Festival Meiningen feiert die Kunst des Erzählens: Märchen für alle
Hauptinhalt
28. Mai 2024, 04:00 Uhr
Beim Märchen- und Sagenfest in Meiningen können sich Kinder und Jugendliche genauso wie Erwachsene in dieser Woche von bekannten und unbekannten Geschichten verzaubern lassen. Beim diesjährigen Festival steht besonders das gesprochene Wort im Vordergrund. Außerdem soll die Frage geklärt werden, warum wir uns trotz ihrer Grausamkeit und Brutalität weiter Märchen erzählen sollten. Der Thüringer Märchen- und Sagenpreis wird am Mittwochabend an den Jenaer Germanisten Martin Straub verliehen.
- Das Meininger Märchen- und Sagenfest stellt das freie Erzählen in den Fokus.
- Märchen festigen trotz aller Gewalt auch den Glauben an das Gute und verbinden Menschen.
- In diesem Jahr wird der Thüringer Märchen- und Sagenpreis an den Jenaer Germanisten Martin Straub verliehen.
Am Dienstag feiert das traditionelle, jährliche Märchen- und Sagenfest im thüringischen Meiningen seinen Auftakt. Die Organisatorinnen wollen mit dem Festival den reichen, weltweiten Märchenbestand bekannter machen und das gesprochene Wort fördern. Die Veranstaltungen richten sich an Kinder und Jugendliche genauso wie an Erwachsene.
Das freie Erzählen steht im Fokus
Los geht das Meininger Märchen- und Sagenfest am Dienstag mit einer offenen Erzählbühne in der Meininger Bibliothek. Sie bietet jedem die Gelegenheit, sich als Erzähler auszuprobieren oder einfach als Zuhörer dabei zu sein. Es können Märchen oder auch andere Geschichten, zum Beispiel biografische Erlebnisse, präsentiert werden. Das dreitägige Festivalprogramm beinhaltet außerdem Aufritte professioneller Märchenerzähler sowie ein Märchensymposium mit Workshops. Beim Symposium freuen sich die Organisatoren nach eigenen Angaben nicht nur über Fachpublikum, sondern jeden Neugierigen – ob Lehrerin, Erzieher, Bibliothekarin, Studierender, Märchenforscher oder Volkskundlerin.
Ins Leben gerufen wurde das Meininger Märchen- und Sagenfest im Jahr 2001 zum 200-jährigen Geburtstag des Märchensammlers Ludwig Bechstein, der im 19. Jahrhundert als Bibliothekar und Archivar in Meiningen wirkte. Überregional ist Bechstein heute vor allem durch die von ihm herausgegebene Sammlung deutscher Volksmärchen bekannt.
Im Kopf sollen Bilder entstehen.
Organisiert wird das Festival federführend von Bibliotheksleiterin Sylvia Gramann und ihrer Mitarbeiterin Cornelia Schmädicke, die selbst ausgebildete Märchenerzählerin ist. Beim freien Erzählen gehe es darum, die Geschichte so zu präsentieren, dass die Fantasie der Zuhörer angeregt wird, so Schmädicke bei MDR KULTUR: "Im Kopf sollen Bilder entstehen, sodass man als Zuhörer richtig eintaucht in die Handlung." Die Kunst des freien Erzählens verfolge außerdem das Ziel, die Deutsche Sprache zu fördern sowie die Rhetorik und Sprachfähigkeit von Menschen zu verbessern.
Märchen als verbindendes Element
Grundsätzlich gibt es laut Märchenerzählerin Schmädicke, die den Studiengang "Storytelling in art and education" an der Universität der Künste Berlin absolviert hat, beim freien Erzählen zwei Strömungen. Die eine besteht auf die wortgenaue Wiedergabe der Geschichten. Die andere ermuntert zu persönlichen Ausschmückungen, etwa mit eigenen Adjektiven. Bei dieser Variante gefalle ihr die Möglichkeit, auf verschiedenes Publikum einzugehen, sagt Schmädicke. Bei Kindern erzähle sie brutale Szenen etwa für gewöhnlich weniger detailliert, als bei Erwachsenen.
Dennoch halte sie gegen die Aussage mancher Eltern, einige Märchen seien generell zu grausam für Kinderohren. Sie ist der Meinung, auch jüngere Zuhörer verstünden, dass die Geschichten nicht eins zu eins zu verstehen sind. Die Lust an Märchen bestehe auch darin, dass sie – trotz der Grausamkeiten und bitteren Schicksalsschlägen, die Helden und Heldinnen erleiden – den Glauben an Gerechtigkeit und das Gute festigen. Denn, was alle Märchen gemein haben, ist: das Happy-End.
Organisatorin Sylvia Gramann beschreibt als besondere Erkenntnis ihrer intensiven Beschäftigung mit Märchen in den vergangenen Jahren die Tatsache, dass es immer wieder frappierende Ähnlichkeiten zwischen Geschichten gebe, die ihren Ursprung in ganz verschiedenen Ländern der Welt haben. Zu tun hat das laut Märchenerzählerin Schmädicke wohl auch mit der originären Art, wie sich Märchen (bis sie von Sammlern wie Ludwig Bechstein oder den Gebrüder Grimm schriftlich festgehalten wurden) verbreitet haben – in mündlicher Überlieferung von Generation zu Generation. Erzählt wurden sie unter den Dorflinden und am Lagerfeuer, womit sie auch immer eine soziale Funktion hatten. Das will das Meininger Märchen- und Sagenfest ebenso aufgreifen, indem es dazu einlädt, Märchen nicht nur alleine zuhause zu lesen, sondern ihnen gemeinsam mit anderen zu lauschen.
"Das Tapfere Schneiderlein" geht an Jenaer Germanisten
Alle zwei Jahre wird im Rahmen des Meininger Festivals auch der mit 2.500 Euro dotierte Thüringer Märchen- und Sagenpreis verliehen. Er ist nach dem berühmten Märchen "Das tapfere Schneiderlein" benannt. Unter den Preisträgern waren in der Vergangenheit schon Persönlichkeiten wie der in Benin geborene Mensah Wekenon Tokponto oder die US-Amerikanerin Ruth B. Bottigheimer. Ausgewählt werden immer Menschen, die sich in besondere Weise um das Kulturgut Märchen verdient gemacht haben. In diesem Jahr wird der Jenaer Germanist Martin Straub ausgezeichnet, der die Entstehung des Meininger Märchen- und Sagenfests vor bald 25 Jahre mitanregte.
Mehr Informationen:
Meininger Märchen- und Sagenfest
28. bis 30. Mai 2024
Tickets zu allen Veranstaltungen können in der Bibliothek Meiningen erworben werden.
Programm:
28. Mai:
- 16 Uhr: Offene Erzählbühne (Stadt- und Kreisbibliothek Meiningen)
- 19 Uhr: Ach, wie gut dass niemand weiß...oder erzähl mir Märchen (Stadt- und Kreisbibliothek Meiningen)
29. Mai:
- 10 Uhr: Symposium (Volkshaus Meiningen)
- 13 Uhr: Workshops (Volkshaus Meiningen)
- 15:30 Uhr: Workshops (Volkshaus Meiningen)
- 19 Uhr: Preisverleihung Thüringer Märchen- und Sagenpreis (Staatstheater Meiningen Kammerspiele)
30. Mai:
- 11 Uhr: Märchenhafter Spaziergang (Treffpunkt: Eingang Schlosspark Schlossstuben)
- 16 Uhr: Märchen zum Schmunzeln (Stadt- und Kreisbibliothek Meiningen)
Mehr Informationen finden Sie auf der Webseite der Stadt Meiningen.
Quelle: MDR KULTUR (Marlene Drexler)
Redaktionelle Bearbeitung: as, bh
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 28. Mai 2024 | 06:30 Uhr