Tilo Kummer (BSW), rechts, Katja Wolf (BSW), Fraktionsvorsitzende , links
Tilo Kummer (r.) ist neuer Umweltminister in Thüringen. Bildrechte: IMAGO/Funke Foto Services

Hildburghausen Tilo Kummer: Vom geschassten Bürgermeister zum Umweltminister des BSW

17. Januar 2025, 09:00 Uhr

Die einen hatten es geahnt, andere waren völlig erstaunt, manche erbost. Tilo Kummer, in der Südthüringer Kreisstadt Hildburghausen als Bürgermeister abgewählt, ist der neue Umweltminister. Nicht mehr für die Linke, sondern das Bündnis Sarah Wagenknecht. Die Ernennung des geschassten Bürgermeisters sorgt in der Heimat Kummers für heftige Reaktionen. Ein Stimmungsbild.

"Wenn einer noch nicht mal eine Stadtverwaltung im Griff hat, wie will er dann ein ganzes Ministerium leiten", sagt ein junger Mann auf dem Marktplatz. "Typisch Politik", ergänzt eine Passantin, rollt bedeutungsvoll mit den Augen und läuft schnell weiter. Mehr will sie nicht sagen.

Ich finde es einfach unfair, wenn jemand gewählt worden ist, dass er dann so durch den Kakao gezogen und in Misskredit gebracht wird.

Passantin

Viele der zufällig Befragten verstehen nicht, wie es ein abgewählter Bürgermeister wenige Monate später zum Minister bringt. Manche Äußerung geht auch deutlich unter die Gürtellinie. Etwa, dass es bei Kummer zu Hause auf dem Grundstück aussehe wie bei "Schlump und Latsch". Schon deshalb sei undenkbar, dass er in Sachen Umwelt irgendwas auf die Beine stellen werde.

Manche sind differenzierter. "In Hildburghausen ist es so, dass es viele Strömungen gibt und einer ist dem anderen nicht gut", versucht ein älterer Herr die Zustände in der Stadt zu beschreiben. Eine Frau ärgert sich, dass Tilo Kummer von vornherein abgestempelt wird. "Vielleicht tut er sich doch gut in seiner neuen Funktion. Ich finde es einfach unfair, wenn jemand gewählt worden ist, dass er dann so durch den Kakao gezogen und in Misskredit gebracht wird", sagt sie und schüttelt den Kopf.

Ralf Bumann – inzwischen parteiloser Stadtrat – kritisiert die Ernennung Kummers zum Minister besonders scharf und öffentlich. Als Bürgermeister habe er viele Entscheidungen allein getroffen, ohne sich mit irgendjemandem abzustimmen.

Tilo Kummer, (BSW), steht im Thüringer Landtag.
Dass Kummer jetzt Minister ist, stößt vielen in Hildburghausen sauer auf. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Reichel

"Und das ist wahrscheinlich auch sein größter Fehler gewesen. Er hat so viele vor den Kopf gestoßen. Wie er bei Einwohnerversammlungen mit den Bürgern umgesprungen ist, wenn da mal ein bisschen Kritik kam. Das ging einfach nicht mehr so weiter", resümiert Bumann die seiner Meinung nach völlig missglückte Amtszeit Kummers als Bürgermeister.

Kritiker aus der SPD ausgetreten

Ralf Bumann hat wegen des Abwahlverfahrens 2023 viel Kritik seiner einstigen Partei, der SPD, einstecken müssen. Dass die SPD-Stadträte zusammen mit denen der AfD und dem rechten Bündnis Zukunft Hildburghausen für die Einleitung eines Abwahlverfahrens stimmten, stieß der Thüringer Parteiführung sauer auf.

Einen Rauswurf gab es für Bumann zwar nicht, stattdessen sollte seine Parteimitgliedschaft für zwei Jahre ruhen. Bumann trat wie sein Sohn und eine weitere ehemalige Stadträtin aus der SPD aus.

Ralf Bumann im Porträt
Ralf Bumann ist inzwischen aus der SPD ausgetreten. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Tilo Kummer dagegen habe aus Kalkül die Partei gewechselt. "Er ist bei den Linken nichts mehr geworden", sagt Bumann. Vielleicht habe er schon in der letzten Legislaturperiode Landwirtschaftsminister werden wollen oder Staatssekretär. "Das hat nicht funktioniert. Die Umfrageergebnisse für das BSW waren ja bombig. Da hat er seine Chancen gesehen. Also ich denke, das war zum Selbstzweck."

Vom Wechsel zum BSW "geschockt"

Vom Wechsel Kummers zum BSW ist sogar der langjährige Wegbegleiter und Freund Steffen Harzer völlig überrascht gewesen. "Einen Tag vorher hätte ich noch eine Wette abgeschlossen, dass er das niemals tut. Ich war völlig geschockt und er hat mich damit auch menschlich schwer enttäuscht", sagt Harzer.

Steffen Harzer war für die Linke ebenfalls Bürgermeister in Hildburghausen. Seit 1996 insgesamt 18 Jahre lang und Harzer kam nach einem Abwahlverfahren ins Amt. "Tilo hat natürlich auch Fehler gemacht. Aber ich glaube, in ganz Deutschland ist deswegen noch nie ein Bürgermeister abgewählt worden", sagt Steffen Harzer. Kummer habe sich nichts zu Schulden kommen lassen. Er habe kein Geld veruntreut oder falsch eingesetzt.

Steffen Harzer telefoniert
Steffen Harzer war mit Kummers Kommunikationsstrategie nicht einverstanden. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Er kam öfters halt mit so kurzfristigen Sachen, sehr kurzfristigen Änderungen. Und das sollte dann sofort beschlossen werden.

Steffen Harzer

Aber Fehler habe er schon auch gemacht. "Vor allem in der Kommunikation. Er kam öfters halt mit so kurzfristigen Sachen, sehr kurzfristigen Änderungen. Und das sollte dann sofort beschlossen werden. Ich hätte mir gewünscht, dass er da mehr die Fraktionsvorsitzenden im Vorfeld einbezieht", sagt Harzer im Rückblick.

Harzer bedauert Kampagnen gegen Kummer

Aber vor allem seien gegen Tilo Kummer Kampagnen gefahren worden. Und gegen diese habe er letztlich keine Chance gehabt. Da sei es beispielsweise um einen nicht genehmigten Einkaufsmarkt gegangen oder um Interessen von Unternehmern, die sie durchsetzen wollten.

Außerdem sei Kummer zu einer absolut ungünstigen Zeit Bürgermeister geworden. "Genau als die Coronapandemie so richtig Fahrt aufgenommen hat. Er ist genau mit dem Lockdown ins Amt gekommen und musste ein paar Entscheidungen fällen, die unpopulär waren. Dann hat man ihm Sachen in die Schuhe geschoben, für die er gar nichts konnte. Die Polizeieinsätze bei den Montagsdemonstrationen beispielsweise, die ganzen Wasserwerfer, die hier in Hildburghausen standen. Das alles lag gar nicht in seiner Verantwortung", springt Harzer dem Ex-Bürgermeister und aktuellen Umweltminister bei.

Als Minister jedenfalls sei er Fachmann wie kein anderer auf seinem Gebiet, schätzt Harzer ein. "Er war 20 Jahre im Landtag und davon 15 Jahre Vorsitzender vom Umweltausschuss. Da ist er auch über die Parteigrenzen hinweg anerkannt und gewählt worden und hat sich ein großes Ansehen erworben", so Steffen Harzer.

Tilo Kummer
In seiner Zeit als Bürgermeister stand Kummer oft in der Kritik. Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Schutt

Kein "doppeltes Gehalt" für Kummer  

Tilo Kummer selbst ist von der Diskussion in seiner Heimatstadt sichtlich angefasst. Vor allem der immer wieder öffentlich geäußerte Vorwurf, er würde zu Lasten der Stadt doppeltes Gehalt beziehen, hat ihn geärgert. Ein einfacher Blick in die Rechtslage zeige, dass das nicht stimme. "Man bekommt noch ein Übergangsgeld bis zum Ende der Wahlperiode. Das ist bei Geschäftsführern aber auch nicht anders, nur da redet kein Mensch weiter drüber", sagt Kummer.

Man bekommt noch ein Übergangsgeld bis zum Ende der Wahlperiode. Das ist bei Geschäftsführern aber auch nicht anders, nur da redet kein Mensch weiter drüber.

Tilo Kummer

Bei den Bezügen geht es um rund 70.000 Euro im Jahr, welche die Stadt zu zahlen hat. Nach Information des aktuellen Bürgermeisters Patrick Hammerschmidt (parteilos) werde die Summe jedoch mit dem Ministergehalt verrechnet.

"Es gibt eine Höchstgrenze, das alles wird aktuell berechnet und dann werden wir sehen, was finanziell auf uns zukommt", so Hammerschmidt. Der Bürgermeister will aber betont wissen, dass die Bezüge dem Vorgänger per Gesetz zustünden, Kummer sich also nicht widerrechtlich bereichere.

Kummer: Hildburghausen wird von meiner Arbeit "profitieren"

Trotz aller Diskussionen blickt Kummer nicht im Groll, sondern sogar gern auf seine Zeit als Bürgermeister zurück. Denn es sei auch viel Positives passiert. Bei der energetischen Umstellung in einigen Bereichen der Stadt beispielsweise.

"Da ist im Bauhof einiges passiert, was ich angekurbelt habe. Da hat es auch eine Förderung der Europäischen Union dafür gegeben. Inzwischen ist durch meine Initiative auf dem Dach der Feuerwehr und auf dem Stadttheater eine Photovoltaikanlage, um von den hohen Energiekosten runterzukommen. Die Nutzung eines Elektrofahrzeugs in Zusammenhang mit der eigenen Photovoltaikanlage wurde auf den Weg gebracht. Das sind alles Sachen, die ich angestoßen habe und wovon die Stadt Hildburghausen profitieren wird", sagt er.

Wechsel zum BSW "nicht leicht gemacht"

Sein Wechsel von den Linken zum Bündnis Sarah Wagenknecht habe er sich keinesfalls leicht gemacht. Letztlich seien es vor allem fachliche Gründe gewesen.

"Ich habe 2019 als Landtagsabgeordneter noch aus eigener Initiative eine Änderung des Waldgesetzes angeschoben. Da war schon ersichtlich, welche Käfer-Katastrophe auf uns zukommt. Und wenn man sich die Eigentumsverhältnisse gerade im Thüringer Wald anguckt und der Staatsforst muss immer erst fragen, wem gehört denn dieser Käferbaum. Ehe man den Eigentümer ermittelt hat, sind die Käfer ausgeflogen und haben die nächsten 200 Bäume angesteckt." Das war für Tilo Kummer so ein Punkt, die Linke zu verlassen. Aber auch mit einigen personellen Entscheidungen sei er nicht zufrieden gewesen.

Ich habe unglaublich viele Runden mit dem Stadtrat gedreht. Und kaum hatten wir die Runde der Fraktionsvorsitzenden hinter uns, war das alles nicht mehr wahr, was dort besprochen wurde.

Tilo Kummer

Was die Kommunikation angeht, dreht Kummer den Spieß eher um. "Ich habe unglaublich viele Runden mit dem Stadtrat gedreht. Und kaum hatten wir die Runde der Fraktionsvorsitzenden hinter uns, war das alles nicht mehr wahr, was dort besprochen wurde. Das ist halt die andere Seite der Medaille", so Tilo Kummer.

Als Minister ist der Ex-Bürgermeister noch ganz am Anfang. Doch auch hier, davon sei er überzeugt, würden ihm die Erfahrungen als Bürgermeister sehr nützlich sein. Üblicherweise zieht man nach 100 Tagen im Amt eine erste Bilanz. Diese Zeit soll auch Tilo Kummer als neuen Thüringer Umweltminister der Fairness halber gelassen werden.

Mehr zur Landespolitik in Thüringen

MDR (Bettina Ehrlich, Oliver Leiste)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 17. Januar 2025 | 18:30 Uhr

404 Not Found

Not Found

The requested URL /api/v1/talk/includes/html/a465a724-aaf0-490d-a247-3ddef5e724dd was not found on this server.

Mehr aus der Region Suhl - Hildburghausen - Sonneberg - Ilmenau

Mehr aus Thüringen