Drei Schauspieler sitzen auf einer engen Couch nebeneinander. 7 min
"Minna von Barnhelm" feierte am Landestheater Eisenach Premiere. Mehr zum Stück und zur neuen Schauspielsparte im Audio. Bildrechte: Regina Orekhova

Komödie "Minna von Barnhelm" Neue Schauspielsparte am Landestheater Eisenach – Debüt nicht ganz überzeugend

23. September 2024, 15:45 Uhr

Für das Landestheater Eisenach ist die neue Spielzeit eine ganz Besondere: Seit einem Spardiktat Anfang der 2000er-Jahre gab es an dem Theater nur noch das Ballett und die Junge Sparte. Mit dieser Saison wurde an dem Haus erneut eine vollwertige Schauspielsparte etabliert. Das Landestheater feiert den Neustart mit Lessings Lustspiel "Minna von Barnhelm". Trotz einer frischen Minna gelingt es jedoch nicht wirklich, den Text aus dem Jahr 1767 zu entstauben, findet unsere Kritikerin.

Das Landestheater Eisenach setzt für die Neueröffnung der Schauspielsparte auf Komödie und spannt gleichzeitig einen Bogen: Am 1. Januar 1879 war das Haus mit "Minna von Barnhelm" eröffnet worden. Ab sofort kann das Theater wieder einen eigenen Abendspielplan anbieten – zuvor bekamen die Zuschauer lediglich Gastspiele aus Meiningen und Rudolstadt zu sehen. Geleitet wird die neue Sparte von Lydia Bunk, die sich mit der Eröffnungspremiere auch als Regisseurin vorstellt.

Landestheater Eisenach: Fasse eines großes hisorischen Gebäude aus Sandstein mit drei großen oben gebogenen Fenstern, davor ein Platz mit Pflanzen und zwei Bänken
Mit "Minna von Barnhelm" präsentiert das Landestheater Eisenach die neue Schauspielsparte. Kinderstücke und Märchen werden auch weiterhin zu sehen sein. Bildrechte: imago images/Hanke

Eine Liebesgeschichte in Kriegszeiten

Exzentrische Perücken und gepuderte Gesichter: Ästhetisch nähert sich die Eisenacher Inszenierung Lessings Stoff auf historische Weise an. Auf Minnas Kopf sitzt ein Turm aus rosa Korkenzieher-Löckchen. Dazu trägt die temperamentvolle junge Frau ein ausgestelltes Kleid mit lilafarbenem Korsett und tiefem Dekolleté. Im Gegensatz dazu kommt der Fünf-Akter mit einem recht schlichten Bühnenbild aus.

Es ist das Ende des Siebenjährigen Kriegs. Schauplatz des Stücks ist ein Wirtshaus in Berlin, an den grauen Wänden kriecht Feuchtigkeit hoch. Auf einer Sofagruppe vorne im Bild spielt sich dann das ganze Drama ab: Es geht um die Liebe zwischen Minna, der Tochter aus reichem Haus, und Tellheim, einem preußischem Major, der gerade aus dem Krieg kommt. Tellheim ist nicht nur kriegsversehrt – einer seiner Arme ist gelähmt – sondern auf Grund eines Irrtums auch unehrenhaft entlassen worden. In Summe genug, ihn in eine tiefe Männlichkeitskrise zu stürzen.

Minna als emanzipierte Frau – ihrer Zeit voraus

Tellheims innerer Konflikt, der sich vor allem um den männlichen Ehrbegriff dreht, ist aus heutiger Sicht wenig nachvollziehbar. Er fühlt sich als "Krüppel" und Entehrter und Minna damit nicht würdig. Sie wiederum stört sich nicht daran, besteht auf Heirat und beweist damit ein weitaus modernes Verständnis der Geschlechter als ihr verschatteter Liebhaber.

Minna bittet und bettelt und erfindet schließlich die Lüge, sie sei überraschend enterbt worden, nur damit Tellheim sich ihr gegenüber als Retter und Held aufspielen kann. Eine Gelegenheit für ihn, sich wieder "männlich" zu fühlen, sodass eine Heirat am Ende doch möglich wird.

Schauspieler am Landestheater Eisenach überzeugen

Nele Swanton als patente, schlagfertige Minna spielt erfrischend direkt. Und sie spielt vielschichtig: Diese Minna ist keine klassische Heldin, die man nur sympathisch findet.

Nele Swanton als patente, schlagfertige Minna spielt erfrischend direkt.

Marlene Drexler, MDR KULTUR-Kritikerin

Ein Genuss ist auch Luca Estelle Horvaths Darstellung von Minnas selbstbewusster, frechen Zofe, die sich von den wichtigtuerischen Männern überhaupt nicht einschüchtern lässt. Christoph Rabeneck überzeugt derweil als unangenehm kriecherischer, schmieriger Wirt. Bei Tellheim dagegen, gespielt von Tony Marossek, hätte es möglicherweise nicht geschadet, die Figur mit seinem etwas konstruierten Problem nicht durchgehend so bierernst zu nehmen.

Regie verschenkt dramatisches Potenzial

Auch wenn einzelne Szenen durchaus witzig und mit kreativen Ideen versehen sind, kneift die Regie im entscheidenden Moment: dem Gespräch zwischen Minna und Tellheim, als sie versucht, seine Argumentation zu entkräften. Er meint, er könne sie trotz Liebe nicht heiraten.

Regisseurin Lydia Bunk lässt die beiden die Szene nicht durchspielen, sondern baut künstliche Pausen ein. Es wird jeweils kurz schwarz auf der Bühne und die beiden Spieler nehmen Standfiguren ein. Ein Formkorsett, das dem Spiel im Weg steht und die Schlüsselszene blutleer erscheinen lässt. Die Figuren können ihren Konflikt letztlich nicht austragen.

Ein Formkorsett, das dem Spiel im Weg steht und die Schlüsselszene blutleer erscheinen lässt.

Marlene Drexler, MDR KULTUR-Kritikerin

Während vitales Spiel den ersten Teil des Abends tragen kann, wird es nach der Pause zunehmend schwieriger, die Konzentration zu halten. Wer heutige Anknüpfungspunkte an Lessings Klassiker erhalten will, muss sie selbst suchen.

Quellen: MDR KULTUR (Marlene Drexler), Redaktionelle Bearbeitung: lk

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR – Das Radio | 23. September 2024 | 08:40 Uhr

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