Der Chef der Ausländerbehörde, Mike Hemmann und die Vize-Landrätin des Kreises Schmalkalden-Meiningen Susanne Reum.
Rede und Antwort standen der Chef der Ausländerbehörde, Mike Hemmann und die Vize-Landrätin Susanne Reum. Bildrechte: MDR/Marlene Drexler

Informationsabend Ausländerbehörde klärt auf: Gerüchte und Fakten in der Asylpolitik im Kreis Schmalkalden-Meiningen

25. September 2024, 18:03 Uhr

Bei gefährlichem Halbwissen hilft ein Gespräch mit Menschen aus der Praxis. In Schmalkalden gab es jetzt die Gelegenheit, den Leiter der Ausländerbehörde mit Fragen zur Situation rund um Zahlen, Unterbringung und Geldleistungen für Asylbewerber zu löchern. Geklärt werden konnte an dem Abend auch, was an der Aussage dran ist, Flüchtlinge würden sich reihenweise die Zähne neu machen lassen.

"Ich möchte hier ein paar Argumentationshilfen sammeln", beantwortet eine Frau mittleren Alters die Frage, warum sie gekommen ist. Ihr Mann engagiere sich in der Flüchtlingshilfe, auch dadurch würden sie häufiger in Debatten verwickelt: "Wo dann Sachen gesagt werden, wie - die Flüchtlinge liegen uns nur auf der Tasche oder die sind faul und wollen nicht arbeiten".

Sie wolle in der Lage sein, auf solche Aussagen mit belastbaren Fakten zu reagieren. Auch eine anwesende Sozialarbeiterin berichtet: "Ich muss mich ständig in privaten Gesprächen rechtfertigen".

Wie viel Geld bekommen die Flüchtlinge tatsächlich? Ab wann dürfen sie überhaupt arbeiten? Die Ausländerbehörde des Landkreises Schmalkalden-Meiningen hat am Dienstag das Angebot gemacht, bei einer offenen Veranstaltung diese und andere Fragen zur Situation im Landkreis zu stellen. Den etwa 20 Interessierten standen Vizelandrätin Susanne Reum, die den Bereich Sicherheit und Ordnung im Landratsamt leitet und Mike Hemmann, der Chef der Ausländerbehörde Rede und Antwort.

Grundsätzlich: Asylrecht fällt in die Bundesgesetzgebung

Für Susanne Reum ist eine Information zu Beginn besonders wichtig: Der Landkreis agiert im Bereich des Ausländer- und Asylrechts im übertragenden Wirkungskreis. Das bedeutet, die örtlichen Behörden müssen Bundesgesetze umsetzen, der eigene Handlungsspielraum ist gering.

Entscheidungen darüber, wie viel Geld etwa Asylbewerber bekommen, kann das Landratsamt nicht beeinflussen. Änderungen wären nur durch Anpassungen im Grundgesetz möglich, über die nur der Bundestag verfügen kann.

Mehrer menschen sitzten an einem Informationsabend um einen großen Tisch.
Die Veranstaltung wollte über Gerüchte zum rund um das Thema Asyl aufklären. Bildrechte: MDR/Marlene Drexler

Knapp 750 Asylbewerber leben im Landkreis

Zu einer Pflichtaufgabe der Kommunen gehört es, zugewiesene Flüchtlinge unterzubringen. Die Zahl wird durch den sogenannten Königsteiner Schlüssel ermittelt. Schmalkalden-Meiningen ist für 5,8 Prozent aller Menschen zuständig, die nach Thüringen kommen.

Derzeit sind im Landkreis genau 748 Asylbewerber untergebracht, inklusive Kinder. Die größte der insgesamt neun Gemeinschaftsunterkünfte befindet sich in der Kreisstadt Meiningen. Dort gibt es Platz für 84 Personen.

Eine friedliche Mehrheit, aber auch einige Problemfälle

In Meiningen gibt es außerdem eine Unterkunft für Problemfälle, dort können maximal 35 Menschen wohnen. Laut Susanne Reum ist es von Vorteil, verhaltensauffällige Asylbewerber gesammelt unterzubringen, damit der friedliche Rest nicht unter den Störern leiden muss: "Es gibt diese problematischen Kandidaten. Es handelt sich aber um Ausnahmen und die 35 Plätze sind bisher nie vollbelegt gewesen", so Reum.

Zu den Gemeinschaftsunterkünften kommen knapp 150 Wohnungen, die der Landkreis angemietet hat. Dort kommen zum Beispiel Menschen mit besserer Bleibeperspektive oder Familien unter.

Mehrer menschen sitzten an einem Informationsabend um einen Tisch und machen Notitzen.
Das Format lockte etwa 20 Interessierte. Bildrechte: MDR/Marlene Drexler

"Fehlbeleger" als großes Problem für den Landkreis

223 der 748 Asylbewerber sind sogenannte "Fehlbeleger". Laut Susanne Reum ein großes Problem für die Behörden. Das sind Menschen, die einen positiven Asylbescheid haben, aber dennoch weiter durch den Landkreis untergebracht sind. Die Ursachen sind unterschiedlich. Zum Teil finden die Betroffenen keine Vermieter, die mit ihnen Verträge abschließen wollen.

Zum Teil fehlt es - auch aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse - an Selbstständigkeit. "Fehlbeleger" sind laut Reum auch immer wieder alleinerziehende Frauen: "Die sind zum Beispiel nicht in der Lage, alleine eine Waschmaschine in ihre Wohnung zu transportieren. Oder einen Herd anzuschließen". Als Konsequenz kümmert sich der Landkreis und schließt auch vertretungshalber Mietverträge ab, um zu verhindern, dass Menschen in Obdachlosigkeit rutschen.

Asylbewerber bekommen weniger Geld als Bürgergeldempfänger

Welchen Anspruch die Asylbewerber auf Sozialleistungen haben, regelt das sogenannte Asylbewerberleitungsgesetz. Es orientiert sich grundsätzlich an der Höhe des Bürgergelds, in vielen Bereichen liegt es laut Landratsamt aber auch darunter.

Eine alleinstehende Person, die in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt, bekommt demnach je nach Status monatlich maximal 449 Euro. Der Bürgergeldsatz liegt bei 563 Euro. Im Landkreis Schmalkalden-Meiningen wird das Geld - abgesehen von 50 Euro Taschengeld - nicht mehr in bar ausgezahlt, sondern auf eine Bezahlkarte verbucht.

Diese erlaubt keine Überweisungen und auch keine Einkäufe außerhalb des Landkreises. Grundsätzlich ist die Zahl derer, die in Beschäftigung gekommen sind, in den vergangenen Monaten gestiegen. Denkbar also, dass die Bezahlkarte Druck und Motivation erhöht hat, schnellstmöglich eigenes Geld zu verdienen. Jeder Asylbewerber bekommt außerdem auch eine Gesundheitskarte, die eine medizinische Grundversorgung abdeckt.

Arbeitserlaubnis hängt vom Status ab

Eine reguläre Arbeit können alle Asylbewerber frühestens nach drei Monaten aufnehmen. Für Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, die keine Bleibeperspektive haben, gilt ein Arbeitsverbot. Der Landkreis hat jedoch auch begonnen, Asylbewerber zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten. Dabei sei es laut Vize-Landrätin Reum gar nicht so einfach gewesen, geeignete Beschäftigungsangebote zu finden.

Infrage kommen Arbeiten bei kommunalen oder gemeinnützigen Trägern. Seit April konnten 43 Menschen vermittelt werden, so helfen zum Beispiel fünf Personen im Schmalkalder Bauhof aus. Geweigert hätten sich bisher neun Menschen, die daraufhin sanktioniert wurden.

Noch so ein heiß diskutiertes Thema: Abschiebungen. Der Landkreis Schmalkalden-Meiningen hat in diesem Jahr bisher acht Personen abgeschoben, 16 Abschiebungen sind gescheitert. Für den Chef der Ausländerbehörde, Mike Hemmann, ist allerdings wichtig zu betonen, dass Abschiebung nur das letzte Mittel darstellt: "55 Menschen mit abgelehntem Asylbescheid sind in diesem Jahr freiwillig ausgereist".

Mythos oder Wahrheit? Von neuen Zähnen und dringend benötigen Fachkräften

In der anschließenden Diskussion kamen auch noch einige konkrete Fragen auf den Tisch. Ein anwesender Zahnarzt nahm etwa Stellung zu der Aussage, Flüchtlinge ließen sich reihenweise auf Kosten der deutschen Beitragszahler in die Krankenkassen die Zähne machen: "Kostenfrei ist für Flüchtlinge nur die Grundbehandlung. So wie für jeden anderen auch. Wer sich ein komplett neues Gebiss machen lassen möchte, trägt die Kosten privat. Oder aber er hat eine Zusatzversicherung."

Auch die Diskussion darüber, inwiefern Asylbewerber Lücken im Arbeitsmarkt füllen können, war Thema. Vize-Landrätin Reum sagte dazu: "Man muss so ehrlich sein und sagen, die, die jetzt kommen, können in der Regel nicht sofort Leerstellen füllen". Vielmehr müsse man deren Kinder und Kindeskinder in den Blick nehmen - da liege durchaus großes Potential für die Gesellschaft. Ein derzeitiges Problem sei, so Reum, dass die Zahl der Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe stark geschrumpft ist. Das erschwere die gelingende Integration.

Trotz lebhaftem Gespräch: Organisatoren enttäuscht

Auch wenn viele der Gäste den Abend nach eigenen Angaben als lehrreich empfunden haben, waren die Organisatoren doch enttäuscht. Die Veranstalter vom Wort-Projekt der Hochschule hatten auf mehr Resonanz gehofft. "Wort" steht für "Weltoffene Region Thüringen".

Das Projekt versucht mit verschiedenen Angeboten, die Region kulturell mehr aufzuschließen. Konstatieren muss man auch, dass eine wirklich kontroverse Debatte an diesem Abend ausgeblieben ist. Leute, die stark von gewissen Falschnachrichten überzeugt sind, hat das Format offenbar nicht erreicht.

Mehrer menschen sitzten an einem Informationsabend um einen großen Tisch. im Hinterrund läuft eine Präsentation.
Die Organisatoren hätten sich etwas mehr Resonanz gewünscht Bildrechte: MDR/Marlene Drexler

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MDR (jn)

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