
Umgang mit dem Wolf Vermehrt Wolfsrisse im Ilm-Kreis: Aufgeheizte Stimmung unter Tierhaltern
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30. März 2025, 13:43 Uhr
Die Wolfszahlen in Thüringen steigen. Mittlerweile gibt es im Freistaat vier bestätigte Wolfsterritorien. Erst seit Kurzem gehört mit Neustadt am Rennsteig auch der südliche Ilm-Kreis dazu. In den vergangenen Wochen gab es dort vermehrt Risse. Die Stimmung unter Tierhaltern ist aufgeheizt, die zuständige Behörde bietet Hilfe an.
Fredy Doll steht auf seiner Weide und ist einigermaßen ratlos. Es waren 15 Mufflons - jetzt sind es nur noch drei. Die anderen zwölf haben in den letzten Wochen allem Anschein nach die Wölfe geholt: "Die haben sich hier unter dem Zaun durchgegraben. Der ist zwar eingewachsen, aber die schaffen das trotzdem." Als Beleg zeigt er Fotos seiner Wildkamera.
Doll ist privater Tierhalter in Großbreitenbach, die Mufflons hält er zur Landschaftspflege seiner Flächen. Er ist einer von mehreren Tierbesitzern im südlichen Ilm-Kreis, bei denen der Wolf in den vergangenen Wochen Beute gemacht hat.
Wolfs-Fachstelle: "Beobachtungen melden"
Das zuständige "Kompetenzzentrum Wolf/Biber/Luchs", angesiedelt beim Thüringer Umweltministerium, listet derzeit vier Wolfsterritorien in Thüringen: Ilfeld, Ohrdruf, Hainich und Neustadt am Rennsteig. Standorttreu, also hier sesshaft, sind den Erkenntnissen nach 24 Tiere. Die vermehrten Risse rund um Großbreitenbach erklärt sich die Fachstelle damit, dass das Neustädter Rudel offenbar in Gegenden vordringt, in denen es mehr Nutztierhalter gibt - die noch nicht auf den Wolf eingestellt sind.
Gleichzeitig ist die Lage laut Henryk Baumbach, Leiter des Kompetenzzentrums, grundsätzlich dynamisch: "Wir haben auch Durchzügler, die wir zum Teil zufällig erfassen. Aber wir haben sicher nicht von allen Tieren Kenntnis." Daher sei es auch wichtig, dass Jäger oder Nutztierhalter Beobachtungen und andere Belege an die Fachstelle melden. Bei Rissen wird eine Kompensation gezahlt - allerdings nur, wenn die Tiere auch wolfsgerecht geschützt waren. Je nach Materialart des Zaunes ist ein elektrischer Zaun von 90 beziehungsweise 120 Zentimetern erforderlich.
Tierbesitzer will Mufflon-Haltung beenden
Fredy Doll gibt unumwunden zu: Einen solchen Zaun hat er nicht. Das sei technisch wegen des unebenen Geländes und mehrerer Bäche kaum möglich. Außerdem viel zu teuer, weil die Behörden nur einen Anteil der Kosten übernehmen würden. Doll bereitet sich darauf vor, dass auch seine letzten drei Mufflons die nächsten Wochen nicht überleben. Für ihn sei mit der Haltung dann Schluss.
Der private Tierhalter bekommt deshalb nur anteilige Zuschüsse, weil er verhältnismäßig wenig Tiere hat. Bei größeren Herden übernimmt das Land die Kosten für wolfsichere Zäune zu 100 Prozent. Und auch weitere präventive Maßnahmen wie Herdenschutzhunde werden in der Anschaffung und seit 2022 auch bei den laufenden Betriebskosten finanziell gefördert.
Wir haben auch Durchzügler von Wölfen, die wir zum Teil zufällig erfassen. Aber wir haben sicher nicht von allen Tieren Kenntnis.
Tierhalter fordert pragmatischere Abläufe bei Rissen und mehr Vertrauen
Während ein kleiner Tierhalter wie Fredy Doll für sich keine Zukunft sieht, hat Heinz Bley den Wolf längst akzeptiert. Er ist Chef der "Thürengeti" in Crawinkel im Kreis Gotha - dort leben auf circa 2.500 Hektar Hunderte Pferde und Kühe quasi in freier Wildbahn. Auch bei ihm haben Wölfe zuletzt Rinder gerissen, Bley spricht von acht toten Tieren.
Zäune sind bei seiner Haltungsform nicht möglich. Heinz Bley schätzt, das würde in die Millionen gehen. Daher bekommt er Risse grundsätzlich kompensiert, wie er berichtet. Trotzdem kritisiert der Landwirt die Abläufe. Sie seien zu bürokratisch, oft langwierig, die Regeln insgesamt zu unflexibel. Melde er einen Riss, würden erstmal mehrere Stunden vergehen, bis ein Gutachter vor Ort sei. Stunden, in denen er im Zweifel wartende Mitarbeiter bezahlen muss. Auch verstehe er nicht, warum Rissgutachten oft Wochen dauern.
Um Wege abzukürzen, hat er auch einen konkreten Vorschlag: eine digitale Lösung, bei der Landwirte selbst Fotos des gerissenen Tieres machen und an die Fachstelle schicken. Nach Einschätzung Bleys müssten auch die Kompensationszahlungen angepasst - und besser an tatsächlichen Kosten ausgerichtet werden. Bley ist grundsätzlich der Meinung, es werde zu viel Geld für Wolfsmonitoring ausgegeben - während gleichzeitig zu wenig bei den geschädigten Tierhaltern ankomme. Und noch ein Punkt ist ihm wichtig: "Ich wünsche mir mehr Vertrauen gegenüber den Tierhaltern. Es entsteht das Gefühl, die denken, wir würden bei den toten Tieren bescheißen."
Wolfs-Fachstelle nicht für Lobbyarbeit für Wolf zuständig
Entgegen häufiger Unterstellungen sei das Kompetenzzentrum keine politische Behörde, heißt es aus der Fachstelle. Es sei nicht Aufgabe der Mitarbeiter, Lobbyarbeit für den Wolf zu machen. Die Fachstelle agiere zu jeder Zeit auf dem Boden von gültigem Recht. Richtig ist: Der grundsätzliche Wille zur Wiederansiedlung des Wolfes geht auf politische Entscheidungen auf EU- und Bundesebene zurück. "Unsere Aufgabe besteht darin, Nutztierhaltern dabei zu helfen, mit dem Wolf zu koexistieren", so Leiter Henryk Baumbach. Tierhalter, die Hilfe brauchen, könnten sich jederzeit melden, beraten - und darüber aufklären lassen, was es an Förderungen gibt.
Brombeerkoalition will leichteren Abschuss von Wölfen
Mittlerweile hat der Europarat auf Antrag der EU-Länder den Schutzstatus des Wolfs von "streng geschützt" auf "geschützt" gesenkt. Und damit auch die Voraussetzung für einen schnelleren Abschuss der Tiere geschaffen. Der Bund muss die Änderung jedoch erst noch in deutsches Recht gießen. Das Land will Druck machen, damit das möglichst schnell geht. Das geht aus einer aktuellen Mitteilung der Brombeer-Koalition hervor. Ein entsprechender Antrag der drei Fraktionen soll in der kommenden Landtagssitzung Anfang April debattiert werden.
Kritik kommt vom Naturschutzbund. Der wiederum hält eine Lockerung der Abschussregeln für den falschen Weg. Die Naturschützer plädieren dafür, die Unterstützung der Nutztierhalter weiter auszubauen. Etwa durch die Gründung eines eigenen Herdenschutzzentrums.
MDR (ost)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 30. März 2025 | 13:00 Uhr
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