengroßer Schritt": Grabfeld für Muslime in Eisenach mit vielen Kompromissen geplant
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20. Januar 2023, 19:41 Uhr
Als siebte Stadt in Thüringen möchte Eisenach muslimischen Einwohnern eine Bestattung ermöglichen, die deren Religion gerecht wird. Dazu galt es Lösungen zu finden, die muslimischen Riten Raum geben, aber dennoch dem Thüringer Bestattungsgesetz entsprechen. Ausgiebig wurde darüber mit Fachleuten beraten und eine Vereinbarung gefunden, die jetzt unterzeichnet wurde. In knapp zwei Jahren könnte die erste muslimische Beisetzung auf dem Eisenacher Hauptfriedhof stattfinden.
Die Hälfte seines Lebens hat Sofiane Touibi in Eisenach verbracht – und hier möchte er einmal begraben werden, als Muslim. Anerkannt als Bürger, nicht nur auf dem Papier, wie er sagt. Dass das künftig möglich sein soll, freut ihn: "ein riesengroßer Schritt". Aber: es werde auch Zeit, meint der Vorsitzende des Vereins "Internationales Islamisches Kulturzentrum Eisenach".
Immer wieder hätten in den vergangenen Jahren Menschen bei ihm angefragt, wo sie ihre Angehörigen bestatten könnten. "Die musste ich immer wieder verweisen: Jena, Erfurt, Berlin, Hamburg, musste sie weit weg schicken. Und da kam immer wieder die Frage: Warum nicht in Eisenach?"
Im rechtlich möglichen Rahmen
Das soll sich jetzt ändern. Seit einigen Jahren beschäftigen sich neben dem Verein auch der Ausländerbeirat und die Stadt mit der Frage, wie Eisenacher muslimischen Glaubens bestattet werden können – so, wie es den religiösen Vorschriften entspricht. Klar war aber auch, dass sich das nur im rechtlichen Rahmen bewegen kann, den das Thüringer Bestattungsgesetz und die Eisenacher Friedhofssatzung vorgeben.
Gemeinsam mit dem muslimischen Kulturzentrum, der Friedhofsverwaltung, dem Gestaltungsbeirat für die Eisenacher Friedhöfe, dem früheren Islambeauftragten des Bistums Erfurt und einem muslimischen Bestatter wurden Lösungen gesucht, die möglichst allen gerecht werden.
Anrecht auf religionsgerechte Bestattung
Lange wurde beraten, jetzt ist eine Vereinbarung unterzeichnet. Für die Stadt setzte Bürgermeister Christoph Ihling (CDU) seine Unterschrift unter das vierseitige Papier. "Alle Menschen gleich welchen Glaubens müssen ein Anrecht auf eine Bestattung haben, die ihrer Religion gerecht wird", findet er – und würdigt die muslimische Gemeinschaft: Sie habe sich "bewegt und einige Kompromisse ermöglicht".
Nach Mekka ausgerichtet und ungestört
Geplant ist ein eigenes Grabfeld mit 80 Plätzen, die gen Mekka ausgerichtet sind. Dieser Teil des Friedhofs soll mit Hecken geschützt sein, so dass dort ungestört gebetet werden kann. Dieses beides sei das Wichtigste, findet Sofiane Touibi. In emotionalen Situationen am Grab mit den verstorbenen Verwandten zu sprechen, sei auch "für die Seele der Gebliebenen wichtig".
Sarg selbst tragen
Auch dürfen Angehörige den Sarg selbst zum Grab tragen, ihn dort absenken und die Grabstätte schließen – wenn das vorher mit der Verwaltung abgesprochen wurde und jemand vom Friedhof dabei ist. Rituelle Waschungen sind auf dem Friedhof nicht möglich, aber beispielsweise im Bestattungsinstitut der Stadtwirtschaft ganz in der Nähe.
Mit Sarg und zeitlich begrenzt
Im Islam sollen die Toten möglichst innerhalb von 24 Stunden begraben werden. Das sei in Deutschland ganz unrealistisch, sagt Friedhofsverwalterin Nicole Lehmann. Das Bestattungsgesetz sieht mindestens 48 Stunden vor. Auch legt die Eisenacher Vereinbarung fest, dass im Sarg beerdigt wird statt in einem Tuch, wie es die muslimische Tradition vorsieht. Die Grabstätten werden zeitlich begrenzt vergeben und nicht "auf Ewigkeit".
Nur für Eisenacher
In dem Grabfeld, das möglichst schlicht gestaltet und dauernd gepflegt werden soll, wird nicht nach Glaubensrichtungen des Islam unterschieden. Beerdigt werden nur Menschen, die zum Zeitpunkt des Todes in Eisenach gemeldet waren. Sie brauchen eine Bestätigung des Kulturzentrums, dass sie Muslime waren – denn anders als bei Christen wird ihre Religionszugehörigkeit nicht offiziell erfasst.
Als Muslime wahrgenommen werden
So hat Integrationsmanagerin Nicole Päsler keinen Überblick, wie viele Muslime derzeit in Eisenach leben. Klar ist nur: "es betrifft viele". Und es geht nicht nur um diejenigen, die seit 2015 aus Syrien und Afghanistan nach Deutschland kamen, sondern beispielsweise auch um Menschen vom Balkan. "Das würdige Begräbnis ist der eine Aspekt", sagt Päsler, "ich glaube, sie wollen einfach als Muslime wahrgenommen werden. Diese Möglichkeit schaffen wir ihnen jetzt und das ist ganz wichtig."
Hoffen auf Akzeptanz
Dass das nicht jeder in Eisenach gut finden wird, ist Sofiane Touibi bewusst. Das sei genauso wie bei der Gründung des Vereins vor zwölf Jahren, sagt der gebürtige Tunesier: "Da hieß es auch am Anfang, die wollen unser Land islamisieren, die wollen die Wartburg erobern."
Ich glaube, sie wollen einfach als Muslime wahrgenommen werden.
Auf dem Eisenacher Friedhof sind andere Glaubensgemeinschaften nicht neu, es gibt bereits zwei jüdische Grabfelder. Friedhofsverwalterin Nicole Lehmann hofft, dass auch das muslimische Grabfeld akzeptiert werden wird "als Teil des Angebots, das wir als letzte Ruhestätten unterbreiten". Auch deshalb hat die Stadt früh öffentlich über die Pläne informiert.
MDR (gh)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 20. Januar 2023 | 18:00 Uhr